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Lobes Digitalfabrik: Schreiben Roboter bald Romane?

Literaturmaschinen sind Meister im Remixen, Kopieren und Zitieren. Damit befinden sie sich eigentlich in guter Gesellschaft. Doch reicht das? Noch nicht.
Kann die Literaturmaschine nur Maschinenliteratur?

Frage: What kind of murderer has fiber? Welcher Mörder hat Ballaststoffe? Antwort: A cereal killer.

Der Witz dieses Wortspiels lässt sich im Deutschen leider nur schwer wiedergeben. Er beruht darauf, dass "cereal" (Müsli) und "serial" (Serienmörder) ausgesprochen gleich klingen, man also entweder "Müslimörder" oder "Serienmörder" versteht. Ausgedacht hat sich diesen Scherz, so schreibt es der Futurist Ray Kurzweil in seinem 1999 erschienenen Buch "Homo sapiens: Leben im 21. Jahrhundert – Was bleibt vom Menschen?", kein Mensch, sondern ein Computerprogramm namens JAPE (Joke Analysis and Production Engine).

Zwar fiel die Witzmaschine bei einem modifizierten Turing-Test durch, als sie gegen den menschlichen Komiker Steve Martin antrat. Martin kam beim Publikum besser an. Doch ist erstaunlich, wozu automatisierte Schreibprogramme schon damals in der Lage waren. Kurzweil entwickelte einen "Cybernetic Poet", ein computergeneriertes Poesiesystem, das "mit Hilfe sprachgestaltender Techniken automatisch eine völlig eigene Verdichtung erzeugt, basierend auf Gedichten, die es zuvor gelesen hat". Die Poesie klingt noch etwas kristallin und arg pathetisch (ein Vers lautet: "Träum jetzt und sing / schaff Mythen / form Edelsteine aus dem fallenden Schnee"), doch die Potenziale einer kreativen Maschine ließen sich schon vor 18 Jahren erahnen.

Heute schreiben Algorithmen nicht nur automatisiert standardisierte Artikel (etwa bei der Nachrichtenagentur AP), sondern auch Drehbücher. Ein KI-System namens Benjamin hat im Jahr 2016 den Plot für den Sciencefiction-Streifen "Sunspring" geschrieben. Er erzählt die Geschichte von drei jungen Menschen, die in einem Raumschiff, das halb Labor und Bastelraum ist, in einer Dreiecksbeziehung leben. Der Schauspieler Thomas Middleditch, bekannt aus der Nerd-Serie "Silicon Valley", spielt den Augäpfel spuckenden Neurotiker H mit goldenem Jackett, den panische Ängste plagen und der seine exzentrischen Mitmenschen HZ (gespielt von Elisabeth Gray) und C (Humphrey Ker) einfach nicht versteht. Man merkt dem Film schnell an, dass er nicht von einem Menschen geschrieben wurde. Der Plot ist verwirrend, die Dialoge diffus. Zum Beispiel fragt H C: "Was machst du?" Darauf C: "Ich muss nicht ehrlich mit dir sein." Worauft H erwidert: "Du musst kein Arzt sein." Oscarverdächtig war das nicht. Doch die künstliche Intelligenz entwickelt sich rasend fort.

Erkennt der geneigte Leser, dass die Maschine nur paraphrasiert und Versatzstücke montiert hat?

Im März 2016 schaffte es ein gemeinsam von Forschern und einem KI-System verfasster Roman mit dem metanarrativen Titel "The Day A Computer Writes A Novel" in die zweite Runde eines japanischen Literaturwettbewerbs. Das Neukom Institute for Computational Science am Dartmouth College in New Hampshire hat in diesem Jahr zum dritten Mal einen Literaturpreis die "Turing Tests in the Creative Arts" für maschinengenerierte Werke (Poesie und Kurzgeschichten) ausgelobt. Der computerisierte Autor hat den Turing-Test bestanden, wenn die menschliche Jury den Maschinen-Output nicht mehr von einem menschlich generierten Werk unterscheiden kann. In der Vergangenheit ist dies bereits einigen Teilnehmern gelungen (allerdings mehr mit computergenerierter Technomusik, deren Genre es mit sich bringt, dass auch von Menschenhand geschriebene Stücke metallisch klingen).

Wenn Maschinen noch keine Bestseller schreiben, können sie diese zumindest vorhersagen. Die Wissenschaftler Jodie Archer und Matthew Jockers beschreiben in ihrem Buch "The Bestseller-Code", wie ein Algorithmus mit 80 Prozent Genauigkeit die Erfolgsaussichten von Büchern vorhersagt. Der "Bestseller-ometer" identifizierte 2800 Eigenschaften, die mit dem Erfolg von Büchern assoziiert sind. Eine Art Erfolgsformel. Der Algorithmus mag vor allem weibliche Helden, die in Bestsellern wie "The Girl on the Train" oder "Gone Girl" vorkommen. Viele Abkürzungen. Wenig Ausrufezeichen. Und statt Katzen lieber Hunde.

Der Mathematiker Max Deutsch hat derweil ein neuronales Netzwerk mit den ersten vier Harry-Potter-Bänden gefüttert und den Deep-Learning-Algorithmus auf Grundlage der "ausgelesenen" Bücher ein eigenes Kapitel schreiben lassen. Ob der geneigte Leser erkennen würde, dass die Maschine nur paraphrasiert und Versatzstücke montiert hat?

Der Vorwurf an die "Maschinenliteratur" (sofern es sich überhaupt um ein eigenständiges Genre handelt) ist, dass sie nicht kreativ sei und Texte nur zusammensample. Doch bedienen sich nicht auch menschliche Autoren an fremden Texten wie an einem Steinbruch? Die Autorin Helene Hegemann hat in ihrem gefeierten Debütroman "Axolotl Roadkill" große Teile vom Berliner Blogger Airen abgeschrieben. Und auch der Schweizer Schriftsteller Rolf Dobelli soll in seinen Erfolgsbüchern "Die Kunst des klaren Denkens" und "Die Kunst des klugen Handelns" abgekupfert haben.

Fast die gesamte Literaturgeschichte ist durchdrungen vom Sampeln und Kopieren. Schon Balzac sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, seine Comédie humaine sei ein Plagiat von Homers Odyssee. Der amerikanische Kulturhistoriker Hillel Schwartz schreibt in seinem Buch "The Culture of the Copy: Striking Likenesses, Unreasonable Facsimilies" (1997), dass die Moderne eine Geschichte der Doubles sei: Puppen, Roboter, Fotoplagiate, Klone, Models, Lookalikes, Kriegsspielzeuge, Doppelhelix, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, digitale Doppelgänger – quer durch alle Kollektive und Technologien wimmelt es von Dubletten. "Die Dopplung ist zu einem unausweichlichen Element der Modernität geworden", schreibt Schwartz. Schreiben kann man nicht nur lernen, es ist immer ein Kopieren und Imitieren bestimmter Stile und Ausdrucksformen. Und das kann eine Maschine womöglich effizienter als ein Mensch.

Allein, Literatur ist mehr als das bloße, mechanische Zusammenbauen von Satzbausteinen nach bestimmten (programmierbaren) syntaktischen Vorgaben. Es ist ein Spiel mit Bedeutungsebenen, der Versuch, die Geschichten des Lebens zu erzählen, plastische Figuren in das Gewebe der Sprache einzuweben. Und das vermag noch keine Maschine zu leisten. Bis der erste Literaturautomat einen Nobelpreis erhält, wird es wohl noch eine Weile dauern.

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