Rohstoffe: Schützt den Yellowstone der Tiefsee
Neu entdeckte Goldadern entlang des Salmon Rivers im Nordwesten der USA lockten um 1860 zahlreiche Glücksritter zu den heißen Mineralquellen des Yellowstone-Beckens. Bald darauf folgten Landspekulatoren, die ihre Claims samt der dort befindlichen Geysire abstecken und einzäunen wollten, um sie zu Privatbesitz zu machen. Doch so weit kam es dann nicht: Stattdessen wurde der Yellowstone 1872 als erster Nationalpark der Welt unter Schutz gestellt. Bemerkenswerterweise handelten die verantwortlichen Politiker in Washington D.C. vorausschauend und bewahrten die ursprüngliche Natur des Yellowstone für zukünftige Generationen, obwohl sie das Gebiet nur von Fotos und Gemälden sowie aus Erzählungen kannten.
Rund 100 Jahre später spürten Geologen ähnlich mineralreiche, heiße Quellen in der Tiefsee auf: in vulkanisch aktiven Regionen am Grund des Pazifiks. Diese Hydrothermalquellen beherbergen Bakterien, die verschiedene chemische Verbindungen im ausströmenden heißen Wasser nutzen, um Energie für ihren Stoffwechsel zu gewinnen. Sie bilden wiederum die Basis üppiger Lebensgemeinschaften ebenso attraktiver wie fremdartiger wirbelloser Tierarten, die sich markant von den ansonsten eher öden Weiten des Tiefseebodens unterscheiden.
Hydrothermalquellen – auch Schwarze Raucher genannt – lieferten der Forschung Einblicke in die Chemie der Ozeane oder wie sich die Erde einst abgekühlt haben könnte und zeigen unter welch extremen Bedingungen noch Leben existiert. Staaten wie Kanada, Portugal, Mexiko oder die USA haben Meeresschutzgebiete eingerichtet, um innerhalb ihrer Hoheitsgebiete wissenschaftlich besonders interessante Heißwasserquellzonen zu bewahren.
Die meisten Schwarzen Raucher finden sich jedoch entweder in internationalen Gewässern, deren Tiefseelebensräume noch kaum erfasst wurden, oder im Einflussbereich von Staaten, deren Umweltgesetzgebung die Ozeane noch gar nicht berücksichtigt. Angesichts steigender Rohstoffpreise könnte der Abbau von Mineralien am Meeresgrund bereits in wenigen Jahren beginnen. Als Wissenschaftlerin, die sich fast von der ersten Stunde an mit der Erforschung von Schwarzen Rauchern befasst hat und von ihren reichhaltigen Lebensgemeinschaften fasziniert ist, würde ich es begrüßen, wenn diese Ökosysteme als eine Art Tiefsee-Yellowstone unberührt blieben. Mir ist allerdings bewusst, dass dabei wissenschaftliche Interessen gegenüber wirtschaftlichen durchaus abgewogen werden müssen.
Da der Abbau dieser Erze wohl unvermeidlich scheint, müssen wir Wissenschaftler auf allen Ebenen wirksame Naturschutzmaßnahmen fordern: angefangen bei internationalen Abkommen bis hinab zu den einzelnen Bergbauunternehmen. Deshalb arbeite ich mit Nautilus Minerals zusammen – einer kanadischen Firma, die Tiefseeminen möglichst umweltverträglich betreiben möchte. Umgekehrt ermöglicht mir Nautilus Minerals Forschungsprojekte, die wegen der hohen Kosten ansonsten kaum vorstellbar wären. Ein faustischer Pakt? Nicht für mich.
Lange Forschung, wenig Wissen
Schon Anfang 1980 tauchten Vorschläge auf, dass man Erze aus Hydrothermalquellen vor der Küste Oregons fördern könnte. Technische Schwierigkeiten und hohe Kosten behinderten den Tiefseebergbau jedoch mehr als zwei Jahrzehnte lang. Der technische und wissenschaftliche Fortschritt erleichterte aber in der Zwischenzeit zunehmend den Zugang zur Tiefsee. Zuerst bestimmten wenige Forscher – allen voran US-Amerikaner und Franzosen – mit ihren bemannten U-Booten "Alvin" und "Nautilus" die Erkundung der Ozeanböden. Dann drang die Öl- und Gasindustrie immer tiefer ins Meer vor: Sie deckte gleichzeitig die damit verbundenen Risiken und mangelhaften gesetzlichen Regelungen auf – wie sich am Beispiel der Deepwater-Horizon-Katastrophe deutlich zeigte.
Die Technik ist also gereift, und begehrte Metalle warten anscheinend nur darauf, abgebaut zu werden: Zahlreiche kupfer-, zink-, silber- und goldreiche Erze lagern in erreichbarer Tiefe auf dem Meeresgrund und in der Nähe bereits vorhandener Bergbauinfrastruktur auf dem Festland. Mindestens zwei Firmen (Bluewater Metals aus Sydney und Nautilus Minerals) treiben die Exploration im Hoheitsgebiet von Papua-Neuguinea und den Solomonen voran.
Die Regierung von Papua-Neuguinea bewilligte im Januar ein Projekt von Nautilus Minerals, das über 20 Jahre hinweg den Erzabbau in einem Gebiet namens Solwara 1 im Manus-Becken vorsieht. Die Firma möchte dort schon in wenigen Jahren mit dem "Tagebau" beginnen und Erze (und damit auch unweigerlich Lebewesen) auf einer Fläche von etwa 10 Hektar und bis zu 20 bis 30 Metern Bodentiefe abbaggern. Und im Juli begutachtet die für den Tiefseebergbau verantwortliche Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) die ersten Anträge zur Gewinnung von Mineralen auf mittelozeanischen Rücken– auf Antrag Chinas und Russlands, die entsprechende Vorhaben auf dem Indischen beziehungsweise Mittelatlantischen Rücken umsetzen wollen. Die Ausbeutung beschränkt sich also vielleicht bald nicht mehr nur auf nationale Hoheitsgebiete.
Die nationale und internationale Umweltpolitik hat mit diesen Entwicklungen bislang nicht Schritt gehalten. Die Umweltbehörde von Papua-Neuguinea zum Beispiel hat bis jetzt keine hydrothermalen Lebensräume systematisch von der Nutzung ausgeschlossen, um deren Artenvielfalt vor Bergbauschäden zu schützen. Richtlinien, die menschliche Eingriffe in der Tiefsee steuern sollen, erscheinen meist willkürlich und inkonsequent: Die Welternährungsorganisation FAO etwa listet Schwarze Raucher als fragile Lebensräume auf, die vor Fischerei zu schützen sind. An Unterwasservulkanen und –bergen im Südpazifik darf deshalb kein Fischfang mit Grundschleppnetzen stattfinden. Der Abbau von Erzen, der die Habitate auf die gleiche Weise schädigen kann, ist dagegen nicht verboten.
Innerhalb der 200-Seemeilen-Zone – dem nationalen Einflussbereich Papua-Neuguineas – entwickeln sich die Vorgaben ad hoc. Nautilus Minerals arbeitet mit Forschern zusammen, um grundlegende Daten zu sammeln und wirksame Umweltrichtlinien zu entwickeln. Zum Ausgleich von Umweltschäden wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum Abbaugebiet eine ähnlich große Fläche wie Sorawa 1 unter Schutz gestellt: Sie soll die natürliche Wiederbesiedlung des Tagebaus erleichtern. Dazu kommen weitere offizielle Vorgaben Papua-Neuguineas.
In internationalen Gewässern treten dagegen Gesetzeslücken auf – manche sprechen sogar von richtigen Klüften: Spezielle Ökosysteme wie Heiß- und Kaltwasserquellen oder Korallenriffe der Tiefsee sind bislang rechtsfreie Räume. Bevor man ihr Wohl und Wehe den Bergbaufirmen überlässt, sollte ihr Schutz fester Bestandteil internationaler Gesetzeswerke werden, die die Nutzung der Tiefsee regeln – und zwar bevor die ISA die ersten Abbaulizenzen bewilligt.
Im letzten Jahr haben verschiedene Akteure, unterstützt von der ISA, dem Marinezensus und anderer Organisationen, Richtlinien für ein Netzwerk von Schutzgebieten für chemosynthetische Lebensräume wie den Hydrothermalquellen entworfen. Bevor diese oder ähnliche Vorgaben von der ISA nicht übernommen worden sind, käme jetzt jegliche Erzgewinnung an Schwarzen Rauchern aus Sicht der Wissenschaft zu früh.
Gute Gründe für ein Moratorium
Für diese Haltung gibt es drei gute Gründe: Wir müssen erstens noch sehr viel über die Schwarzen Raucher lernen. Selbst nach drei Jahrzehnten Forschung entdecken wir noch neue Hydrothermalquellen in entlegenen Regionen – und unbekannte Arten, Anpassungen, Verhaltensweisen und Nischen selbst an sehr gut untersuchten Standorten.
Zweitens existiert keine Planung, wie man die negativen Einflüsse des Abbaus messen und bewerten könnte. Die Erzgewinnung in einem Quellenfeld lässt sich mit einem Vulkanausbruch oder einer anderen natürlichen Katastrophe vergleichen, die komplette Lebensgemeinschaften völlig auslöscht. Aktive Schwarze Raucher werden häufig durch kleinere Ereignisse gestört, etwa den Kollaps eines Kamins oder kleine Erdbeben: Wie gut sich das Ökosystem davon erholt, hängt von der Häufigkeit und dem Ausmaß der Störung ab. Die Wissenschaft versteht aber bis jetzt nicht, wie eine Wiederbesiedlung abläuft oder wie benachbarte Lebensgemeinschaften einander beeinflussen. Kontinuierlicher Abbau, dessen Folgen sich summieren, könnte sich von singulären Naturereignissen grundlegend unterscheiden.
Und schließlich wissen wir bislang überhaupt nicht, wie sich die Auswirkungen des Tiefseebergbaus abschwächen oder betroffene Ökosysteme wieder herstellen ließen. Verschiedene Maßnahmen wie die Bewahrung einzelner Streifen innerhalb einer Konzession, die von der Erzförderung ausgenommen blieben, könnten die Sorgen der Wissenschaftler vielleicht mindern. Was dann aber tatsächlich wirkt und wirtschaftlich umsetzbar ist, erfahren wir erst, wenn der Abbau vollzogen worden ist – oder experimentelle Studien gelaufen sind.
Ein wissenschaftliches Komitee würde unter diesen Gesichtspunkten wohl sein Einverständnis für die Nutzung von Sorawa 1 geben – mit der Vorgabe, dass anschließend kein weiterer Abbau eingeleitet wird. Dann müssen Ökologen auswerten, wie schnell sich das Ökosystem wieder erholt und welche der Gegenmaßnahmen, die die Firma eingeleitet hat, tatsächlich zur Regeneration der Umwelt beiträgt.
Meeresforschung benötigt einen langen Atem, denn Expeditionen dauern lang und sind teuer. Den Schutz der Tiefsee dürfen wir dennoch nicht auf die lange Bank schieben: Entsprechende Regeln müssen schleunigst erlassen werden, bevor die Nutzung des Meeresbodens in internationalen Gewässern beginnt. Selbstverpflichtungen der Industrie reichen nicht aus.
Wir hätten viel verloren, wenn man den Yellowstone nicht den Parkrangern, sondern den Glücksrittern überlassen hätte. Die mächtige Wassersäule der Meere verhindert diesen Blick in die Tiefsee. Doch auch dort leben außergewöhnliche Geschöpfe, die sich perfekt an die harschen Bedingungen angepasst haben. Die Menschheit mag sich aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen dennoch dazu entschließen, diese Lebensräume zu erobern. Doch erst sollten wir wissen, was wir dabei überhaupt gewinnen – oder verlieren.
Rund 100 Jahre später spürten Geologen ähnlich mineralreiche, heiße Quellen in der Tiefsee auf: in vulkanisch aktiven Regionen am Grund des Pazifiks. Diese Hydrothermalquellen beherbergen Bakterien, die verschiedene chemische Verbindungen im ausströmenden heißen Wasser nutzen, um Energie für ihren Stoffwechsel zu gewinnen. Sie bilden wiederum die Basis üppiger Lebensgemeinschaften ebenso attraktiver wie fremdartiger wirbelloser Tierarten, die sich markant von den ansonsten eher öden Weiten des Tiefseebodens unterscheiden.
Hydrothermalquellen – auch Schwarze Raucher genannt – lieferten der Forschung Einblicke in die Chemie der Ozeane oder wie sich die Erde einst abgekühlt haben könnte und zeigen unter welch extremen Bedingungen noch Leben existiert. Staaten wie Kanada, Portugal, Mexiko oder die USA haben Meeresschutzgebiete eingerichtet, um innerhalb ihrer Hoheitsgebiete wissenschaftlich besonders interessante Heißwasserquellzonen zu bewahren.
Die meisten Schwarzen Raucher finden sich jedoch entweder in internationalen Gewässern, deren Tiefseelebensräume noch kaum erfasst wurden, oder im Einflussbereich von Staaten, deren Umweltgesetzgebung die Ozeane noch gar nicht berücksichtigt. Angesichts steigender Rohstoffpreise könnte der Abbau von Mineralien am Meeresgrund bereits in wenigen Jahren beginnen. Als Wissenschaftlerin, die sich fast von der ersten Stunde an mit der Erforschung von Schwarzen Rauchern befasst hat und von ihren reichhaltigen Lebensgemeinschaften fasziniert ist, würde ich es begrüßen, wenn diese Ökosysteme als eine Art Tiefsee-Yellowstone unberührt blieben. Mir ist allerdings bewusst, dass dabei wissenschaftliche Interessen gegenüber wirtschaftlichen durchaus abgewogen werden müssen.
Da der Abbau dieser Erze wohl unvermeidlich scheint, müssen wir Wissenschaftler auf allen Ebenen wirksame Naturschutzmaßnahmen fordern: angefangen bei internationalen Abkommen bis hinab zu den einzelnen Bergbauunternehmen. Deshalb arbeite ich mit Nautilus Minerals zusammen – einer kanadischen Firma, die Tiefseeminen möglichst umweltverträglich betreiben möchte. Umgekehrt ermöglicht mir Nautilus Minerals Forschungsprojekte, die wegen der hohen Kosten ansonsten kaum vorstellbar wären. Ein faustischer Pakt? Nicht für mich.
Lange Forschung, wenig Wissen
Schon Anfang 1980 tauchten Vorschläge auf, dass man Erze aus Hydrothermalquellen vor der Küste Oregons fördern könnte. Technische Schwierigkeiten und hohe Kosten behinderten den Tiefseebergbau jedoch mehr als zwei Jahrzehnte lang. Der technische und wissenschaftliche Fortschritt erleichterte aber in der Zwischenzeit zunehmend den Zugang zur Tiefsee. Zuerst bestimmten wenige Forscher – allen voran US-Amerikaner und Franzosen – mit ihren bemannten U-Booten "Alvin" und "Nautilus" die Erkundung der Ozeanböden. Dann drang die Öl- und Gasindustrie immer tiefer ins Meer vor: Sie deckte gleichzeitig die damit verbundenen Risiken und mangelhaften gesetzlichen Regelungen auf – wie sich am Beispiel der Deepwater-Horizon-Katastrophe deutlich zeigte.
Die Technik ist also gereift, und begehrte Metalle warten anscheinend nur darauf, abgebaut zu werden: Zahlreiche kupfer-, zink-, silber- und goldreiche Erze lagern in erreichbarer Tiefe auf dem Meeresgrund und in der Nähe bereits vorhandener Bergbauinfrastruktur auf dem Festland. Mindestens zwei Firmen (Bluewater Metals aus Sydney und Nautilus Minerals) treiben die Exploration im Hoheitsgebiet von Papua-Neuguinea und den Solomonen voran.
Die Regierung von Papua-Neuguinea bewilligte im Januar ein Projekt von Nautilus Minerals, das über 20 Jahre hinweg den Erzabbau in einem Gebiet namens Solwara 1 im Manus-Becken vorsieht. Die Firma möchte dort schon in wenigen Jahren mit dem "Tagebau" beginnen und Erze (und damit auch unweigerlich Lebewesen) auf einer Fläche von etwa 10 Hektar und bis zu 20 bis 30 Metern Bodentiefe abbaggern. Und im Juli begutachtet die für den Tiefseebergbau verantwortliche Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) die ersten Anträge zur Gewinnung von Mineralen auf mittelozeanischen Rücken– auf Antrag Chinas und Russlands, die entsprechende Vorhaben auf dem Indischen beziehungsweise Mittelatlantischen Rücken umsetzen wollen. Die Ausbeutung beschränkt sich also vielleicht bald nicht mehr nur auf nationale Hoheitsgebiete.
Die nationale und internationale Umweltpolitik hat mit diesen Entwicklungen bislang nicht Schritt gehalten. Die Umweltbehörde von Papua-Neuguinea zum Beispiel hat bis jetzt keine hydrothermalen Lebensräume systematisch von der Nutzung ausgeschlossen, um deren Artenvielfalt vor Bergbauschäden zu schützen. Richtlinien, die menschliche Eingriffe in der Tiefsee steuern sollen, erscheinen meist willkürlich und inkonsequent: Die Welternährungsorganisation FAO etwa listet Schwarze Raucher als fragile Lebensräume auf, die vor Fischerei zu schützen sind. An Unterwasservulkanen und –bergen im Südpazifik darf deshalb kein Fischfang mit Grundschleppnetzen stattfinden. Der Abbau von Erzen, der die Habitate auf die gleiche Weise schädigen kann, ist dagegen nicht verboten.
Innerhalb der 200-Seemeilen-Zone – dem nationalen Einflussbereich Papua-Neuguineas – entwickeln sich die Vorgaben ad hoc. Nautilus Minerals arbeitet mit Forschern zusammen, um grundlegende Daten zu sammeln und wirksame Umweltrichtlinien zu entwickeln. Zum Ausgleich von Umweltschäden wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum Abbaugebiet eine ähnlich große Fläche wie Sorawa 1 unter Schutz gestellt: Sie soll die natürliche Wiederbesiedlung des Tagebaus erleichtern. Dazu kommen weitere offizielle Vorgaben Papua-Neuguineas.
In internationalen Gewässern treten dagegen Gesetzeslücken auf – manche sprechen sogar von richtigen Klüften: Spezielle Ökosysteme wie Heiß- und Kaltwasserquellen oder Korallenriffe der Tiefsee sind bislang rechtsfreie Räume. Bevor man ihr Wohl und Wehe den Bergbaufirmen überlässt, sollte ihr Schutz fester Bestandteil internationaler Gesetzeswerke werden, die die Nutzung der Tiefsee regeln – und zwar bevor die ISA die ersten Abbaulizenzen bewilligt.
Die Meeresbodenbehörde ISA ist allerdings nicht nur für die Nutzung der Tiefsee zuständig, sondern gleichzeitig auch für ihren Schutz – manch einer sieht in der Behörde daher eine Art Wolf im Schafspelz. Mitgliedsstaaten der ISA mit anerkannt starken Naturschutzinteressen können – und sollen – sicherstellen, dass die Behörde Umweltauflagen beachtet. Ein erster Kodex zum "umweltfreundlichen Management des Tiefseebergbaus" liegt der ISA nun vor – initiiert von Nautilus Minerals. Es diene wahrscheinlich als Modell für ein rechtlich verbindliches Regelwerk, so die ISA. Dem Kodex mangelt es allerdings noch an umfassenden Regeln, die den systematischen Schutz der Ökosysteme und ihrer Artenvielfalt gewährleisten.
Im letzten Jahr haben verschiedene Akteure, unterstützt von der ISA, dem Marinezensus und anderer Organisationen, Richtlinien für ein Netzwerk von Schutzgebieten für chemosynthetische Lebensräume wie den Hydrothermalquellen entworfen. Bevor diese oder ähnliche Vorgaben von der ISA nicht übernommen worden sind, käme jetzt jegliche Erzgewinnung an Schwarzen Rauchern aus Sicht der Wissenschaft zu früh.
Gute Gründe für ein Moratorium
Für diese Haltung gibt es drei gute Gründe: Wir müssen erstens noch sehr viel über die Schwarzen Raucher lernen. Selbst nach drei Jahrzehnten Forschung entdecken wir noch neue Hydrothermalquellen in entlegenen Regionen – und unbekannte Arten, Anpassungen, Verhaltensweisen und Nischen selbst an sehr gut untersuchten Standorten.
Zweitens existiert keine Planung, wie man die negativen Einflüsse des Abbaus messen und bewerten könnte. Die Erzgewinnung in einem Quellenfeld lässt sich mit einem Vulkanausbruch oder einer anderen natürlichen Katastrophe vergleichen, die komplette Lebensgemeinschaften völlig auslöscht. Aktive Schwarze Raucher werden häufig durch kleinere Ereignisse gestört, etwa den Kollaps eines Kamins oder kleine Erdbeben: Wie gut sich das Ökosystem davon erholt, hängt von der Häufigkeit und dem Ausmaß der Störung ab. Die Wissenschaft versteht aber bis jetzt nicht, wie eine Wiederbesiedlung abläuft oder wie benachbarte Lebensgemeinschaften einander beeinflussen. Kontinuierlicher Abbau, dessen Folgen sich summieren, könnte sich von singulären Naturereignissen grundlegend unterscheiden.
Und schließlich wissen wir bislang überhaupt nicht, wie sich die Auswirkungen des Tiefseebergbaus abschwächen oder betroffene Ökosysteme wieder herstellen ließen. Verschiedene Maßnahmen wie die Bewahrung einzelner Streifen innerhalb einer Konzession, die von der Erzförderung ausgenommen blieben, könnten die Sorgen der Wissenschaftler vielleicht mindern. Was dann aber tatsächlich wirkt und wirtschaftlich umsetzbar ist, erfahren wir erst, wenn der Abbau vollzogen worden ist – oder experimentelle Studien gelaufen sind.
Ein wissenschaftliches Komitee würde unter diesen Gesichtspunkten wohl sein Einverständnis für die Nutzung von Sorawa 1 geben – mit der Vorgabe, dass anschließend kein weiterer Abbau eingeleitet wird. Dann müssen Ökologen auswerten, wie schnell sich das Ökosystem wieder erholt und welche der Gegenmaßnahmen, die die Firma eingeleitet hat, tatsächlich zur Regeneration der Umwelt beiträgt.
Meeresforschung benötigt einen langen Atem, denn Expeditionen dauern lang und sind teuer. Den Schutz der Tiefsee dürfen wir dennoch nicht auf die lange Bank schieben: Entsprechende Regeln müssen schleunigst erlassen werden, bevor die Nutzung des Meeresbodens in internationalen Gewässern beginnt. Selbstverpflichtungen der Industrie reichen nicht aus.
Wir hätten viel verloren, wenn man den Yellowstone nicht den Parkrangern, sondern den Glücksrittern überlassen hätte. Die mächtige Wassersäule der Meere verhindert diesen Blick in die Tiefsee. Doch auch dort leben außergewöhnliche Geschöpfe, die sich perfekt an die harschen Bedingungen angepasst haben. Die Menschheit mag sich aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen dennoch dazu entschließen, diese Lebensräume zu erobern. Doch erst sollten wir wissen, was wir dabei überhaupt gewinnen – oder verlieren.
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