Kolumnen: Sich ein Bild von jemandem machen
In meinem Büro, einer chaotischen Melange aus Rumpelkammer, Bibliothek, Labor, Ossarium und Kuriositätenkabinett, in meinem Büro, hinter mir an der Wand, gleich neben dem imposanten Schädel eines männlichen Ammon-Schafes, der eine vollverspiegelte Sonnenbrille und die Aufschrift "cool bleiben!" trägt, in meinem Büro, gleich neben und ein wenig über diesem Schädel hing lange ein Ölporträt eines bärtigen Herrn, das ich momentan allerdings schmerzlich vermisse – es war nur ausgeliehen, und ich musste es zurückgeben (siehe Fußnote 1).
Er könnte mein Urururgroßvater sein, ist es aber aus verschiedenen Gründen nicht, denn meine Urahnen waren (fort)pflanzungsfreudige Kartoffelbauern irgendwo im hessischen Ried, Lucae aber (sprich: "Luzae") blieb kinderlos. Er war Anatom, so wie ich Anatom bin. Anders als ich aber war er der Chef eines ganzen anatomischen Instituts. Über ein ganzes Menschenalter hinweg, von 1851 bis 1885, war er der Direktor der Dr. Senckenbergischen (Fußnote 2) Anatomie hier in Frankfurt, Chef eben der Anatomie, in der ich gerade sitze und schreibe.
Lucae war einfach nur klasse. Er hat nichts Besonderes entdeckt, nicht übertrieben viel publiziert, und die Anatomie als Wissenschaft stünde ohne ihn heute nicht viel anders da, als sie mit ihm dasteht. Das ist aber das Schicksal der allermeisten Wissenschaftler – ja, selbst der allermeisten Institutsdirektoren, auch wenn die das nicht gerne hören. Ich aber stünde anders da, hätte es ihn nicht gegeben. Einsamer, verlassener, denn stets suche ich Brüder und Schwestern im Geiste, denen die Anatomie, ebenso wie mir, zu einem zugleich fröhlichen und todtraurigen, einem hochernsten und dennoch witzigen Geschäft gerät. Na ja, sagen wir: die zusammen mit mir wenigstens versuchen, sie zu einem solchen Geschäft zu machen.
Als Anatom braucht man schon einen gewissen Sinn fürs Morbide, den Sie bitte nicht mit dem Sinn fürs Nekrophile verwechseln wollen. "Nekrophilie" ist Unzucht mit Leichnamen, das "Morbide" hingegen ist eigentlich "das Kranke, das Ungesunde". Es hat aber noch eine Nebenbedeutung, nämlich: "das Morsche, das Mürbe, das Zerfallende" – und in diesem Sinne möchte ich das Wort verwenden. Haben Sie jemals in morschem Holz gestochert und die Wunderwelt der Insektenlarven, der Nashornkäfer, der schillernden, langfühlerigen Bockkäfer, das tausendfüßige Gewusel verschlängelter Myriapoden, das massenweise Geassel und das schneckenschleimige Schleichwesen unter mürben Rinden inspiziert? Dies tausendfältige Leben im toten Baumstamm? Kennen Sie den Reiz des modrigen Geruches, der da aufsteigt? Wenn Ihnen die Ader für diese Ästhetik des Morschen, des Zerfalls und des Todes ganz und gar abgeht, wenn Sie diesen Schuss an Thanatophilie (3) nicht im Blut haben, dann sollten Sie lieber nicht Anatom werden.
Die Kunst ist’s nun aber, nicht nur der Morbidität und der Todesfaszination zu frönen, sondern sich selbst, als eigene Person, als der Anatom, der man ist, mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele in das morbide, thanatophile Spiel einzubringen und dabei noch die gute Grille des Humors und der Selbstironie zirpen zu lassen. "Tat tvam asi", nennen die Buddhisten dies Spiel, die plötzliche Einsicht, dass man in der Betrachtung der Welt sich selbst erkennt: "All das bist DU!" Dies Spiel hat der Herr Professor Lucae mit Wonne gespielt, wie die folgende Abbildung zeigt.
Die junge Frau, die er da zerlegte, geriet ihm später wirklich zur Heroine: Sie ward die Heldin einer herrlich bebilderten Publikation über "Die Anatomie der schönen weiblichen Form", eine der berühmtesten Veröffentlichungen Lucaes, und ein Kassenschlager unter Malern und Bildhauern, der immerhin zwei Auflagen erlebte (4). Sehr ästhetisch, sehr symbolisch das Ganze. Beachten Sie das Raffinement der Beleuchtung bei der Sektion, das Licht, das sich zur Pyramide türmt, in der Lampe gipfelt, um dann, nach oben hin, himmelwärts, wie vom Brennpunkt befreit, erneut auszustrahlen. Die Mächte des Lichts, der Schönheit walten im Dunkel des Sektionsraumes, und die hellsten Lichtflecken liegen auf dem Leichnam und auf Lucaes Denkerstirn.
Obacht, jetzt wird’s ein wenig härter, denn der Professor Lucae konnte auch ganz anders, drastischer. Denn nur die wenigsten Leichen sind so schöne Leichen. Sein ganzes Berufsleben lang war er Anatomielehrer. Und alle Jahre wieder ließ er ein Gruppenfoto (Bild unten) machen, ein Foto vom "Präparierkurs", den alle Medizinstudenten, damals und bis auf den heutigen Tag, durchlaufen müssen. Die Hauptperson in diesem Kurs ist der Leichnam: Der muss freilich mitten ins Bild, in all seiner Grauslichkeit. Doch, so sieht es aus. Selbst jene Holzklötze, mit denen man Körperpartien abstützt und anhebt, werden heute noch verwendet. Und wenn ich mir die Klötze, die wir momentan in der Anatomie verwenden, so anschaue, dann frage ich mich ernsthaft, ob’s nicht wirklich die gleichen sind, die schon Lucae unterlegte. Alt, mit vom vielen Gebrauch verrundeten Kanten. Schwer, schwerer als normales Holz, dunkel vom Blut und vollgesogen mit Fett, das das Holz im Lauf der Jahre ganz und gar durchdrang, es konservierte und das ihm zu einer fast samtigen, ganz und gar nicht hölzern sich anfühlenden Oberfläche verhalf. Sie sehen: Selbst die Holzklötze der Anatomie haben eine eigene, morbide Ästhetik.
Alle Jahre wieder stand der Krug da, wenn das Gruppenfoto gemacht wurde. Sicher kein Zufall – ein "running gag", eine Hommage Lucaes an seine Heimatstadt, ein apfelweinseliges Stück Lebensheiterkeit, das das Schauer-Szenario des sezierten Todes oben drüber kommentiert, aber nicht ironisiert. Lebt im Angesicht des Todes, aber seid heiter dabei, seid heiter beim Apfelwein, aber seid es in der Gewissheit des Endes aller Heiterkeit.
Oh je, jetzt hab’ ich dem Herrn Professor Johann Christian Lucae aber viel unterstellt, was er vielleicht nie gemeint oder gesagt hätte. Ich hab’ die Bildwelt, die er uns hinterlassen hat, interpretiert, mit meinen Gedanken gefüllt, in der Hoffnung, mich seinen zu nähern. Wenn ich schon so weit gegangen bin, dann kann ich ihm ja eigentlich auch ein Zitat in den Mund legen, das eigentlich von mir stammt, aber besser zu ihm und seiner Zeit, besser gesagt: zu dem, was ich mir unter ihm und seinem Zeitalter vorstelle, passt.
Lucae war ein Zeitgenosse Nietzsches. Von dem ist der Satz überliefert: "Das Leben ist nur als ästhetisches Phänomen zu rechtfertigen." Lucae könnte hinzugesetzt haben: "... und der Tod erst recht!"
Ich mag den Herrn Lucae, besser gesagt: das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe. Hoffentlich krieg’ ich sein Bild, sein Porträt bald wieder.
Helmut Wicht ist promovierter Biologe und Privatdozent für Anatomie an der Dr. Senckenbergischen Anatomie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Fußnoten:
(1) Ich musste es zur Re-Inventarisierung an den Eigentümer (die Dr. Senckenbergsiche Stiftung in Frankfurt am Main) zurückgeben. Ich bin aber zuversichtlich, es erneut ausleihen zu können.
(2) Die Gebäude, der Ort haben gewechselt – aber die Institution blieb: die Dr. Senckenbergische Anatomie, in Betrieb seit 1772. Wir haben übrigens nichts – oder nur wenig – mit dem allbekannten "Senckenberg-Museum" zu tun, die sind viel jünger als wir.
(3) Thanatophilie – die intellektuelle, ästhetische Hingezogenheit zum Tode, nicht aber die sexuelle Hingezogenheit zum Toten: Das ist wieder die Nekrophilie.
(4) J. Chr. G. Lucae: Zur Anatomie der schönen weiblichen Form. Mit 6 Tafeln nach geometrischen Aufrissen von Hermann Juncker auf Stein ausgeführt. Frankfurt am Main, 1864
(5) Handkäse mit Musik: ein übel riechender Rohmilchkäse, durch Zugabe von Zwiebeln, Kümmel, Essig und Öl überaus wohlschmeckend gemacht. Dazu Butterbrot und Apfelwein
Das Ölbild ist nach der obigen Fotografie gemalt, und wie Sie sehen, guckte der Herr, solang er noch über mir hing, grimmig und ein wenig abschätzig auf mich herab. Dabei müsste es ihm bei mir eigentlich gefallen haben. Zumindest gefällt er mir – mehr noch: Ich bewundere ihn. Eine Laudatio auf Herrn Professor Johann Christian Gustav Lucae also, dessen Namen Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben.
Er könnte mein Urururgroßvater sein, ist es aber aus verschiedenen Gründen nicht, denn meine Urahnen waren (fort)pflanzungsfreudige Kartoffelbauern irgendwo im hessischen Ried, Lucae aber (sprich: "Luzae") blieb kinderlos. Er war Anatom, so wie ich Anatom bin. Anders als ich aber war er der Chef eines ganzen anatomischen Instituts. Über ein ganzes Menschenalter hinweg, von 1851 bis 1885, war er der Direktor der Dr. Senckenbergischen (Fußnote 2) Anatomie hier in Frankfurt, Chef eben der Anatomie, in der ich gerade sitze und schreibe.
Lucae war einfach nur klasse. Er hat nichts Besonderes entdeckt, nicht übertrieben viel publiziert, und die Anatomie als Wissenschaft stünde ohne ihn heute nicht viel anders da, als sie mit ihm dasteht. Das ist aber das Schicksal der allermeisten Wissenschaftler – ja, selbst der allermeisten Institutsdirektoren, auch wenn die das nicht gerne hören. Ich aber stünde anders da, hätte es ihn nicht gegeben. Einsamer, verlassener, denn stets suche ich Brüder und Schwestern im Geiste, denen die Anatomie, ebenso wie mir, zu einem zugleich fröhlichen und todtraurigen, einem hochernsten und dennoch witzigen Geschäft gerät. Na ja, sagen wir: die zusammen mit mir wenigstens versuchen, sie zu einem solchen Geschäft zu machen.
Als Anatom braucht man schon einen gewissen Sinn fürs Morbide, den Sie bitte nicht mit dem Sinn fürs Nekrophile verwechseln wollen. "Nekrophilie" ist Unzucht mit Leichnamen, das "Morbide" hingegen ist eigentlich "das Kranke, das Ungesunde". Es hat aber noch eine Nebenbedeutung, nämlich: "das Morsche, das Mürbe, das Zerfallende" – und in diesem Sinne möchte ich das Wort verwenden. Haben Sie jemals in morschem Holz gestochert und die Wunderwelt der Insektenlarven, der Nashornkäfer, der schillernden, langfühlerigen Bockkäfer, das tausendfüßige Gewusel verschlängelter Myriapoden, das massenweise Geassel und das schneckenschleimige Schleichwesen unter mürben Rinden inspiziert? Dies tausendfältige Leben im toten Baumstamm? Kennen Sie den Reiz des modrigen Geruches, der da aufsteigt? Wenn Ihnen die Ader für diese Ästhetik des Morschen, des Zerfalls und des Todes ganz und gar abgeht, wenn Sie diesen Schuss an Thanatophilie (3) nicht im Blut haben, dann sollten Sie lieber nicht Anatom werden.
Die Kunst ist’s nun aber, nicht nur der Morbidität und der Todesfaszination zu frönen, sondern sich selbst, als eigene Person, als der Anatom, der man ist, mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele in das morbide, thanatophile Spiel einzubringen und dabei noch die gute Grille des Humors und der Selbstironie zirpen zu lassen. "Tat tvam asi", nennen die Buddhisten dies Spiel, die plötzliche Einsicht, dass man in der Betrachtung der Welt sich selbst erkennt: "All das bist DU!" Dies Spiel hat der Herr Professor Lucae mit Wonne gespielt, wie die folgende Abbildung zeigt.
Oh, und Pathos, Sinn fürs Pathos muss man haben, wenn man ästhetisch in der Anatomie reüssieren will. Im Jahre 1863 wurde eine schöne, junge Selbstmörderin in Frankfurt aus dem Main gefischt. Lucae sezierte sie ... aber nicht im Beisein von Anatomen und Medizinstudenten, sondern in Anwesenheit von Künstlern, Bildhauern und Malern. Und ließ sich seinerseits beim Geschäft des Sezierens malen.
Und sehn Sie mal, in welcher Pose! Fragend blickt der Sektionsassistent zu seinem Chef auf, will wohl wissen, ob er den Schnitt richtig geführt hat und wie nun weiterzumachen sei. Lucae aber blickt sinnend der schönen Toten ins Gesicht und ist offenbar momentan ganz woanders – wahrscheinlich genau in diesem Zwischenreich der Ästhetik und des Todes, dessen morbide, melancholische Bittersüßigkeit Junkies macht, wie Heroin.
Die junge Frau, die er da zerlegte, geriet ihm später wirklich zur Heroine: Sie ward die Heldin einer herrlich bebilderten Publikation über "Die Anatomie der schönen weiblichen Form", eine der berühmtesten Veröffentlichungen Lucaes, und ein Kassenschlager unter Malern und Bildhauern, der immerhin zwei Auflagen erlebte (4). Sehr ästhetisch, sehr symbolisch das Ganze. Beachten Sie das Raffinement der Beleuchtung bei der Sektion, das Licht, das sich zur Pyramide türmt, in der Lampe gipfelt, um dann, nach oben hin, himmelwärts, wie vom Brennpunkt befreit, erneut auszustrahlen. Die Mächte des Lichts, der Schönheit walten im Dunkel des Sektionsraumes, und die hellsten Lichtflecken liegen auf dem Leichnam und auf Lucaes Denkerstirn.
Obacht, jetzt wird’s ein wenig härter, denn der Professor Lucae konnte auch ganz anders, drastischer. Denn nur die wenigsten Leichen sind so schöne Leichen. Sein ganzes Berufsleben lang war er Anatomielehrer. Und alle Jahre wieder ließ er ein Gruppenfoto (Bild unten) machen, ein Foto vom "Präparierkurs", den alle Medizinstudenten, damals und bis auf den heutigen Tag, durchlaufen müssen. Die Hauptperson in diesem Kurs ist der Leichnam: Der muss freilich mitten ins Bild, in all seiner Grauslichkeit. Doch, so sieht es aus. Selbst jene Holzklötze, mit denen man Körperpartien abstützt und anhebt, werden heute noch verwendet. Und wenn ich mir die Klötze, die wir momentan in der Anatomie verwenden, so anschaue, dann frage ich mich ernsthaft, ob’s nicht wirklich die gleichen sind, die schon Lucae unterlegte. Alt, mit vom vielen Gebrauch verrundeten Kanten. Schwer, schwerer als normales Holz, dunkel vom Blut und vollgesogen mit Fett, das das Holz im Lauf der Jahre ganz und gar durchdrang, es konservierte und das ihm zu einer fast samtigen, ganz und gar nicht hölzern sich anfühlenden Oberfläche verhalf. Sie sehen: Selbst die Holzklötze der Anatomie haben eine eigene, morbide Ästhetik.
Zurück zu Lucae. Alle Jahre wieder so ein Foto, natürlich hochgradig inszeniert und arrangiert, alles andere als ein Schnappschuss also. Das ging ja auch damals noch gar nicht, die Belichtungszeiten waren minutenlang, stillhalten war angesagt. Für die Leiche kein Problem, für einige der Präparanten, wie man an manchen Verwackelungen sehen kann, schon eher. Jährlich das nämliche Inszenium. Im Freien (weil’s arg stank), ein Skelett rechts hinten. Professor Lucae inmitten. Sitzend, noch recht jung und schwarzbärtig, auf dem obigen Bild von 1866/67 (mich erinnert er an Gregory Peck in "Moby Dick" – aber ist’s wirklich er selbst? – siehe Bildlegende). Schlapphütig und stehend als alter, graubärtiger Mann (das ist er gewiss!) auf dem unten stehenden Bild von Kurs 1879/80, fünf Jahre vor seinem Tod.
Und jetzt gucken Sie mal unter die Tische, unter den Tisch von 1866 und den von 1879. Da steht ein kugeliges Gefäß. Auf dem späten Bild kann man sehen, dass es bemalt ist. Ein irdenes Gefäß also – das ist, Herrschaften, kein Behältnis für irgendwelche Chemikalien, für irgendwelche wissenschaftlichen oder eklen Flüssigkeiten, das ist – wär’n Sie Frankfurter, täten Sie’s erkennen – das ist, um’s im Dialekt meiner Heimatstadt zu sagen: "en Ebbelwoi-Bembel". Ganz eindeutig. Ein Krug voller Apfelwein, der zu Frankfurt gehört wie der "Handkäs’ mid Musigg" (5).
Alle Jahre wieder stand der Krug da, wenn das Gruppenfoto gemacht wurde. Sicher kein Zufall – ein "running gag", eine Hommage Lucaes an seine Heimatstadt, ein apfelweinseliges Stück Lebensheiterkeit, das das Schauer-Szenario des sezierten Todes oben drüber kommentiert, aber nicht ironisiert. Lebt im Angesicht des Todes, aber seid heiter dabei, seid heiter beim Apfelwein, aber seid es in der Gewissheit des Endes aller Heiterkeit.
Oh je, jetzt hab’ ich dem Herrn Professor Johann Christian Lucae aber viel unterstellt, was er vielleicht nie gemeint oder gesagt hätte. Ich hab’ die Bildwelt, die er uns hinterlassen hat, interpretiert, mit meinen Gedanken gefüllt, in der Hoffnung, mich seinen zu nähern. Wenn ich schon so weit gegangen bin, dann kann ich ihm ja eigentlich auch ein Zitat in den Mund legen, das eigentlich von mir stammt, aber besser zu ihm und seiner Zeit, besser gesagt: zu dem, was ich mir unter ihm und seinem Zeitalter vorstelle, passt.
Lucae war ein Zeitgenosse Nietzsches. Von dem ist der Satz überliefert: "Das Leben ist nur als ästhetisches Phänomen zu rechtfertigen." Lucae könnte hinzugesetzt haben: "... und der Tod erst recht!"
Ich mag den Herrn Lucae, besser gesagt: das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe. Hoffentlich krieg’ ich sein Bild, sein Porträt bald wieder.
Helmut Wicht ist promovierter Biologe und Privatdozent für Anatomie an der Dr. Senckenbergischen Anatomie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Fußnoten:
(1) Ich musste es zur Re-Inventarisierung an den Eigentümer (die Dr. Senckenbergsiche Stiftung in Frankfurt am Main) zurückgeben. Ich bin aber zuversichtlich, es erneut ausleihen zu können.
(2) Die Gebäude, der Ort haben gewechselt – aber die Institution blieb: die Dr. Senckenbergische Anatomie, in Betrieb seit 1772. Wir haben übrigens nichts – oder nur wenig – mit dem allbekannten "Senckenberg-Museum" zu tun, die sind viel jünger als wir.
(3) Thanatophilie – die intellektuelle, ästhetische Hingezogenheit zum Tode, nicht aber die sexuelle Hingezogenheit zum Toten: Das ist wieder die Nekrophilie.
(4) J. Chr. G. Lucae: Zur Anatomie der schönen weiblichen Form. Mit 6 Tafeln nach geometrischen Aufrissen von Hermann Juncker auf Stein ausgeführt. Frankfurt am Main, 1864
(5) Handkäse mit Musik: ein übel riechender Rohmilchkäse, durch Zugabe von Zwiebeln, Kümmel, Essig und Öl überaus wohlschmeckend gemacht. Dazu Butterbrot und Apfelwein
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