Freistetters Formelwelt: Sonnige Farbenverwirrung
Der Physiker Wilhelm Wien stammt trotz seines Namens nicht aus Österreich, sondern aus Ostpreußen. Im Jahr 1893 veröffentlichte er eine Arbeit, in der sich jene Beziehung findet, die wir heute das wiensche Verschiebungsgesetz nennen und meist mit dieser Formel darstellen:
Man sieht sofort, dass es sich um eine empirische Formel handelt: eine Formel, die aus experimentellen Messwerten abgeleitet worden ist. Deswegen findet man die sehr konkrete Zahl von 2897,8 µmK in der Formel. Das wiensche Verschiebungsgesetz kann aber auch theoretisch aus Max Plancks quantenmechanischer Beschreibung von Strahlung abgeleitet werden.
Die Formel von Wilhelm Wien beschreibt, bei welcher Wellenlänge ein so genannter schwarzer Körper das Maximum seiner Strahlungsintensität besitzt. Ein schwarzer Körper wiederum ist ein idealisiertes Objekt, das jede auftreffende Strahlung komplett absorbiert – und selbst Strahlung aussendet, die nicht von seiner Beschaffenheit, sondern lediglich von seiner Temperatur abhängt.
In der Realität existiert so ein schwarzer Körper nicht, da physikalische Körper immer einen Teil der auf sie treffenden Strahlung reflektieren. Es gibt jedoch Objekte, die in erster Näherung sehr gut durch einen schwarzen Strahler beschrieben werden können. Zum Beispiel Sterne: Die Intensität und die spektrale Verteilung ihrer Strahlung hängen zu einem großen Teil wirklich bloß von der Temperatur ab. Mit dem wienschen Verschiebungsgesetz können wir berechnen, wo das Maximum der Intensität liegt.
Grüne Sonne, (infra)rote Erde
Setzt man in die Formel die Oberflächentemperatur der Sonne (zirka 5800 K) ein, dann ergibt sich eine Wellenlänge von 500 Nanometern. Das entspricht sichtbarem Licht grüner Farbe: Die Sonne leuchtet also im grünen Licht am intensivsten. Dass sie uns trotzdem nicht grün erscheint, liegt daran, dass dort eben nur das Maximum der spektralen Verteilung liegt, unser Stern aber auch Strahlung aller anderen Wellenlängenbereiche abgibt. Alle Farben vermischen sich, und am Ende sehen wir weißes Licht.
Bei kühleren Sternen liegt das Maximum dagegen im roten Bereich des Lichtspektrums. Im grünen/blauen Bereich wird weniger Strahlung abgegeben; ebenso im langwelligeren Infrarotbereich. Der ist aber für unsere Augen nicht sichtbar. Der rote Teil des Lichts trägt demnach viel mehr zum gemischten Licht bei als die anderen sichtbaren Farben, weswegen wir den Stern gelb-rötlich wahrnehmen. Bei heißen Sternen ist es umgekehrt; dort liegt das Maximum im blauen Bereich, und wir können den noch kurzwelligeren Ultraviolettbereich nicht sehen, wodurch der Stern für uns weiß-bläulich leuchtet.
Das wiensche Verschiebungsgesetz erklärt nicht nur die Farben der Sterne. Auf der Erde muss man es ebenfalls berücksichtigen – etwa wenn man den Klimawandel verstehen will. Die maximale Intensität der Sonnenstrahlung, die bei uns auf der Erde ankommt, liegt im (grünen) sichtbaren Bereich des Spektrums. Die Erde wird davon erwärmt – natürlich nicht auf die gleiche Temperatur, die auf der Oberfläche der Sonne herrscht – und gibt einen Teil der absorbierten Strahlung wieder ab. Da sie jedoch viel kühler ist als die Sonne, tut sie das bei deutlich größeren Wellenlängen, nämlich im infraroten Bereich des Spektrums.
Die Erdatmosphäre ist durchlässig für sichtbares Licht; die langwelligere Wärmestrahlung kann unsere Lufthülle nicht so leicht durchdringen. Sie wird von Treibhausgasen wie Wasserdampf oder CO2 zurückgehalten. Das ist einerseits sehr gut, weil unser Planet dadurch überhaupt erst warm genug wird, um Leben zu ermöglichen. Die Atmosphäre unterscheidet aber nicht zwischen Mensch und Natur. Die von uns selbst produzierten Treibhausgase der letzten Jahrzehnte wärmen die Erde ebenso auf. Und dieser Klimawandel ist alles andere als gut für uns!
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