In Bestform: Warum haben Sportler ein größeres Herz?
Wer regelmäßig Sport treibt, kennt es vielleicht: Am Anfang musste das Herz noch heftig und schnell pumpen, doch mit der Zeit und mehr Training arbeitet es immer effizienter. Denn der Muskel wird größer. Warum ist das so? Wie weit kann sich das Herz vergrößern? Ist das gefährlich? Der Sportmediziner Jürgen Steinacker vom Universitätsklinikum Ulm klärt auf.
Spektrum.de: Herr Steinacker, warum wächst das Herz von Sportlern?
Jürgen Steinacker: Alle Lebewesen passen sich an Belastung an – das ist ein Naturgesetz. Das gilt auch für die einzelnen Organe: Im Gegensatz zu einem technischen Gerät, das von vornherein auf eine maximale Belastbarkeit ausgelegt ist, »denkt« das Herz nicht im Voraus, sondern es passt sich an die Belastung durch körperliches Training oder Arbeit an.
Können wir also theoretisch alle gleich gute Sportler werden?
Nein, weil unser genetisches Potenzial sehr unterschiedlich ist. Die Varianz liegt nicht primär in den Genen selbst. Der Mensch hat nicht viel mehr Gene als ein Regenwurm – aber er liest sie viel komplexer ab. Hinzu kommen Umwelteinflüsse und Erfahrungen, die sich in epigenetischen Veränderungen manifestieren. Diese können weitervererbt werden und wirken sich wahrscheinlich über Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte aus. Insgesamt lässt sich sagen: Sportliche Leistungsfähigkeit wird durch Genetik, Epigenetik und die jeweilige Anforderung bestimmt.
Wie groß kann das Herz denn werden?
Das kommt eben auf die jeweilige Anforderung an. Bei Radfahrern wurden in den 1960er Jahren schon Herzgrößen von 1400 bis zu 1500 Millilitern gemessen, das ist mehr als das doppelte Volumen einer untrainierten Person. Das sind sicherlich Extremwerte, bei denen das damalige hochintensive Intervalltraining, eventuell in Kombination mit Dopingmitteln, ein Rolle spielte.
Kann es auch wieder kleiner werden?
Die Herzgröße nimmt ab, wenn man nicht mehr trainiert. Eine gewisse Anpassung bleibt jedoch bestehen.
Verschnaufpause
Mit dem, wie wir üblicherweise ein Herz zeichnen, hat der Muskel in unserer Brust recht wenig gemein. Den Ursprung des Symbols sehen Fachleute in einem anatomischen Irrtum: Im 4. Jahrhundert v. Chr. beschrieb der griechische Gelehrte Aristoteles den Muskel angeblich als »eher rundlich und am Ende zugespitzt«. Weil man es nicht besser wusste – Leichen zu sezieren war lange Zeit ein Tabu –, setzte sich diese Vorstellung durch und hielt bis ins späte Mittelalter an. Übrigens: Die alten Ägypter hatten das schon besser drauf. Die Hieroglyphe für Herz sieht aus wie ein Gefäß mit drei Öffnungen – sie erinnern an Aorta, obere Hohlvene und Lungenarterie.
Kann das Herz auch zu groß sein?
Ja. Das Herzvolumen sollte in einem vernünftigen Verhältnis zur Leistung stehen. Um das festzustellen, messen Sportmediziner das Herzvolumen pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem normalen, untrainierten Menschen liegt dieser Wert unter zehn Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht. Wenn man sein Herz-Kreislauf-System trainiert, steigt er auf zehn bis zwölf. Hochleistungssportler haben über 12, manche sogar bis zu 18 Milliliter Herzvolumen pro Kilogramm Körpergewicht.
Wann wird das zum Problem?
In den allermeisten Fällen verläuft die Anpassung normal und gut. Das Herz wächst harmonisch, gleichzeitig werden seine Wände etwas dicker, um dem erhöhten Druck standzuhalten. Ein Ruderer pumpt mit seinem Herz pro Minute bis zu 35 Liter Blut durch den Körper. Dieser Volumenreiz kann auch ungesunde Anpassungen hervorrufen, zum Beispiel ein zu starkes Muskelwachstum und zu dicke Herzwände. Besonders kritisch wird es, wenn eine so genannte hypertrophe Kardiomyopathie vorliegt. Diese Erkrankung ist genetisch bedingt und kommt besonders bei Menschen in Westafrika vor. Leistungssportler mit dieser Krankheit erleiden viel häufiger einen Herztod.
Warum?
Um gut pumpen zu können, braucht es nicht nur möglichst viel Muskelkraft. Das Herz muss sich auch entspannen können, und die Wände müssen dehnbar sein. Sonst kann das Blut nicht hineinfließen. Sportherzen können das besonders gut. Bei Menschen mit einer hypertrophen Kardiomyopathie hingegen sind die Herzwände zu dick und zu steif. Es können Rhythmusstörungen auftreten, auch ein plötzlicher Tod ist möglich.
Wie lässt sich feststellen, ob man ein besonderes Risiko – sprich: zu dicke Herzwände – hat, also vielleicht besser keinen Leistungssport treiben sollte?
Der Blutdruck, in Ruhe und unter Belastung, liefert im Allgemeinen schon mal einen ganz guten Anhalt über den Zustand der Gefäße. Auch ein Elektrokardiogramm (EKG) kann Auskunft geben. Liegen in der Familie bekanntermaßen Herzkrankheiten vor oder hat man nie zuvor Sport getrieben, kann man einen Ultraschall des Herzens anfertigen, damit lassen sich die Herzwände sehr gut darstellen. Laut Statistiken haben etwa ein Prozent der Bevölkerung eine genetische Prädisposition. Aber auch für diese Menschen ist normaler Sport – oft kombiniert mit Medikamenten – sehr vorteilhaft.
Welchen Tipp geben Sie Menschen, die Herzprobleme haben, aber trotzdem Sport treiben wollen?
Zunächst muss man abklären, was für Beschwerden das sind. Viele Herzprobleme lassen sportliche Aktivität zu und die Menschen profitieren erheblich davon. Nach einer sportkardiologischen Untersuchung kann man anfangen – aber langsam. Wenn man vorher gar keinen Sport getrieben hat, geht das am besten mit Laufen und Gehen im Wechsel. Man fängt mit Gehen an, läuft dann ein Stück und so weiter. Puls- und Atemfrequenz sollten dabei aber nicht zu hoch gehen. Über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen steigert man dann den Laufanteil, bis man auf etwa fünf Kilometer kommt. Das kann jeder schaffen.
Auch wenn man schon einen Herzinfarkt hatte?
Ja, unbedingt. In Deutschland gibt es schon seit etwa 60 Jahren spezielle Herzsportgruppen. Die ersten Tage nach dem Infarkt sollte man natürlich keinen Sport treiben, dann aber möglichst schnell damit beginnen. Anfangs am besten unter Aufsicht, mit Überwachung von EKG und Herzfrequenz. Es ist von großem Vorteil, wenn man körperliche Aktivität in seinen Alltag integriert und zwei- bis dreimal die Woche trainiert. Außerdem ist bekannt, dass Menschen, die vorher Sport gemacht haben, einen Infarkt deutlich besser, sprich: häufiger überleben.
Von Sportler zu Sportler
»Ich war früher selbst Leistungssportler und habe viel trainiert. Als Arzt hatte ich dafür nicht mehr so viel Zeit, und auch mein jetziger Beruf findet überwiegend im Sitzen statt. Das Rudern ist für mich die ideale Ganzkörpersportart. Ich habe ein gutes Boot, mit dem ich abends auf die Donau gehe, wenn möglich zwei- bis dreimal pro Woche. Dabei kann ich mich einerseits anstrengen, andererseits aber auch entspannen. Die klare Luft, die Kühle des Wassers und die Wärme des Sommers – das ist einfach eine tolle Sache.«
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