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Springers Einwürfe: Krieg der Automaten

Über dem modernen Schlachtfeld kreisen Schwärme unbemannter Flugkörper. Dürfen sie demnächst selbstständig über Leben und Tod entscheiden?
Zukunftsszenario: Ein Schwarm Drohnen attackiert

Der Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 fing an wie eine historische Episode aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Bombardement der ukrainischen Militärflughäfen sollte dem Angreifer die absolute Lufthoheit verschaffen, damit seine Panzerverbände ungehindert vordringen konnten. Die fühlten sich so sicher, dass sie im Gänsemarsch auf den ukrainischen Straßen ins Land fuhren. Doch dann traf die Geschichtsstunde auf das Computerzeitalter: Mit ein paar Drohnen verwandelten die Verteidiger den Vormarsch in einen gigantischen Stau.

Seither sind die Kampfhandlungen zu einem Zermürbungskrieg geronnen, der die Fronten träge hin und her verschiebt. Wie konnte es zu dem militärischen Patt zwischen David und Goliath kommen?

In modernen Konflikten geben oft die »Waffen des kleinen Mannes« den Ausschlag. Im Ukraine-Krieg sind das ferngesteuerte Flugkörper. Inzwischen setzen beide Seiten in großem Stil Drohnen ein. Damit bietet die Ukraine ein Experimentierfeld für unbemannte Waffenträger.

So ein Gerät muss nicht viel kosten. Ukrainer bestücken manchmal handelsübliche Multikopter mit Handgranaten, um diese über russischen Schützengräben abzuwerfen. Russland setzt iranische Kamikaze-Drohnen ein, die über feindlichem Gebiet in Wartestellung kreisen, bis sie sich auf ein Funk­signal hin ins Ziel stürzen. Solche Wegwerfwaffen sind billiger als die – dafür wiederverwendbaren – Drohnen aus der Türkei, die auf ukrainischer Seite zum Einsatz kommen.

Das Wettrüsten mit ferngesteuerten Minibombern schafft geradezu automatisch den Anreiz, sie mit künstlicher Intelligenz auszustatten. Eine herkömmliche, sozusagen dumme Drohne verhält sich im Einsatz auf dem Schlachtfeld schwerfällig und ist verwundbar. Da sie immerfort auf die Lenksignale eines weit entfernt sitzenden Piloten angewiesen bleibt, kann der Feind die Verbindung mit Störsendern lahmlegen – die Drohne geht verloren. Falls sie unterwegs unter den Beschuss gegnerischer Flugabwehr gerät, vermag sie nur so schnell zu reagieren wie der sie steuernde Mensch. Und dieser muss, wenn sie sich endlich dem Ziel­gebiet nähert, an seinem verpixelten Bildschirm sekundenschnell entscheiden, ob er das Objekt im Fadenkreuz zerstören soll oder nicht. Hat er gegnerische Streitkräfte vor sich oder eigene? Ist eine Gruppe von Zivilpersonen unterwegs?

Rein militärtechnisch betrachtet spricht alles dafür, Drohnen mit einem Maximum an autonomer Intelligenz auszustatten. Die Sache hat nur einen gewaltigen Haken: Damit wird das extremste moralische Dilemma, die Entscheidung über Leben und Tod anderer Menschen, komplett an Maschinen delegiert. Darauf weist der Computerwissenschaftler Stuart Russell von der University of California in Berkeley mit Nachdruck hin.

Seit 2014 wird im Rahmen der Genfer Konven­tion über bestimmte konventionelle Waffen (Convention on Certain Conventional Weapons, CCW) über eine Beschränkung tödlicher autonomer Waffen verhandelt, allerdings bisher ohne Ergebnis. Große Militärmächte wie die USA und Russland argumentieren technisch: Die Automatisierung würde die Zielerkennung verbessern und somit Kollateralschäden mindern.

Die Verhandlungspartner können sich nicht einmal darauf einigen, was sie unter Autonomie verstehen wollen. Stuart Russell nennt es absurd, dass die deutsche Seite erklärt, eine Waffe sei erst autonom, wenn sie die Fähigkeit besitze, »zu lernen und Selbstbewusstsein zu entwickeln«. Damit wird die philosophische Streitfrage, ob eine Maschine so etwas wie Bewusstsein haben kann, vorgeschoben, um die Rüstungsbeschränkung bereits existierender autonomer und lernfähiger Waffensysteme auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.

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