Springers Einwürfe: Schwierige Wahrheiten
In der Fachliteratur besteht einhellige Übereinstimmung: Der aktuelle Klimawandel ist die Folge menschlicher Einflussnahme. Diese Botschaft ist in mehr als 97 Prozent der einschlägigen Artikel enthalten, die ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben. Doch der wissenschaftliche Konsens spiegelt sich nicht automatisch in den Überzeugungen der Menschen wider.
Aus Erhebungen in einigen Industrieländern ist bekannt, dass nicht einmal drei Viertel der Befragten den anthropogenen Klimawandel für real halten. Und wie sieht es sonst in der Welt aus?
Ein internationales Team um die Psychologinnen Bojana Većkalov von der Universität Amsterdam und Sandra Geiger von der Universität Wien hat per Internet gut 10 000 Menschen aus 27 Ländern in sechs Kontinenten befragt: Für wie hoch halten Sie die Übereinstimmung der Forscher beim Thema Erderwärmung?
Alle Antworten unterschätzten den – tatsächlich ja fast 100-prozentigen – Konsens mehr oder weniger stark, und zwar je nach Nationalität der Befragten um knapp acht Prozent (Deutschland) oder um bis zu 20 Prozent (China). Dabei sind die Werte vermutlich sogar geschönt, denn in der Studie waren urbane Internetnutzer mit höherer Bildung überrepräsentiert.
Der auffällige Ausreißer China wird in der Studie nicht weiter kommentiert. Wieso halten relativ viele Menschen dort den Klimawandel für strittig, während zugleich die heimische Industriepolitik den Binnen- wie den Weltmarkt mit klimafreundlichen Produkten geradezu überschwemmt? Vielleicht, weil China seine Umweltpolitik planwirtschaftlich verordnet, statt auf Meinungsbildung und Marktmechanismen zu vertrauen?
Das Team um Većkalov und Geiger konfrontierte die Teilnehmenden anschließend mit dem tatsächlichen Unisono der Klimaforschung und erhob, wie sehr dies die Einstellung zur globalen Erwärmung beeinflusste. Tatsächlich veränderte sich die Haltung der Befragten dadurch merklich, und zwar umso mehr, je uninformierter sie zuvor gewesen waren. Eine zweite Runde, in der die Tests speziell auf die krisenhaften Folgen der Klimaänderungen hinwiesen, bewirkte hingegen kaum mehr etwas.
Es lohnt sich, bloß auf den Konsens in der Forschung zu verweisen, damit die Akzeptanz zunimmt
Demnach lohnt es sich, bloß auf den Konsens in der Forschung zu verweisen, damit die Akzeptanz des Klimawandels zunimmt, wenn auch nur moderat. Da stellt sich die Frage: Warum gibt es überhaupt andauernde Diskrepanzen zwischen einhelliger Wissenschaft und unzureichend informierten Menschengruppen?
Die Frage beschäftigt den australischen Psychologen Stephan Lewandowsky schon seit Langem. Er unterscheidet zwischen unabsichtlicher Fehlinformation und gezielter Desinformation.
Was ist der Unterschied? Es mag sein, dass sich die Unbestreitbarkeit des Klimawandels nicht bis in das letzte chinesische Dorf herumgesprochen hat; dann liegt Fehlinformation vor. Doch Zweifel an der Realität der Erderwärmung sind hier und da bewusst geschürt worden. Solche Desinformation praktizierte zum Beispiel der Erdölkonzern ExxonMobil, als er öffentlich den Klimawandel bestritt, obwohl seine eigenen Experten seit den 1970er Jahren interne Studien erarbeitet hatten, deren Befunde sich bis ins Detail mit den Szenarien der Klimaforscher deckten.
Wie Lewandowsky einräumt, ist ein komplexes Phänomen wie das Wetter mit einer gewissen Mehrdeutigkeit behaftet. Die Ambiguität macht das Modellieren des Erdklimas knifflig. Das schafft Spielraum für Fehldeutungen, für Skepsis – und für bewusste Desinformation.
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