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Springers Einwürfe: Was der Klimawandel wirklich kostet

Die wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung lassen sich immer besser prognostizieren. Sie stellen den Aufwand sämtlicher Umweltschutzmaßnahmen weit in den Schatten.
Hände von Kindern, die eine Weltkugel tragen
Klimaschutz lässt sich leichter tragen als Klimafolgen.
Ist die Energiewende sauber durchgerechnet? Kann die Forschung wirklich die Zukunft voraussagen? Und widerspricht die Quantenphysik sich selbst? In seinen Kommentaren geht der Physiker und Schriftsteller Michael Springer diesen und anderen Fragen am Rande des aktuellen Wissenschaftsgeschehens nach. Seit 2005 erscheint seine Kolumne »Springers Einwürfe«.

Aktuellen Umfragen zufolge haben die meisten Menschen im Moment andere Sorgen als den Umweltschutz. Angesichts steigender Preise und politischen Unfriedens gerät ein Dauerthema wie der Klimawandel ins Hintertreffen.

Doch die Zukunft kommt bestimmt, und sie zu ignorieren rächt sich. Was man jetzt an ökologischen Investitionen einspart, das wird später um ein Vielfaches teurer.

Ein Team um die Ökomathematikerin Leonie Wenz vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat im April 2024 detailliert ausgerechnet, was der Klimawandel für die Weltwirtschaft in den kommenden 26 Jahren bedeutet: Gegen die horrende Schadensumme fällt der Aufwand für Umweltschutz kaum ins Gewicht.

Die PIK-Gruppe stützt sich auf tägliche Temperatur- und Niederschlagsdaten aus den vergangenen 40 Jahren, die aus mehr als 1600 subnationalen Regionen in aller Welt stammen, und vergleicht die Wetterstatistiken mit entsprechenden Wirtschaftsinformationen. Aus den bisherigen Trends dieser Kenngrößen lässt sich ein Modell der künftigen Entwicklung extrapolieren.

Demnach wird die Weltwirtschaft bis 2050 durch anthropogene Klimaereignisse einen Einkommensverlust von 19 Prozent erleiden. Das bedeutet 38 Billionen Dollar weniger pro Jahr gegenüber einem rechnerischen Modellzustand ohne Klimawandel. Zusätzliche Schäden durch Stürme oder Waldbrände sind dabei noch nicht einmal eingerechnet.

Die unvorstellbaren Zahlen gewinnen an Profil, wenn man sie mit den im selben Zeitraum für Umweltschutz anfallenden Kosten vergleicht. Die spielen nämlich dagegen kaum eine Rolle: Der Aufwand, um das Ziel von zwei Grad Erwärmung einzuhalten, beträgt im Modellzeitraum nur ein Sechstel der wirtschaftlichen Einbußen durch Umweltschäden. Wenn es hingegen nicht gelingt, den CO2-Ausstoß und die Erderwärmung dauerhaft zu bremsen, dann explodieren die Kosten des Klimawandels bis Ende des Jahrhunderts auf 60 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

Betroffen sind alle, aber unterschiedlich schwer

Ein Vorzug der PIK-Studie ist die feine geografische Auflösung. Daraus geht hervor, dass der höhere Norden mit Kanada und Skandinavien vergleichsweise gut wegkommt, während wohlhabende Regionen der gemäßigten Zone wie Europa und Nordamerika schwere Verluste erleiden. Am stärksten trifft es wirtschaftlich schwächere Gebiete wie Südamerika, Südasien und Afrika.

Die Schätzungen des PIK-Teams sind sehr behutsam. Die Rechnung berücksichtigt nur die Auswirkungen von Temperatur und Niederschlag. In Wirklichkeit kämen biologische, ökologische, medizinische Schäden hinzu, die nicht leicht zu quantifizieren sind.

Dennoch versucht die Umweltökonomie, ganzen Ökosystemen einen wirtschaftlichen Wert zuzumessen. Das ist zwar methodisch heikel, aber unbedingt nötig, damit natürliche Ressourcen nicht als vermeintlich unerschöpfliche oder zu Schleuderpreisen ausbeutbare Quellen aus dem Kalkül fallen.

In diesem Zusammenhang hat ein internationales Team um den Umweltökonomen Moritz Alexander Trupp von der Universität Hamburg im März 2024 auf einen wichtigen Trend hingewiesen: Die Natur wird nicht billiger. Der Wert von Ökosystemen steigt mit der Zeit. Dabei wirken zwei Gründe zusammen. Mit wachsendem Wohlstand wächst auch die Bereitschaft der Menschen, für eine begehrtes Gut mehr auszugeben – sei es für die Reise ans Meer oder den Eintritt in den Zoo. Zugleich werden die von der Umwelt bereitgestellten Güter und Dienstleistungen schon allein durch die wachsende Nachfrage immer knapper, und das treibt ihren Preis.

Insgesamt gilt also: Die Natur wird umso kostspieliger, je mehr Zeit man sich damit lässt, sie zu schützen.

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  • Quellen

Drupp, M. A. et al.: Accounting for the increasing benefits from scarce ecosystems. Science 383, 2024

Kotz, M. et al.: The economic commitment of climate change. Nature 628, 2024

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