Star-Bugs - die kleine-Tiere-Kolumne: Das Liebesleben der emsigen Mauerbienen
Der Frühling 2024 hat gerade erst so richtig losgelegt, doch dieses Mauerbienenmännchen im Botanischen Garten in Bonn muss schon einiges erlebt haben. Vom rostroten Pelz auf seinem Hinterleib sind nur noch ein paar Strähnen übrig. Aber sie genügen, um das Insekt von verwandten Arten zu unterscheiden: Es gibt keine andere Wildbiene, die diese Farbe aufweist und zugleich fast so groß ist wie eine Honigbiene (Apis mellifera). Die langen Antennen und der weiße »Schnauzer« zwischen den Augen zeigen ganz klar: Hier ist ein männliches Exemplar der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) unterwegs, ein Drohn, um für Nachwuchs zu sorgen.
Die Sonne an diesem warmen Tag im März heizt das etwa zwei Meter hohe Insektenhotel im Botanischen Garten auf, das eigentlich Insekteninternat heißen müsste. Schließlich wächst hier der Nachwuchs von Wildbienen heran. Der Mauerbienenveteran patrouilliert deshalb aufmerksam vor den vielfältigen Brutgelegenheiten: Es wartet vor den Löchern in Ziegeln und Holzscheiten, Bambusstangen sowie den Pappröhrchen und Pflanzenhalmen verschiedenster Größe auf die Weibchen.
All diese Röhren gefallen der Gehörnten Mauerbiene, solange sie einen Durchmesser zwischen sieben und neun Millimeter haben. Rund 570 Wildbienenarten kommen in Deutschland vor; doch gerade einmal sieben Prozent nutzen klassische Insektenhotels zur Fortpflanzung. Und dann auch längst nicht jedes: Denn jede Art hat ihre eigenen Vorlieben, was Material und Größe der Brutröhren angeht. Die Gehörnte Mauerbiene gehört zu den Generalisten; sie legt ihre Eier bei Bedarf ebenso in Mauerritzen oder hinter lockerem Putz ab. In der Natur nutzt sie gern verlassene Brutzellen der Frühlings-Pelzbiene (Anthrophora plumipes) in steilen Erd-, Lehm- oder Sandwänden, die reichlich Sonne abbekommen und deren Röhren mit einem wachsartigen Sekret der Pelzbienen ausgekleidet wurden. Der Wildbienenexperte Paul Westrich vermutet, dass diese »Wohnungen aus zweiter Hand« die ursprünglichen Nistplätze der Gehörnten Mauerbiene sind.
Für sie geeignete Löcher gibt es aber auch hier im Insekteninternat genug und darum wartet das strähnige Männchen ausdauernd darauf, dass endlich ein Weibchen auftaucht. Es wird sich allerdings gedulden müssen, denn die Männchen schlüpfen schon vier bis zwölf Tage vor den ersten Weibchen. Kaum krabbelt es aus der Brutröhre, packt und umklammert das Männchen die Partnerin von hinten. Bis zur eigentlichen Begattung kann es allerdings ein bisschen dauern. Wenn es überhaupt dazu kommt: Denn in der Zwischenzeit schwirren oft andere Männchen heran und versuchen mit Karambolagen, den Nebenbuhler zu verscheuchen.
Die Gehörnte Mauerbiene erinnert in ihrer Gestalt an eine Hummel. Die Weibchen tragen oberhalb des Munds zwei schwarze namensgebende Hörnchen und sind bis zur Taille tiefschwarz bepelzt, ihr Hinterleib ist dunkelfuchsrot wie bei den Männchen. Nicht einmal mit ihrer dem Namen nach nächsten Verwandten kann man sie verwechseln: Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist um einiges kleiner, der Hinterleib etwas heller, vor allem aber sind die Haare auf Kopf und Brustsegment blond.
Osmia cornuta hat es gern mild. Darum kommt sie eher im Süden bis in die Mitte Deutschlands vor und bleibt unterhalb von 500 Meter Höhe. In den Regionen, in denen sie heimisch sind, verlassen die Weibchen einen Umkreis von 100 bis 200 Meter um ihr Nest nicht. Forscher haben festgestellt, dass sie aber selbst aus knapp zwei Kilometer Entfernung noch zuverlässig zu ihren Brutplätzen zurückfinden würden.
Unterwegs sammeln sie Nektar in ihrer so genannten Honigblase und Pollen mit ihrer Haarbürste am Bauch. Andere Wildbienen sind auf wenige Blütenpflanzen spezialisiert und angewiesen, aber die Gehörnte Mauerbiene ist weniger wählerisch: Sie bedient sich an mehr als 30 Frühblühern. Besonders gern fliegt sie auf Kirsch-, Aprikosen- und Mandelblüten, was diese Wildbienen zu begehrten Bestäubern in Obstplantagen macht. Und weil sie so zuverlässig in Röhrchen brüten, bieten Züchter diese Nisthilfen mit schlupfbereiten Mauerbienen zum Kauf und Einsatz sowohl im Freiland als auch in Gewächshäusern an.
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In sozialen Medien werben manche Anbieter sogar um private Bienenfreunde, was Naturschützer ausgesprochen kritisch sehen. Denn die Zuchtbienen – auch manche Hummelarten sind im Angebot – bleiben natürlich nicht in Gärten, Gewächshäusern und Obstplantagen. Und sie sind sich genetisch ziemlich ähnlich.
Einmal freigesetzt, können sie lokale Varianten verdrängen, machen aber vor allem anderen Wildbienenarten Konkurrenz bei der Suche nach Nahrung, Nistplätzen und Baumaterial. Der Naturschutzbund NABU rät folglich vom Kauf dieser Tiere ab.
Hat sich ein Weibchen genug Nahrung aufgeladen, sucht es eine Nisthöhle, kriecht vorwärts hinein und spuckt den Nektar aus. Dann krabbelt es wieder heraus, dreht sich um und kehrt rückwärts in das Loch zurück, um den Pollen aus ihren Haaren zu kämmen. Ist der Vorrat groß genug, legt die Biene ein Ei darauf. Dann fliegt sie los, um feuchte Erde oder Lehm einzusammeln. Häufig bedient sie sich dafür am Rand von Gewässern, ist die oberste Bodenschicht dort eingetrocknet, suchen die Weibchen nach Rissen im Boden und graben sich dort bis zu mehreren Zentimetern tief ein, um an ausreichend feuchte Erde zu gelangen. Diese versetzen sie mit Speichel und ziehen mit dem Mörtel eine Zwischenwand in ihrem Brutstollen ein. Dann beginnt die Arbeit an der nächsten Zelle. In die hinteren Zellen legt die Mauerbiene weibliche Eier. Vorne, an den Höhleneingang, platziert sie Eier mit Männchen. Damit ihre Söhne wieder als erste schlüpfen und die Weibchen erwarten können.
Die letzte Kammer ihres Nests lässt die Biene leer und verschließt sie mit einem besonders dicken Pfropf. Das dient als Schutz gegen diejenigen, für die so ein voll belegtes Bieneninternat ein gedeckter Tisch ist: Wespen, Fliegen und Käfer. Aber auch Schimmelpilze und verschiedene Krankheitserreger finden hier wehrlose Opfer.
Wenn sie in größeren Hohlräumen brüten, formen die Mauerbienen Häufchen aus mehreren Brutzellen. Dann spielt das Bauprinzip »Töchter hinten, Sohn vorne« keine Rolle mehr. Gleich bleibt aber, dass die Mauerbienen in die Zellen für die Söhne nur etwa halb so viel Pollen packen wie in die der Töchter – vielleicht, weil die Männchen schon bald nach der Paarung sterben.
Die weiblichen Bienen verschwinden dagegen erst Mitte Mai wieder aus der Natur. Dann fressen sich die Larven bereits durch den Vorrat in ihren Brutzellen und verpuppen sich. Schon vor September sind sie ausgewachsen, verharren aber in ihren Kokons. Erst wenn im darauf folgenden Jahr die Blausterne ihre Blüten zeigen, schlüpfen sie aus der schützenden Puppenhülle, verlassen ihre Brutröhre und läuten ihren Frühling ein.
Anm. d. Red.: Die Mauerbienen schlüpfen nicht schon im Herbst aus den Kokons, sondern bleiben in diesen bis zum Frühling. Wir haben den Fehler korrigiert.
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