Star-Bugs – die kleine-Tiere-Kolumne: Ein Falter für Anfänger
Wenn sich im Frühjahr die blassvioletten Blüten des Wiesenschaumkrauts (Cardamine pratensis) öffnen, sind Aurorafalter(Anthocharis cardamines) häufig nicht weit. Diese Schmetterlinge können ein bisschen Kühle aushalten, sind sie doch mit die ersten, die im Frühling herumflattern. Auch die Raupen lieben Wiesenschaumkraut, ebenso allerdings Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Hirtentäschel (Capsella) und viele andere Kreuzblütler. Mit ein bisschen Geduld lassen sich Nachwuchs und erwachsene Tiere als frühe Falter im Frühling gut beobachten.
Die Suche lohnt sich von Anfang April bis Ende Juni besonders, denn dann ist die Hauptzeit der Aurorafalter. Jetzt können Insektenfans die Falter in allen vier Stadien ihrer Entwicklung studieren – vom Ei über die Raupe und die Puppe (die sind im Mai jedoch seltener) bis zum ausgewachsenen oder adulten Falter, wie es im Fachjargon heißt. »Man kann im Frühjahr in vielen Lebensräumen Eier finden«, sagt der Schmetterlingsexperte Toni Kasiske vom Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig, »deswegen ist die Suche jetzt sehr einfach für den Anfänger.«
Die männlichen Falter sind leicht zu erkennen. Ihre Flügel sind weiß, das vordere Paar hat einen großen orangefarbenen Fleck, oben mit einem schwarzen Punkt und einer grau-braun-schwarzen Spitze. Die Weibchen sind schwerer von anderen Weißlingsarten zu unterscheiden, weil ihnen das Orange fehlt. Die Unterseite der Flügel ist bei beiden Geschlechtern weiß mit einem Netz aus grünem Flecktarn und feinen gelben Sprenkeln. Wer das Glück hat, einen der quirligen Aurorafalter etwas länger betrachten zu können – zum Beispiel früh am Morgen, wenn die Insekten noch starr sind, weil sie sich erst aufwärmen müssen –, sieht, dass die großen Augen dieselbe Farbkombination tragen.
In Mitteleuropa weit verbreitet
Aurorafalter gibt es fast überall in Deutschland. Der »Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands« verzeichnet zwar weiße Flecken, aber die führen die Autoren darauf zurück, dass dort noch niemand richtig hingeschaut hat – etwa weil das Tagfaltermonitoring Lücken hat. Ende Juni verschwinden die ausgewachsenen Aurorafalter; nur in höheren Lagen, etwa in den Alpen, sind sie noch länger zu sehen.
Dann haben die Aurorafalterweibchen längst einzelne weiße Eier gelegt, etwa in der Nähe der Knospen und Blüten der Knoblauchsrauke. Die Form der spitzen frühlingsgrünen Blätter erinnert ein bisschen an Brennnesseln. Die weißen Blüten stehen an den Spitzen in einer Traube eng beieinander. Jede hat vier kleine weiße Blätter, die sie so ausstreckt, dass sie von oben wie ein Kreuz aussehen. Die Knoblauchsrauke ist also wirklich leicht zu finden, sie mag es feucht und nicht zu sonnig, wächst an Wegrändern, in Gärten, schattigen Parks, lichten Wäldern oder auf Schuttplätzen, gesellt sich zu Hecken und Gebüschen.
Damit ihre Raupen die Pflanze möglichst lange für sich haben, geben die Aurorafalterweibchen beim Eierlegen einen Duftstoff ab, der Artgenossinnen fernhält, schreibt der britische Wissenschaftler J. P. Dempster. Trotzdem finden sich immer wieder mehrere Eier auf einer Pflanze, denn der Regen wäscht die Pheromone ab. Nach einer Weile färben sich die länglichen Eiertönnchen orange und sind deshalb gar nicht so schwer zu entdecken. Wer das oberste Stück einer Knoblauchsrauke vorsichtig etwas zur Seite biegt, kann sie an die Unterseite der Blätter entdecken.
Die schlanken, lang gezogenen Raupen sind viel besser getarnt: oben blaugrün, am Bauch dunkelgrün, ihre Flanken weißlich-grün. Sie fressen sich an den Blüten und Früchten der Wirtspflanzen satt. Oft hängen sie an der Unterseite eines Blattstiels und machen sich fast unsichtbar.
Ab Anfang Juni bauen sich die Raupen in ihre Puppenhülle ein. Die kleben sie direkt an den Stängel. Der Kokon hat eine breite Basis und läuft spitz zu. Damit sieht er aus wie ein kleiner Trieb der Pflanze. Diese Art der Schmetterlingspuppen heißt Gürtelpuppe, weil die Raupen etwa in der Mitte einen dünnen Faden um die Puppe herumspinnen und sie so zusätzlich am Stängel befestigen. Auch die Puppe verändert ihre Farbe mit der Zeit, erst ist sie grün, später braun. Dadurch passt sie sich an ihre Umgebung an. Die Puppe muss gut getarnt sein, denn die Falter verbringen den größten Teil des Jahres darin und überwintern in diesem Stadium – übrigens mit dem Kopf nach oben.
Stängel stehen lassen
Sie können nur überleben, wenn die Stängel stehen bleiben. Viele Menschen denken, wenn es genug Nahrung gibt, geht es den Insekten gut. Doch die Tiere brauchen auch Plätze, wohin sie sich zurückziehen können. Und das können eben solche Stängel sein, die manche Menschen nicht gerade ästhetisch finden und darum wegräumen oder abmähen. Der Aurorafalter kann das verschmerzen, da auf seinem Speiseplan viele verschiedene Pflanzenarten stehen. Andere Insekten können nicht so leicht ausweichen. Darum ist es wichtig, ein bisschen »Unordnung« auszuhalten: im Garten, in Parks oder in der Landschaft.
Im Prinzip sind die Puppen den ganzen Winter über zu entdecken, wenn man die blassen Stängel der Wirtspflanze erkennt. Die der Knoblauchsrauke zum Beispiel sind nicht vollkommen rund, sondern im Querschnitt ein bisschen quadratisch. »Aber die Puppen sind sehr gut getarnt«, sagt Toni Kasiske.
Wer sie unbedingt finden will, sollte sich im Dunkeln auf die Suche machen – und eine UV-Taschenlampe mitnehmen. Denn: »Man kann mit UV-Licht Raupen und Puppen von vielen Schmetterlingen sehr gut finden, weil diese fluoreszieren«, erklärt Kasiske. Dann leuchten sie als bläuliche Punkte in der Finsternis. Die Puppen aufzuspüren, kann sich lohnen: Im Frühjahr wird die Hülle der Puppen langsam durchsichtig. »Dann schimmern die orangefarbenen Spitzen der männlichen Falter durch«, so der Ökologe. »Und das sieht richtig schön aus.«
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