Storks Spezialfutter: Die Ökodiktatur wird nicht kommen
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.
Kleine Quizfrage zum Einstieg: Wenn man die Wahl hat zwischen Freiheit und Diktatur, wofür soll man sich da entscheiden? Für die Freiheit, logisch! Die ist ja sogar im Grundgesetz verankert, wo uns ein Leben ohne Gewalt- und Willkürherrschaft, in Würde und Selbstbestimmung garantiert wird. Diktatur dagegen, das sind Putin und Nordkorea. Und so leben wie dort möchte wahrscheinlich keiner. (Obwohl es anscheinend eine große Schnittmenge gibt von Menschen, die die laut Freiheit schreien, und jenen, die Sympathien und Verständnis für Putin haben.)
In Berlin ist vor Kurzem eine sehr zähe Verhandlungsrunde zu Ende gegangen, die erst einmal nichts mit Diktatur, aber viel mit den Mühen der Demokratie zu tun hat: Die Koalition hat sich abschließend auf die Details des so genannten Heizungsgesetzes verständigt. Für große Aufruhr sorgte der Umstand, dass aus Klimaschutzgründen der Neueinbau von Gas- und Ölheizungen in Zukunft verboten werden soll. Um die Volksseele zu beruhigen, wurden noch zusätzliche Freiheiten, Übergangszeiten und Ausnahmeregelungen in den Text hineinverhandelt. Mit den Freiheiten sind auch ein paar Risiken verbunden. Unter anderem ist fraglich, ob viele Gasheizungen künftig wirklich günstig mit Wasserstoff betrieben werden können. Dass das Gesetz dazu beiträgt, die Energiewende auch innerhalb des notwendigen Zeitrahmens zu vollziehen, ist wegen der Änderungen noch einmal wesentlich unwahrscheinlicher geworden.
Die emotionale Auseinandersetzung rund um das Gesetz macht zweierlei deutlich: Zum einen sollte man, wenn man der Bevölkerung ein Gesetz verkaufen will, sich darüber nicht schon in der Koalition zerstreiten. Die Außendarstellung der Regierung in dieser Sache war/ist jedenfalls verheerend. Wenn man der Bevölkerung Verbote abverlangt, kann man nicht einfach an Logik und Vernunft appellieren, sondern muss dafür so geduldig und behutsam werben wie möglich. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat immerhin suboptimales Timing eingeräumt und dass er die Stimmung in der Bevölkerung (und in der Koalition) falsch eingeschätzt hat, trotzdem aber den Gesetzentwurf vorangetrieben hat.
Zum anderen ist die Bevölkerung offenbar schnell überfordert, wenn sie sich mit mehr als ein oder zwei Problemen gleichzeitig beschäftigen soll. In einer Umfrage der EU zu den wichtigsten Problemen in Deutschland gab für den Winter 2022/2023 eine knappe Mehrheit (55 Prozent) Inflation und hohe Lebenshaltungskosten als drängendstes Problem an. Der Klimawandel landete mit 21 Prozent nur auf Platz drei hinter der Energieversorgung (29 Prozent). Klimawandel? Heizungsgesetz? Man hört fast die Stoßseufzer: Das jetzt nicht auch noch!
Aber nur weil die Inflation galoppiert und ein autoritärer Führer sein Nachbarland überfällt, macht der Klimawandel keine Pause. Und die Selbstverpflichtung Deutschlands, seinen CO2-Ausstoß deutlich zu verringern, bleibt auch bestehen. Im Klimaschutzgesetz wurde festgelegt, dass der CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 65 und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 verringert werden soll. Die Ziele werden aktuell deutlich verfehlt. Nach dem noch aktuellen Projektionsbericht des Umweltbundesamts von 2021 wird nur eine Verringerung der Emissionen um 49 beziehungsweise 67 Prozent erreicht.
Ein Kulturkampf um kleine, echte Einschränkungen
Man könnte auch zu dem Schluss kommen, dass die Bereitschaft, sich gegen den Klimawandel zu stemmen, rapide abnimmt, sobald es konkret wird. Dass der Widerstand gegen eine ambitionierte Klimapolitik gerade jetzt immer stärker wird, weil sie erstmals mit kleinen, echten Einschränkungen verbunden sind. Die Kritik an der Klimapolitik speziell der Grünen schwappt dabei immer wieder ins Populistische: Markus Söder sieht in der Koalition den »Wunsch nach einer Umerziehung der deutschen Bevölkerung« und in ihrer Politik immer »Zwang statt Freiheit«. CDU-Chef Friedrich Merz erklärt die Grünen zum »Hauptgegner« der Union in einem Kulturkampf, attestiert ihnen eine »penetrant vorgetragene Volkserziehungsattitüde«, macht sie für die Polarisierung der Energie- und Umweltpolitik verantwortlich und deshalb auch für den Höhenflug der AfD. Zwang (statt Freiheit), Umerziehung, Volkserziehung – es ist kein Zufall, dass die Begriffe Assoziationen zu autoritären Herrschaftspraktiken wecken. Im Lager der AfD ist man schon einen Schritt weiter und spricht regelmäßig von der Klima- oder Ökodiktatur.
Dabei zeigt sich doch gerade in der Auseinandersetzung um das Heizungsgesetz der demokratische Wettstreit um die Gunst der Wählerinnen und Wähler: Aktuell wird die Koalition für ihre schlechte Performance bestraft. Und speziell die Grünen finden derzeit für ihren ambitionierten Ansatz in der Klimapolitik keine Mehrheit. Das nennt man Demokratie.
Ein paar dramatische Waldbrände und Hitzewellen später wird sich der Wind vielleicht wieder drehen, vielleicht auch nicht. Befürworter einer ambitionierten Klimapolitik müssen vermutlich erst noch aushalten lernen, dass ihre Bemühungen an einer ablehnenden Haltung der Mehrheit scheitern können. Das gefährdet den Klimaschutz, die Demokratie gefährdet es aber nicht. Das besorgen eher diejenigen, die leichtsinnig oder absichtsvoll von Klimadiktatur reden und so die Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung untergraben.
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