Angemerkt!: Torpedierte Glaubwürdigkeit
Die Klimaforschung und mehr noch der Klimaschutz haben momentan einen schweren Stand – nicht nur wegen der gescheiterten Verhandlungen auf dem Kopenhagener Gipfel. Nachdem im letzten Herbst Hacker in die Computer der Climatic Research Unit der University of East Anglia eingedrungen sind und E-Mails mit teils kompromittierendem Inhalt veröffentlich haben, erschüttern nun hanebüchene Fehler im letzten IPCC-Bericht – der den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Klimawandel zusammenfassen soll – die Glaubwürdigkeit der Forschergemeinde und vor allem des Weltklimarats der Vereinten Nationen.
Bereits letzte Woche musste das IPCC einräumen, dass der im Sachstandsreport von 2007 gemeldete Gletscherverlust im Himalaja bis 2035 nicht haltbar sei. Diese Jahreszahl stammte aus einer Veröffentlichung des World Wildlife Fund, die wiederum auf einer Meldung aus dem internationalen Wissenschaftsmagazin "New Scientist" vom Jahr 1999 basierte. Ungeprüft wurde diese Angabe in den IPCC-Bericht aufgenommen, obwohl sie vollkommen falsch ist, denn sie beruht auf einem Zahlendreher: Der russische Glaziologe Wladimir Kotljakow, der die Entwicklung der Eiszungen im höchsten Gebirge der Welt in Augenschein genommen hatte, prognostizierte ihr Abschmelzen ursprünglich bis zum Jahr 2350! Eine drastische Abweichung, die es durch alle vermeintlichen Kontrollinstanzen bis in die Endversion schaffte. Ausgeblendet wurden dabei offensichtlich auch Forschungsergebnisse, die bei vielen Gletschern Stagnation und bei manchen sogar ein Wachstum zeigen: Im Karakorum etwa zogen sich zwar 22 Gletscher zurück, 18 weitere aber stießen vor.
Ungeprüfte Quellen
Ebenfalls als Quelle in den Bericht gelangte auch das Buch "Wetterkatastrophen und Klimawandel", das 2005 im Auftrag der Versicherung Münchner Rück verfasst worden war: Es sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und zunehmenden wetterbedingten Naturkatastrophen. Zum gleichen Ergebnis kam zu diesem Zeitpunkt angeblich auch eine wissenschaftliche Studie, die ebenfalls häufigere Wirbelstürme, Überflutungen und Dürren prognostizierte. Das IPCC veranlasste dies zur Aussage, dass Schäden durch Extremwetter rapide zunähmen, würde die Erderwärmung ungebremst voranschreiten.
Nun hat allerdings die "Sunday Times" herausgefunden, dass diese Untersuchung damals noch gar nicht begutachtet und publiziert worden war, als das IPCC sie übernahm – ein weiterer grober Fehler. Denn ein Jahr später erschien die besagte Studie – allerdings mit einem diametral entgegengesetzten Ergebnis. "Wir finden nur unzureichende Belege für einen statistischen Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und wachsenden Verlusten durch Katastrophen", zitiert die Zeitung aus der Untersuchung, die von Robert Muir-Wood, Leiter der Wissenschaftsabteilung der Londoner Beratungsagentur Risk Management Solutions, geleitet worden war – einem anerkannten Fachmann auf dem Gebiet der Katastrophenforschung.
Mit der voreiligen Veröffentlichung setzte sich das IPCC über den Ratschlag des Katastrophenexperten Roger Pielke von der Colorado University hinweg, der es unzulässig fand, dass nur ein einziger Abschnitt aus Muir-Woods Studie gegenüber allen anderen Publikationen zum Thema bevorzugt werden sollte. All diese hatten laut Pielke herausgefunden, dass vor allem sozioökonomische Gründe für den Anstieg der Schäden verantwortlich gemacht werden müssten – und nicht die Klimaänderungen: So zogen in den letzten Jahrzehnten immer mehr Menschen in ohnehin von Naturkatastrophen gefährdete Regionen und häuften dort materielle Werte an.
Zu diesen fachlichen Fehlern gesellen sich nun auch noch personelle Turbulenzen, die sich vor allem um Rajendra Pachauri drehen, den indischen Leiter des IPCC. Ihm wird vorgeworfen, dass er mit der drastischen Gletscherschwundwarnung persönliche Vorteilnahme betrieben und Gelder für seine Forschungen eingeworben habe. Und deshalb habe er den Fehler mit den verdrehten Zahlen auch erst eingeräumt, als der öffentliche Druck zu groß wurde. Bereits im letzten November publizierte die indische Regierung eine Untersuchung zu den Himalajagletschern, deren Ergebnisse sich deutlich von jenen des IPCC unterschieden [1]. Sie wurde von Pachauri mit den Worten "Vodoo-Wissenschaft" scharf zurückgewiesen. Erst als der "New Scientist" Anfang Januar seine damalige Meldung mit den falschen Jahreszahlen richtigstellte, reagierte auch der IPCC-Chef – einen Tag, nachdem das von ihm geleitete Energy and Rources Institute (TERI) Fördergelder in Höhe von einer halben Million US-Dollar für die Erforschung der Gletscher im Himalaja bewilligt bekommen hatte.
Dubiose Rolle des Vorsitzenden
Auch wenn dieser Zusammenhang wirklich nur Zufall sein sollte, so bleibt doch ein übler Beigeschmack – zumal Pachauri über das TERI im Aufsichtsrat einer Reihe von Unternehmen sitzt, die den Klimawandel eher antreiben denn bremsen: Oil and Natural Gas Commission, Indian Oil Corporation and National Thermal Power Corporation (NTPC). Das sind drei der größten Energieversorger Indiens, die ihrerseits wiederum nach Angaben von "India Today" das TERI finanziell unterstützen. Außerdem ist das Institut immer noch eng mit dem indischen Konzern TATA verbandelt, unter dessen Ägide es 1974 gegründet wurde – TATA ist unter anderem im Automobilbau und in der Stahlproduktion aktiv. Unabhängigkeit sieht anders aus.
Kein Wunder also, dass die Rufe nach einem Rücktritt von Pachauri immer lauter werden. Und die Demission des IPCC-Chefs scheint zwingend nötig, um den rapide voranschreitenden Vertrauensverlust von Öffentlichkeit und Medien in den Weltklimarat zu stoppen. Grobe Fehler wie jene zum Gletscherschwund oder zu den Naturkatastrophen, die Reaktionen Pachauris darauf und seine möglicherweise vorhandenen Interessenverquickungen liefern all jenen kräftig Munition, die den globalen Klimawandel und vor allem den menschlichen Einfluss daran in Zweifel ziehen.
Um eine saubere Aufarbeitung von "Glaciergate", wie der Fehler bereits genannt wird, zu gewährleisten, muss Pachauri seinen Hut nehmen. Einen Lobbyisten in eigener Sache an der Spitze zu haben, kann nicht im Sinne des IPCC sein. Das allein genügt jedoch noch nicht, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen: Auch das IPCC muss reformiert werden. Zukünftig dürfen tatsächlich nur gesicherte, das heißt begutachtete, wissenschaftliche Studien in den Sachstandsbericht aufgenommen und die entsprechenden Quellen müssen stets überprüft werden. Zudem muss der Aufnahmeprozess transparenter werden: Welche Forscher sollen sich an der IPCC-Arbeit beteiligen, welche nicht, und warum werden sie abgelehnt.
Ein weiteres Aussitzen schadet jedenfalls dem IPCC und damit der Arbeit der unzähligen Klimawissenschaftler, die immer neue Belege für den Klimawandel zusammentragen. Und dieser findet weiterhin statt – den momentan eisigen Temperaturen zum Trotz, wie die NASA erst letzte Woche bekannt gegeben hat [2]: Das Jahr 2009 war demnach das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen vor 130 Jahren (auf der Südhalbkugel das wärmste). Laut dem britischen Met Office, der Wetterbehörde des Landes, lag sogar das gesamte letzte Jahrzehnt weltweit an der Spitze der Durchschnittstemperaturen seit 1840. Von einer Pause oder gar Abkühlung kann also keine Rede sein. Und das sollte bald wieder im Mittelpunkt der Debatte stehen – nicht die Fehler und Mauscheleien beim IPCC.
Bereits letzte Woche musste das IPCC einräumen, dass der im Sachstandsreport von 2007 gemeldete Gletscherverlust im Himalaja bis 2035 nicht haltbar sei. Diese Jahreszahl stammte aus einer Veröffentlichung des World Wildlife Fund, die wiederum auf einer Meldung aus dem internationalen Wissenschaftsmagazin "New Scientist" vom Jahr 1999 basierte. Ungeprüft wurde diese Angabe in den IPCC-Bericht aufgenommen, obwohl sie vollkommen falsch ist, denn sie beruht auf einem Zahlendreher: Der russische Glaziologe Wladimir Kotljakow, der die Entwicklung der Eiszungen im höchsten Gebirge der Welt in Augenschein genommen hatte, prognostizierte ihr Abschmelzen ursprünglich bis zum Jahr 2350! Eine drastische Abweichung, die es durch alle vermeintlichen Kontrollinstanzen bis in die Endversion schaffte. Ausgeblendet wurden dabei offensichtlich auch Forschungsergebnisse, die bei vielen Gletschern Stagnation und bei manchen sogar ein Wachstum zeigen: Im Karakorum etwa zogen sich zwar 22 Gletscher zurück, 18 weitere aber stießen vor.
Ungeprüfte Quellen
Ebenfalls als Quelle in den Bericht gelangte auch das Buch "Wetterkatastrophen und Klimawandel", das 2005 im Auftrag der Versicherung Münchner Rück verfasst worden war: Es sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und zunehmenden wetterbedingten Naturkatastrophen. Zum gleichen Ergebnis kam zu diesem Zeitpunkt angeblich auch eine wissenschaftliche Studie, die ebenfalls häufigere Wirbelstürme, Überflutungen und Dürren prognostizierte. Das IPCC veranlasste dies zur Aussage, dass Schäden durch Extremwetter rapide zunähmen, würde die Erderwärmung ungebremst voranschreiten.
Nun hat allerdings die "Sunday Times" herausgefunden, dass diese Untersuchung damals noch gar nicht begutachtet und publiziert worden war, als das IPCC sie übernahm – ein weiterer grober Fehler. Denn ein Jahr später erschien die besagte Studie – allerdings mit einem diametral entgegengesetzten Ergebnis. "Wir finden nur unzureichende Belege für einen statistischen Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und wachsenden Verlusten durch Katastrophen", zitiert die Zeitung aus der Untersuchung, die von Robert Muir-Wood, Leiter der Wissenschaftsabteilung der Londoner Beratungsagentur Risk Management Solutions, geleitet worden war – einem anerkannten Fachmann auf dem Gebiet der Katastrophenforschung.
Mit der voreiligen Veröffentlichung setzte sich das IPCC über den Ratschlag des Katastrophenexperten Roger Pielke von der Colorado University hinweg, der es unzulässig fand, dass nur ein einziger Abschnitt aus Muir-Woods Studie gegenüber allen anderen Publikationen zum Thema bevorzugt werden sollte. All diese hatten laut Pielke herausgefunden, dass vor allem sozioökonomische Gründe für den Anstieg der Schäden verantwortlich gemacht werden müssten – und nicht die Klimaänderungen: So zogen in den letzten Jahrzehnten immer mehr Menschen in ohnehin von Naturkatastrophen gefährdete Regionen und häuften dort materielle Werte an.
Zu diesen fachlichen Fehlern gesellen sich nun auch noch personelle Turbulenzen, die sich vor allem um Rajendra Pachauri drehen, den indischen Leiter des IPCC. Ihm wird vorgeworfen, dass er mit der drastischen Gletscherschwundwarnung persönliche Vorteilnahme betrieben und Gelder für seine Forschungen eingeworben habe. Und deshalb habe er den Fehler mit den verdrehten Zahlen auch erst eingeräumt, als der öffentliche Druck zu groß wurde. Bereits im letzten November publizierte die indische Regierung eine Untersuchung zu den Himalajagletschern, deren Ergebnisse sich deutlich von jenen des IPCC unterschieden [1]. Sie wurde von Pachauri mit den Worten "Vodoo-Wissenschaft" scharf zurückgewiesen. Erst als der "New Scientist" Anfang Januar seine damalige Meldung mit den falschen Jahreszahlen richtigstellte, reagierte auch der IPCC-Chef – einen Tag, nachdem das von ihm geleitete Energy and Rources Institute (TERI) Fördergelder in Höhe von einer halben Million US-Dollar für die Erforschung der Gletscher im Himalaja bewilligt bekommen hatte.
Dubiose Rolle des Vorsitzenden
Auch wenn dieser Zusammenhang wirklich nur Zufall sein sollte, so bleibt doch ein übler Beigeschmack – zumal Pachauri über das TERI im Aufsichtsrat einer Reihe von Unternehmen sitzt, die den Klimawandel eher antreiben denn bremsen: Oil and Natural Gas Commission, Indian Oil Corporation and National Thermal Power Corporation (NTPC). Das sind drei der größten Energieversorger Indiens, die ihrerseits wiederum nach Angaben von "India Today" das TERI finanziell unterstützen. Außerdem ist das Institut immer noch eng mit dem indischen Konzern TATA verbandelt, unter dessen Ägide es 1974 gegründet wurde – TATA ist unter anderem im Automobilbau und in der Stahlproduktion aktiv. Unabhängigkeit sieht anders aus.
Kein Wunder also, dass die Rufe nach einem Rücktritt von Pachauri immer lauter werden. Und die Demission des IPCC-Chefs scheint zwingend nötig, um den rapide voranschreitenden Vertrauensverlust von Öffentlichkeit und Medien in den Weltklimarat zu stoppen. Grobe Fehler wie jene zum Gletscherschwund oder zu den Naturkatastrophen, die Reaktionen Pachauris darauf und seine möglicherweise vorhandenen Interessenverquickungen liefern all jenen kräftig Munition, die den globalen Klimawandel und vor allem den menschlichen Einfluss daran in Zweifel ziehen.
Um eine saubere Aufarbeitung von "Glaciergate", wie der Fehler bereits genannt wird, zu gewährleisten, muss Pachauri seinen Hut nehmen. Einen Lobbyisten in eigener Sache an der Spitze zu haben, kann nicht im Sinne des IPCC sein. Das allein genügt jedoch noch nicht, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen: Auch das IPCC muss reformiert werden. Zukünftig dürfen tatsächlich nur gesicherte, das heißt begutachtete, wissenschaftliche Studien in den Sachstandsbericht aufgenommen und die entsprechenden Quellen müssen stets überprüft werden. Zudem muss der Aufnahmeprozess transparenter werden: Welche Forscher sollen sich an der IPCC-Arbeit beteiligen, welche nicht, und warum werden sie abgelehnt.
Ein weiteres Aussitzen schadet jedenfalls dem IPCC und damit der Arbeit der unzähligen Klimawissenschaftler, die immer neue Belege für den Klimawandel zusammentragen. Und dieser findet weiterhin statt – den momentan eisigen Temperaturen zum Trotz, wie die NASA erst letzte Woche bekannt gegeben hat [2]: Das Jahr 2009 war demnach das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen vor 130 Jahren (auf der Südhalbkugel das wärmste). Laut dem britischen Met Office, der Wetterbehörde des Landes, lag sogar das gesamte letzte Jahrzehnt weltweit an der Spitze der Durchschnittstemperaturen seit 1840. Von einer Pause oder gar Abkühlung kann also keine Rede sein. Und das sollte bald wieder im Mittelpunkt der Debatte stehen – nicht die Fehler und Mauscheleien beim IPCC.
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