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Sex matters: Reden wir über Sex!

Vielen Paaren fällt es schwer, über Sexualität zu sprechen, berichtet der Sexualtherapeut Carsten Müller. Er empfiehlt: sich verabreden und eine Starthilfe finden. Eine Kolumne.
Paar unterhält sich im Bett
Am besten nicht erst dann über Sex reden, wenn es Probleme gibt: Solange es gut läuft, fällt das Gespräch leichter. (Symbolbild)

»Wir würden so gern miteinander über Sex sprechen, aber irgendwie kriegen wir das allein nicht hin. Ich muss dazusagen, dass wir eigentlich kein Problem, keine Krise oder so haben. Wir haben Sex. Ich glaube, er ist okay, obwohl wir schon zehn Jahre zusammen sind. Wir können auch über Sexualität reden – allerdings eher allgemein oder wenn es um andere Menschen geht. Aber wir würden gern über unsere eigene Sexualität sprechen. Nur wie fangen wir das bloß an?« (Gianluca*, 38, und Nadine*, 39)

Als die beiden zu mir kamen, war ich gespannt. Da kam ein Paar, dem es zu Hause nicht gelungen war, über Sexualität zu reden – wie hatten die beiden sich dann bloß geeinigt, zu mir zu kommen? Die Antwort fand ich interessant: Den Bedarf zu formulieren sei das eine, über sich selbst zu reden etwas ganz anderes. Die Frage nach einem Termin bei mir hatten sie sachlich abgehandelt. Sie konnten sich auf einer abstrakten Ebene darüber unterhalten, wie schön es wäre, ins Gespräch über ihre eigene Sexualität zu kommen. Weil sie in dem Moment noch nichts von sich selbst preisgeben mussten. Es ging um etwas Organisatorisches. Die große Herausforderung war das Emotionale, das Persönliche.

Vielen Menschen fällt es unglaublich schwer, mit dem Partner oder der Partnerin über ihre eigenen Gefühle und sexuellen Bedürfnisse zu reden. Sie fürchten zum Beispiel, dass ein Wunsch mit einer Kritik gleichgesetzt wird. Dass die Frage nach Sextoys Unsicherheit auslösen könnte. Er oder sie könnte denken, ich finde unseren Sex langweilig! Also schweigen die Menschen lieber. Sie möchten die Person, die sie lieben, nicht verletzen. Das finde ich grundsätzlich schön und wertvoll. Dennoch braucht es in Beziehungen das Gespräch über die eigene Sexualität.

Reden über Sexualität schafft emotionale Nähe

Frisch Verliebte sprechen noch über Sex. Bei langjährigen Paaren erlebe ich sehr häufig, dass sie Beziehung und Sexualleben einfach laufen lassen. Jahre- oder jahrzehntelang. Es ist normal, dass wir uns dem Altbekannten nicht mehr mit dem gleichen Interesse widmen. Trotzdem sollten auch langjährige Paare die Bedürfnisse und Erwartungen des anderen kennen und sich darüber austauschen. Am besten nicht erst dann, wenn es ein Problem gibt. Denn solange es gut läuft, fällt es leichter, Hemmungen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wie fühlen wir uns, und worauf haben wir beide Lust?

Die Vorstellung, sich gegenseitig die Wünsche von den Augen ablesen zu können, halte ich für Quatsch. Bei anderen Themen ist es selbstverständlich, darüber zu reden, wohin die Reise geht. Wollen wir Pauschalurlaub im Strandhotel machen oder mit dem Wohnwagen durch Norwegen fahren, wollen wir wandern gehen oder eine Städtereise machen? Und wenn wir unterschiedliche Vorlieben haben: Wie könnte ein Kompromiss aussehen? Je mehr man im Vorfeld redet, desto eher kommt etwas dabei heraus, womit sich beide wohlfühlen.

So ähnlich ist es auch mit Gesprächen über Sex. In einer US-Studie aus dem Jahr 2022 untersuchten die Forschenden, wie bei Paaren Gespräche über Sexualität und ihre Zufriedenheit damit korrelierten. Es zeigte sich, dass die zufriedenen Paare mehr über ihre Sexualität sprachen und sich das Sexualleben nach den Gesprächen weiter verbesserte.

In meiner Praxis erlebe ich das ähnlich: Menschen, die über Sexualität reden, haben erfüllenderen Sex und sind glücklicher. Denn Reden über Sexualität schafft emotionale Nähe. Diese wiederum schafft körperliche Nähe und Lust auf Sex.

Den Einstieg finden

Wie kommen wir also ins Gespräch? Mit dem Paar, das zu mir in die Praxis gekommen ist, habe ich überlegt, was eigentlich die größte Hürde ist. Beide hatten Sorge, wie ihre Worte ankommen würden. Würde der andere sofort denken, dass hinter ihren sexuellen Fantasien Unzufriedenheit steckt? Sie nahmen an, dass der Wunsch nach Veränderung mit Kritik gleichgesetzt werden könnte.

Genau das ist oft ein großes Hemmnis. Deswegen haben wir einen kleinen Umweg gewählt. Ich habe beide gebeten, Fragen zu sammeln. Was würden sie gerne vom anderen wissen? Zu Hause hat jeder für sich überlegt. Ist es wichtig, wer die Initiative ergreift? Welche Sexualpraktiken mögen wir beide? Wann und wie häufig ist Blümchensex okay? Wie viel körperliche Nähe brauchen wir?

Die Antworten haben wir nicht in meiner Praxis gesucht, sondern nur überlegt, welchen Rahmen das Paar für ein Gespräch braucht. Die beiden wollten dabei ungestört sein und genug Zeit haben, deshalb sollte ihre Tochter bereits im Bett sein. Ich kann nur empfehlen, sich zu einem Gespräch über Sex wie zu einem Date zu verabreden. So können sich beide darauf einstellen.

Beim Einstieg ins Gespräch brauchen manche eine kleine Starthilfe. Das kann ein Film sein oder eine Serie, die das Thema aufwirft. Oder einfach etwas, was die Stimmung entspannt. Das Paar, das bei mir in der Beratung war, hat sich zum Kochen verabredet und währenddessen geredet. Ein Gespräch fällt leichter, wenn man dabei noch etwas anderes tut. Weil man sich zwischendurch auch mal mit etwas anderem beschäftigen kann.

Meinem Klientenpaar wurde im Gespräch bewusst, dass es eigentlich nur um Feinjustierungen ging. Er wünschte sich, dass sie ihn öfter einfach so umarmt. Die körperliche Verbundenheit im Alltag war ihm zu kurz gekommen. Das war etwas, was sie gut hören konnte. Außerdem ging es ums Vorspiel. Sie hatte Lust, sich dafür mehr Zeit zu nehmen. Und er hatte den Gedanken, ihr Unterwäsche zu kaufen. Vor allem aber stellten beide fest, dass sie mit ihrem Sexualleben ziemlich zufrieden waren.

Wäre es also wirklich nötig gewesen, das Gespräch zu suchen? Ich sage: unbedingt. Es verbindet. Es gibt die Chance, Gemeinsamkeiten zu schätzen. Einander zu vermitteln: Wir wollen zusammen glücklich bleiben. Denn es geht nicht immer darum, alles neu zu erfinden. Ein Gespräch über Sexualität darf auch einfach nur ein riesengroßer Schulterklopfer für die Beziehung sein.

Und nun sind Sie dran: Das Gespräch eröffnen

Hier kommen fünf allgemeine Aussagen, die als Einstiegshilfe dienen können. Fragen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin: Wie siehst du das?

  • »Mit dem Sex klappt es nur, wenn es auch im Alltag läuft.«
  • »Wer viel Erfahrung hat, ist gut im Bett.«
  • »Bilder oder Filme verstärken die Lust aufeinander.«
  • »Beim Sex darf man auch mal lachen.«
  • »Streit kann das alte Feuer wieder entfachen.«

* Namen von der Redaktion geändert

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