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In Bestform: Vertragen Sportler mehr Alkohol als andere Menschen?

Ein echter Sportler kann auch ordentlich trinken, oder? Der Mediziner und Sportwissenschaftler Jonathan Häußer rät im Interview davon ab: »Größere Mengen Alkohol schränken die Ausdauerleistung ein.«
Zwei junge Fußballerinnen stoßen auf dem Feld mit einem Bier an.

Unter Läufern ist das »Finisher«-Bier beliebt, und nach einem gewonnenen Fußballspiel hebt man im Vereinsheim gern in gemütlicher Runde die Gläser (wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht). Doch wie wirkt sich der Alkoholkonsum auf den Sport aus? Antworten liefert der Hamburger Orthopäde und Sportwissenschaftler Jonathan Häußer.

»Spektrum.de«: Herr Häußer, ist es wahr, dass Sportler mehr Alkohol trinken als Nichtsportler?

Jonathan Häußer: Im Großen und Ganzen würde ich sagen: Ja. Man muss dabei aber differenzieren: Beim Teamsport ist der Alkoholkonsum weiter verbreitet als bei Individualsportarten. Verschiedene Studien haben ergeben, dass Menschen, die Kontaktsportarten betreiben, eher als Nichtsportler angeben, regelmäßig größere Mengen Alkohol zu trinken.

Woran liegt das?

Einerseits könnte es daran liegen, dass die Sportler so versuchen, sich nach einem Spiel für die harte Arbeit zu belohnen. Aber auch das Zusammengehörigkeitsgefühl spielt sicherlich eine Rolle. Bei Sportvereinen oder -teams gibt es häufig Aufnahmerituale oder Ähnliches.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

Vertragen Sportler den Alkohol besser? Sprich: Werden sie weniger schnell betrunken oder können den Alkohol gar besser abbauen?

Nein, das kann man so nicht sagen. Das ist in erster Linie davon abhängig, wie viel oder wie häufig man trinkt. Bei regelmäßigem Alkoholkonsum ist die messbare Promillezahl zwar unverändert, aber der Körper entwickelt eine gewisse Toleranz. Das heißt, die Wirkung ist bei gleicher Alkoholkonzentration im Blut nicht mehr so ausgeprägt. Und der Körper baut den Alkohol dann auch schneller ab.

Warum ist das so?

Das kommt davon, dass mehr Alkoholdehydrogenase gebildet wird, ein Enzym, das Alkohol abbaut. Dadurch kann mehr Alkohol in der gleichen Zeit verstoffwechselt werden. Bei regelmäßigem Alkoholkonsum werden zudem weitere Enzymsysteme für den Alkoholabbau aktiviert.

Wie wird Alkohol im Körper abgebaut?

Über die Schleimhäute des Dünndarms gelangt Alkohol in den Blutkreislauf. Die maximale Konzentration im Blut lässt sich 30 bis 75 Minuten nach dem Konsum messen. Über die Pfortader gelangt das Zellgift in die Leber, unser wichtigstes Entgiftungsorgan. Die Leberzellen enthalten zahlreiche Enzyme, die schädliche Stoffe abbauen können. Im ersten Schritt wandelt die Alkoholdehydrogenase den Alkohol zu Acetaldehyd um. Dieser Stoff ist sehr schädlich für den Körper, er verursacht die typischen »Kater«-Symptome wie Kopfschmerzen und Übelkeit. Darum ist der nächste Schritt extrem wichtig: Die Aldehyddehydrogenase wandelt das Acetaldehyd dann in Essigsäure um. Die ist weit weniger schädlich, wird schließlich in Kohlendioxid und Wasser verwandelt und ausgeschieden. Übrigens: Die Menge und Aktivität dieser Stoffwechselenzyme ist individuell verschieden, weshalb dieselbe Menge Alkohol unterschiedlich stark wirkt. Menschen aus dem asiatischen Raum haben oft genetisch bedingt eine defekte Variante der Aldehyddehydrogenase. Darum können sie Alkohol deutlich schlechter abbauen.

Und beim Sport: Wird da nicht mehr Alkohol abgebaut, etwa weil man schneller und tiefer atmet?

Die Enzyme, die Alkohol abbauen, sind bei Sportlern nicht aktiver. Sie werden durch das Training nicht gefordert. Während des Sports könnte aber tatsächlich etwas mehr Alkohol abgebaut werden, da dieser auch über die Atemluft entweichen kann. Das Atemvolumen ist beim Sport erhöht, weshalb eine geringfügig erhöhte Abbaurate denkbar ist. Das macht jedoch keinen wesentlichen Anteil aus, der Großteil des Alkohols wird in der Leber verstoffwechselt.

Steigert Alkohol denn die Leistungsfähigkeit? Wäre es also hilfreich, vor einem Wettkampf einen Schnaps zu trinken?

Jonathan Häußer | Der Assistenzarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie arbeitet am LANS Medicum, einem Zentrum für Sport- und Regenerationsmedizin in Hamburg. Er hat einen Abschluss in Bewegungswissenschaft und verfasst regelmäßig Blogbeiträge auf »sportsandmedicine.de«.

Eher nicht. Das dachte man zwar früher. Aber schon 1982 haben Wissenschaftler vom American College of Sports Medicine eine Übersichtsarbeit veröffentlicht, in der sie feststellten, dass Alkohol vor dem Sport sowohl die Kraft und Ausdauer als auch die Schnelligkeit der Athleten beeinträchtigt. Die Studien, die seither dazu gemacht wurden, haben zum Teil widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Was sich jedoch relativ gut herauskristallisiert, ist: Größere Mengen Alkohol schränken die Ausdauerleistung ein. Auf die Kraftfähigkeit lassen sich hingegen keine so starken Auswirkungen feststellen.

Alkohol soll angeblich dem Muskelaufbau entgegenwirken – macht das Bier danach also den Trainingserfolg zunichte?

Ja, das stimmt schon. Im Tiermodell, aber auch bei Menschen haben Forscher gezeigt, dass Alkohol die Muskelproteinsynthese hemmt. Doch dabei kommt es – wie immer – auf die Menge an.

Welche Alkoholmenge wäre denn noch vertretbar?

Studien sagen: Bis 0,5 Gramm Alkohol pro Tag und Kilogramm Körpergewicht ist die Regenerationsfähigkeit der Muskeln noch nicht beeinträchtigt. Bei einem Menschen, der 70 Kilogramm wiegt, wären das also 35 Gramm. Ein Standardgetränk enthält nach der Definition der WHO acht Gramm Alkohol. Das wären also etwas mehr als vier Getränke.

Sie sprachen eben von »Regenerationsfähigkeit«. Wenn wir trainieren, entstehen oft kleine Risse im Muskel – Stichwort: Muskelkater –, die repariert werden müssen. Wie wirkt sich Alkohol auf diese Prozesse aus?

Alkohol wirkt antientzündlich. Er hemmt jene Botenstoffe, die die Entzündung fördern und für die Reparatur der Gewebeschäden notwendig sind.

Von Sportler zu Sportler

»Ich selbst mache militärischen Fünfkampf«, sagt Jonathan Häußer. »Das ist eine eher exotische Sportart, die man – zumindest in Deutschland – nur über die Bundeswehr machen kann. Ich bin jemand, der gerne vielseitig trainiert und Abwechslung braucht. Da ist Schwimmen und Laufen dabei; Werfen und Schießen muss man auch können. Alle Disziplinen erfordern ein unterschiedliches Training. Das verhindert, dass man seinen Körper zu einseitig belastet. Es gibt sowohl hochintensive Kurzzeitbelastungen als auch längere Ausdauerbelastungen.«

Was wird durch Alkohol sonst noch alles beeinträchtigt?

Auch hier kommt es natürlich auf die Menge an. Größere Mengen Alkohol, also mehr als 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, können den Hormonhaushalt negativ beeinflussen, etwa die Produktion von Testosteron hemmen. Zudem wird mehr Testosteron in Östrogene umgewandelt. Das kann neben dem Muskelaufbau auch der Knochendichte und den roten Blutkörperchen schaden. Bei geringen Mengen Alkohol wurde in manchen Studien zwar beobachtet, dass die Menschen mehr Testosteron produziert haben. Gleichzeitig war aber auch ihr Level an Stresshormonen wie Kortisol erhöht, was ebenfalls dazu führt, dass Muskelmasse abgebaut wird.

Tendenziell ist es demnach eher schlecht für unseren Hormonhaushalt, wenn wir Alkohol trinken.

Genau. Das führt zu einer so genannten katabolen Stoffwechsellage. Es wird also eher Gewebe ab- als aufgebaut. Außerdem kann Alkohol über hormonelle Effekte auch die Stimmung und die Schlafqualität beeinträchtigen.

Dann sollte man lieber komplett darauf verzichten?

Nein, das halte ich nicht für notwendig – zumindest nicht aus sportlicher Sicht. Aus gesundheitlicher Sicht mag das noch mal anders aussehen. Doch auch hier gibt es Mengen, die man in der Regel ohne großes Risiko genießen darf. Ich rate dazu, sich an die allgemeinen Empfehlungen zu halten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt gesunden Frauen beispielsweise, nicht mehr als 10 Gramm Alkohol pro Tag zu sich zu nehmen, und bei gesunden Männern liegt die Grenze bei 20 Gramm. Ich möchte einfach einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol empfehlen.

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