Direkt zum Inhalt

Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn 10 Prozent Hirnleistung ziemlich clever wären?

Ab wann ist man eigentlich intelligent? Und warum kann man das Gehirn nicht mit einem Motor vergleichen? Wissenschaftskabarettist Vince Ebert auf Spurensuche.
Der Kabarettist Vince Ebert

Beim Thema Intelligenz scheiden sich die Geister. Der kleine Frederic, der mit elf  Jahren noch immer nicht zwei einstellige Zahlen zusammenzählen kann, aber dafür ganz toll seinen eigenen Namen tanzt, gilt in gewissen Kreisen als Jahrhundertgenie, in anderen als »ein kleines bisschen zurückgeblieben«.

Auch die Wissenschaft tut sich mit dem Intelligenzbegriff schwer. Der Verhaltensforscher Josef Call beispielsweise definiert sie als »die Fähigkeit, frühere Erfahrungen auf eine neue Situation zu übertragen und so auf neue, kreative Lösungen zu kommen«. Demnach gelten viele Tiere als ziemlich clever: Schimpansen benutzen Grashalme, um nach Termiten zu angeln; Hunde berechnen punktgenau, wie sie einen schräg ins Wasser geworfenen Ball am schnellsten erreichen; einige Rabenarten können sich sogar bis zu 10 000 und mehr Verstecke für ihr Futter merken. Ich dagegen habe schon Schwierigkeiten, mein Auto in einem Parkhaus wiederzufinden.

Ein übliches Verfahren, Intelligenz zu messen, ist ein IQ-Test. Der misst in der Regel Fähigkeiten wie logisches Denken oder räumliches Vorstellungsvermögen. Aspekte wie Einfühlungsvermögen, Verantwortungsgefühl oder Respekt entziehen sich diesem Verfahren. Trotzdem gilt man mit einem IQ-Wert von über 130 als überdurchschnittlich intelligent und darf bei MENSA e.V., einem weltweiten Verein für hochbegabte Menschen, eintreten. Schon bei einem IQ von 129 haben Sie dort keine Chance. Ich habe das immer für ein etwas willkürliches Aufnahmekriterium gehalten, bis ich mich vor Kurzem mit einem langjährigen Mitglied unterhielt. »Du wirst es nicht glauben«, sagte er, »aber bei unserem letzten Klubtreffen schmuggelte sich doch tatsächlich ein ›128-er‹ ein. Und wir alle haben fast körperlich die intellektuelle Talfahrt im Raum gespürt.«

Was genau im Gehirn von Intelligenten und weniger Intelligenten vorgeht, wird seit Jahrzehnten erforscht. Der Slogan »Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns!« geistert seit mindestens genauso langer Zeit durch die Presse. Meist herausposaunt von Organisationen, die einem mit sündhaft teuren Kursprogrammen 100 Prozent des Geldes aus der Tasche ziehen wollen.

Dem 10-Prozent-Mythos liegt der Vergleich mit einem Automotor zu Grunde: Die Leistungsfähigkeit ist dann am größten, wenn die Maschine möglichst hochtourig läuft. Klingt logisch, ist aber komplett falsch. Denn der Vergleich des Gehirns mit einem Motor geht am Kenntnisstand der modernen Gehirnforschung völlig vorbei. Unser Hirn funktioniert nämlich genau umgekehrt. Es ist eindeutig auf Energiesparen getrimmt. Die Tatsache, dass beim Denken immer nur ein kleiner Bruchteil aller Nervenzellen tätig ist, erweist sich als Segen. Die gleichzeitige Aktivität aller Neuronen dagegen ist fatal, denn sie bedeutet einen epileptischen Anfall.

Tatsächlich bestehen große intellektuelle Leistungen gerade darin, dass unser Gehirn möglichst ökonomisch arbeitet. Die hellsten Köpfe, die bestimmte Denksportaufgaben am schnellsten lösen, weisen den niedrigsten Energieumsatz im Oberstübchen auf. Die höchsten IQ-Leistungen erbringen die Schwachstromgehirne, während die weniger gescheiten Zentralorgane mit Starkstromtechnik arbeiten und jede Menge elektrische Energie uneffektiv verpulvern.

Für wahre Intelligenz sind jedoch nicht nur die bloßen IQ-Punkte ausschlaggebend. Vor einigen Jahren hat man Versuchspersonen einen IQ-Test machen lassen und sie nach dem Test gefragt, wie sie sich einschätzen würden. Das Interessante: Diejenigen, die sich als am intelligentesten einschätzten, hatten die schlechtesten Testergebnisse. Doofe sind also unter anderem deswegen doof, weil sie glauben, dass sie clever sind. Eine Erkenntnis, die schon dem großen Albert Einstein auffiel – zumindest wird sie ihm zugeschrieben (und das ist wohl falsch, Anm. d. Red.): »Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie ihren Standpunkt.«

Viele Hirnforscher sind allerdings auch der Meinung, dass der IQ-Wert eines Menschen im Wesentlichen genetisch festgelegt ist und durch äußere Einflüsse praktisch nicht beeinflusst werden kann. Doch auch hier gibt es Gegenbeispiele: Mein Nachbar hat sich über 20 Jahre lang kontinuierlich seinen Verstand weggesoffen.

Untersucht man die geistigen Fähigkeiten von Männern und Frauen, so treten ebenfalls verblüffende Erkenntnisse zu Tage. Männer haben es, was die Geistesleistungen angehen, im Vergleich zu Frauen eher schwer. Ob ein Mann Intelligenzbolzen oder Schwachkopf wird, ist oft reiner Zufall. Bei Frauen wird in diesem Punkt mehr auf Sicherheit gebaut. Ein Fünftel der Gene, die die Intelligenz bestimmen, liegen auf dem X-Chromosom. Einem Baustein, auf dem gleichzeitig auch Informationen über das Geschlecht gespeichert sind. Männer besitzen ein X-Chromosom, Frauen dagegen zwei. »Dann sind Frauen ja doppelt so intelligent«, triumphierte meine Freundin. Liebe Frauen, nein, das seid ihr nicht. Auch auf den Verdacht, dass ich mich hier unbeliebt mache: Statistisch gesehen sind Frauen intelligentes Mittelmaß, bei Männern dagegen gibt es mehr Genies – leider aber auch mehr Bekloppte.

Wenn nämlich Frauen einen besonders doofen Intelligenzmix auf ihrem einen X-Chromosom haben, kann diese geistige Umnachtung durch das bessere zweite X-Chromosom ausgeglichen werden. Bei Männern dagegen schlägt der Stumpfsinn voll durch. Gleiches gilt natürlich auch für das Gegenteil. Deswegen gibt es unter Männern einerseits mehr Leute wie Mozart, Picasso oder Einstein, andererseits aber auch mehr Menschen vom Schlage eines Lothar Matthäus oder Dieter Bohlen (Paris Hilton gilt in dem Fall als biologischer Messfehler). Im Durchschnitt sind Männer und Frauen gleich schlau. Das statistische Mittel bringt einen im Einzelfall allerdings nicht viel weiter.

Auch die Hormone machen dem männlichen Gehirn zu schaffen. Vor einiger Zeit erkannten Forscher einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen Hoden- und Gehirngröße. Allerdings nicht bei Männern, sondern bei Fledermäusen. Männchen, die untenrum besonders gut bestückt waren, hatten deutlich weniger in der Birne als ihre sexuell schlechter ausgestatteten Kollegen. Offenbar benötigt die Samenproduktion so viel Energie, dass im Oberstübchen gespart werden muss. Keine neue Erkenntnis: »Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln.«

Glücklicherweise sagt die reine Gehirngröße noch nicht unbedingt etwas über kluges oder dummes Verhalten aus. Entscheidend für die Leistungsfähigkeit eines Gehirns ist nicht die Anzahl der Zellen, sondern vielmehr der Grad ihrer Vernetzung. Elefanten oder Blauwale haben viel größere Gehirne als wir, aber beim Ausfüllen einer Steuererklärung würden sie ganz schön blöd aus der Wäsche gucken. Okay – das tun 99 Prozent aller Bundesbürger ehrlich gesagt auch.

Vielleicht sollten wir uns nicht ganz so viel auf unsere geistigen Fähigkeiten einbilden. Denn bereits das Nervensystem einer Schnecke funktioniert nach denselben Prinzipien wie die menschliche Großhirnrinde. Ein Plattwurm hat zwar nur ein paar 100 Nervenzellen, aber sein Verhaltensrepertoire unterscheidet sich nicht sehr viel vom unsrigen: Schlafen, Essen, Sex. Seit den Zeiten der Dinosaurier hat sich unter unserer Schädeldecke praktisch nichts Grundlegendes mehr verändert. Die Evolution hat einfach nur angebaut – bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.

Vince Ebert ist noch bis Mitte 2019 mit seinem Erfolgsprogramm »Zukunft is the Future« auf Tournee. Termine und Tickets finden Sie unter www.vince-ebert.de

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.