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Schröders Mobilitäts-Check: Voll auf Gas?

Mit Erdgas betriebene Schiffe waren bislang die Mauerblümchen der Schifffahrtsbranche, denn große Pötte fahren mit schmutzigem Schweröl. Doch strenge Abgasreglements könnten dem Erdgasschiff einen Schub verleihen. Und mit dem ersten gasbetriebenen Kreuzfahrtschiff der Welt ist der alternative Antrieb seit August dieses Jahres endlich salonfähig.
Frachtschiff qualmt

Seit vielen Jahrzehnten gehört neben den Wellen und dem Wind eines ganz sicher zu einer Schiffsreise mit dazu: der Gestank der Schiffsabgase, der einem, je nachdem wie der Wind gerade steht, mal stärker oder weniger penetrant in die Nase steigt. Und jahrzehntelang scherte sich niemand wirklich darum. Die meisten der rund 50 000 Handelsschiffe, die weltweit über die Meere dampfen, fahren mit Schweröl – einer zähflüssigen Masse, die bei der Aufbereitung des Erdöls als Abfall zurückbleibt. Schweröl enthält Schwefel und andere gesundheitsgefährdende Substanzen. Bei seiner Verbrennung werden Stickoxide und Feinstaub frei.

Dass die Schiffe unerhört viel Dreck durch ihren Schornstein blasen, wurde in Deutschland erst vor wenigen Jahren zu einem wirklich großen Thema, als in Hamburg der Bau eines schicken Kreuzfahrtterminals direkt an der schnieken Hafencity untersagt wurde: Mit den Abgasen der rauchenden Riesen wären zu viele Schadstoffe durch den neuen Stadtteil bis in die Innenstadt gewabert.

Auch weltweit, vor allem in den USA, Japan und Skandinavien, ist das Thema heute auf der Tagesordnung. Die Länder wollen an ihren Küsten keine Dreckschleudern mehr. Inzwischen hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation in London (International Maritime Organisation, IMO) verbindliche Vorschriften erlassen – um die Schwefelverbindungen und die Stickoxide aus dem Abgas zu kriegen. Die eine schreibt den Reedern vor, bis zum Jahr 2020 den Schwefelgehalt des Treibstoffs zu senken. Waren früher Treibstoffe mit 4,5 Prozent Schwefel erlaubt, dürfen ab 2020 nur noch Treibstoffe mit 0,5 Prozent getankt oder, wie es in der Schifffahrt heißt, gebunkert werden. Und in besonders dicht befahrenen Meeresgebieten wie der Nordsee, der Ostsee und den Küstengewässern der USA und Kanadas sind schon seit drei Jahren nur noch 0,1 Prozent Schwefelgehalt erlaubt – im Zweifelsfall müssen die Reeder dort auf den teureren, schwefelarmen Schiffsdiesel umsteigen oder ihre Schiffe mit Abgasentschwefelungsanlagen ausrüsten, so genannten Scrubbern.

Auf dem Weg zum Ölentzug?

Zu einer echten Wende in Sachen Treibstoff – wie er sich inzwischen beim Auto andeutet – haben diese Luftreinehaltereglements bislang leider nicht geführt. Die meisten Schiffe fahren heute, dem Klimawandel zum Trotz, mit Öl. Doch im April dieses Jahres hat die IMO ein Reglement erlassen, dass die konservative Schiffsbranche jetzt aufwirbelt: Mit ihrer Greenhouse Gas Strategy schreibt die IMO vor, dass Schiffe bis 2050 mindestens 50 Prozent weniger Treibhausgase als noch 2008 ausstoßen sollen. Bedenkt man, dass einige Nationen bis dahin die Treibhausgasemissionen ihrer gesamten Volkswirtschaft auf null drosseln wollen, sind 50 Prozent nicht viel. Und doch ist diese Zahl ein Fanal, denn mit herkömmlichen Treibstoffen wird man 50 Prozent definitiv nicht erreichen können. Die Schiffsbranche ist gezwungen, auf Alternativen umzusteigen. Branchenkenner bezeichnen die Greenhouse Gas Strategy deshalb als bahnbrechend.

Und es gibt eine Alternative, die bislang eher ein Schattendasein fristet: das so genannte Liquefied Natural Gas (LNG). Das ist Erdgas (Methan), das auf minus 160 Grad Celsius tiefgekühlt und so verflüssigt wird. LNG verbrennt wesentlicher sauberer als Öl. Die Technik ist bereits seit Jahrzehnten erprobt. Große LNG-Tanker, die das Erdgas in rohstoffarme Länder wie Südkorea und Japan liefern, werden schon immer damit angetrieben. Doch in der übrigen Schifffahrt wurde LNG kaum beachtet. Als zu kompliziert galt die Kühltechnik. Und Motoren müssen extra umgerüstet werden, damit ein Schiff, so sagt man, »LNG-ready« ist – und neben Öl auch LNG verbrennen kann. Doch mit der Diskussion um die Abgaswerte ist LNG spätestens jetzt ein Thema. Weltweit waren im August 2018 124 LNG-Schiffe unterwegs. Angesichts der Weltflotte von 50 000 Schiffen ist das lächerlich wenig.

Doch darf man genauer hinschauen: Ein Land schickt sich derzeit an, der Welt den Spiegel vorzuhalten – Norwegen. Dort sind heute sage und schreibe 61 Prozent aller LNG-Schiffe unterwegs: Die Norweger wollen ihre saubere Fjordlandschaft zurück und keine räuchernden Fähren und Frachter mehr. Bei der Verbrennung von LNG werden 26 Prozent weniger Kohlendioxid frei als beim Schweröl. Die Stickoxidmenge verringert sich um 85 Prozent, der Ausstoß von Feinstaub gar um 95 Prozent. Und Schwefeloxide fallen gar nicht an, weil LNG keinen Schwefel enthält. Für die Norweger sind das schlagende Argumente. Und angesichts der enormen Luftverschmutzung in manchen Küstenstädten sollten ihnen andere schnellstens folgen.

Fossil, aber fürs Erste besser als Erdöl

Auch Erdgas ist natürlich ein fossiler Rohstoff, der zum Treibhauseffekt beiträgt. Und mit einer Verringerung von 26 Prozent Kohlendioxid ist man von den 50 Prozent der IMO noch ein gutes Stück entfernt. Doch LNG-Fachleute verweisen darauf, dass LNG künftig mit Hilfe erneuerbarer Energien klimaneutral hergestellt werden könnte. Mit dem Strom von Windparks auf See könnte man in Elektrolyse-Anlagen Wasserstoff produzieren – und diesen anschließend mit Kohlendioxid zu Methangas reagieren lassen.

Das halten offenbar auch Beteiligte nicht mehr für ganz abwegig: Nachdem LNG in Norddeutschland lange kein Thema war, geht es hier plötzlich hoch her. Heute wird LNG noch per Tanklaster vom großen internationalen Ölhafen in Rottderdam nach Deutschland gefahren. Angesichts der vielen tausend Kubikmeter, die ein LNG-Tankschiff fassen kann, sind das homöopathische Dosen. Jetzt aber streiten sich plötzlich gleich drei deutsche Häfen darum, Standort für das erste deutsche LNG-Überseeterminal zu werden – die beiden Elbestädtchen Brunsbüttel und Stade sowie die Stadt Wilhelmshaven. Das hat zunächst nicht viel mit der Schifffahrt zu tun, sondern mit dem Erdgas für die Energieversorgung an Land. Die Niederlande, die heute Nordwestdeutschland mit Erdgas versorgen, werden ihre Produktion in den kommenden Jahren einstellen.

Eine Alternative ist Erdgas aus den USA. Doch um das anzulanden, braucht man in Deutschland ein großes Gasterminal. Und damit hätte man in Deutschland zugleich eine Erdgastankstelle, die eine wachsende Flotte an LNG-Schiffen versorgen könnte. Einziger Wermutstropfen: Das US-Gas könnte zu einem Teil aus dem umstrittenen Fracking stammen. Andererseits könnte an den LNG-Terminals künftig zunehmend Öko-LNG verarbeitet werden, das man mit Hilfe der Windkraft erzeugt.

LNG wird salonfähig

Mittelfristig wären solche Terminals ein guter Weg, um die Schiffsbranche zum Öl-Entzug zu bewegen. In Deutschland wurden LNG-Projekte lange eher belächelt. Nur wenige Reedereien setzten auf den Alternativbrennstoff. Die Reederei AG-Ems war die erste, die 2015 und 2016 zwei LNG-Schiffe auf Reisen schickte – die »Helgoland« und die »Ostfriesland«, Schiffe, die im Pendelverkehr zu den Inseln eingesetzt werden. Weil es 2015 noch keine international einheitlichen Regeln für den Bau von LNG-Schiffen gab, musste die Reederei zusammen mit dem Schiffs-TÜV DNVGL in Hamburg einige Energie in das Design und vor allem die Sicherheit der LNG-Anlagen stecken. Sonst hätten die Behörden den Betrieb der Erdgasfähre verweigert. Immerhin: Am 1. Januar 2017 hat die IMO auch diese Hürde für LNG-Schiffe ausgeräumt und international verbindliche Richtlinien für die Sicherheit von gasbetriebenen Schiffen erlassen.

Und inzwischen setzt in Deutschland nicht mehr nur die Reederei Ems auf LNG. Anfang August wurde die neue Aida Nova groß gefeiert – als erstes LNG-Kreuzfahrtschiff der Welt, das der Mutterkonzern Carnival Corporation bei der Meyer-Werft in Papenburg in Auftrag gegeben hatte. Kreuzfahrtschiffe sind Sympathieträger – weiß, groß, elegant. Wahrscheinlich ist die Aida Nova der wichtigste Fingerzeig darauf, dass die Schiffsbranche in Sachen Treibstoff in eine andere Richtung segeln sollte – und dafür, dass LNG salonfähig ist.

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