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Angemerkt!: Vom Teufel und dem Beelzebuben

Daniel Lingenhöhl
Die Polkappen schmelzen, der Winter bleibt aus, das Meer erwärmt sich – allüberall mehren sich die Menetekel des globalen Klimawandels. Nach einer neuen Studie der Europäischen Kommission wird er auch Europa nicht verschonen: Mehrere zehntausend zusätzliche Hitzetote jährlich, dazu wirtschaftliche Einbußen in Milliardenhöhe könnten seine Folgen sein. Es ist also höchste Zeit, umzusteuern und die Emissionen zu senken – das, immerhin, ist in den Köpfen der verantwortlichen Politiker Europas mittlerweile mehrheitlich verankert.

Der Wald weicht | Um Europas Energiehunger zu stillen, werden Indonesiens Regenwälder für Ölpalmplantagen gerodet. Die dafür gelegten Feuer heizen den Klimawandel an, legen Smog über Südostasien und vernichten den Lebensraum seltener Arten wie des Orang-Utans oder der Sumatra-Nashörner.
Insgesamt steht der EU ohnehin eine internationale Führungsrolle beim Abbau des Kohlendioxid-Ausstoßes zu – wenngleich immer noch auf eher niedrigem Niveau. Positiv bewertet werden muss deshalb der gestern verabschiedete Aktionsplan, der bis 2020 einen Rückgang der Emissionen um mindestens ein Fünftel verglichen mit 1990 vorsieht. Neben ausgebauten "sauberen" Energieformen aus Wind, Sonne oder Wasser sollen zunehmend auch Biokraftstoffe – Stichwort "Biodiesel" – diesem Ziel dienen: Bis 2020 strebt die EU einen verpflichtenden Anteil von zehn Prozent auf dem entsprechenden Treibstoffmarkt an, was verglichen mit dem heutigen Stand nahezu einer Verdoppelung gleichkäme. Doch damit begibt sich die europäische Energie- und Klimapolitik auf einen Holzweg.

Denn so grün die biologisch erzeugten Kraftstoffe auch wirken, sie sind es nicht. Wollte beispielsweise Deutschland nur vier Prozent der Treibhausgas-Emissionen herkömmlicher Diesel tatsächlich einsparen, müsste die Hälfte des nationalen Ackerlandes mit Raps bepflanzt werden, wie das Umweltbundesamt errechnet hat. Bereits die Herstellung des Biotreibstoffes benötigt fossile Energie und beim notwendigen intensiven Düngen entweicht Lachgas: Es ist als Treibhausgas 300-mal so wirksam wie CO2 – die gewünschten Schadstoffeinsparungen lösen sich angesichts des großen Ausstoßes während der Produktion gleich wieder im Nichts auf. Eine Studie der Universität von Minnesota kommt zu einem ebenso ernüchternden Ergebnis, nach dem die gesamte Getreide- und Sojajahresernte der Vereinigten Staaten gerade einmal fünf Prozent des US-amerikanischen Benzinverbrauchs ersetzen könnte.

Monotonie statt Vielfalt | Indonesien plant die Ausweitung seiner Ölpalmplantagen um 6,5 Millionen Hektar – Flächen, die eigentlich nur noch in den restlichen Regenwäldern Borneos oder Papuas zu finden sind.
Die Anbaukapazitäten der Industrieländer für Energiepflanzen sind somit äußerst beschränkt. Findige Unternehmer kamen deshalb mit Rückendeckung der Politik auf die Idee, die nötigen Ressourcen in tropischen Ländern einzukaufen: Soja- oder Palmöl sowie Ethanol aus Zuckerrohr. Doch in Ländern wie Brasilien, Indonesien und Malaysia, Ecuador oder Myanmar heizt diese Nachfrage die Brandrodung für Soja- oder Ölpalmenmonokulturen an. Vor allem die Feuer der Spekulanten hievten Brasilien im Jahr 2005 auf Platz sechs der größten CO2-Produzenten und führten den erhofften Klimaschutz der Europäer völlig ad absurdum – von den negativen Folgen für die Artenvielfalt ganz abgesehen.

Doch nicht nur aus ökologischen Gründen, auch aus ethisch-moralischen Aspekten ist Europas Durst nach Biokraftstoffen fragwürdig: Längst steigen die Preise für Pflanzenöle, die ebenso der Ernährung dienen, weil die Lebensmittelproduktion mit der Energiewirtschaft konkurrieren muss. Gleichzeitig sanken weltweit die Getreidevorräte auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren, dennoch werden Weizen oder Mais zunehmend zu Ethanol gewandelt und verfeuert.

Nicht ohne Grund schrieben Anfang Januar hunderte südamerikanische Nichtregierungsorganisationen einen offenen Brief an die Europäische Kommission, in dem sie die massiven ökologischen und sozialen Umwälzungen durch den drastisch ausgeweiteten Energiepflanzenanbau auf ihrem Kontinent anmahnen. Zugleich riefen amerikanische und europäische Naturschützer die EU zu einem Biosprit-Moratorium auf, bis sichergestellt werden kann, dass dessen Quellen eindeutig nachhaltig sind und nicht lokale, regionale oder globale Umweltprobleme verschärfen. Ohne Erfolg, denn in ihrem Strategiepapier will die Gemeinschaft alle Biokraftstoffe für ihr Zehn-Prozent-Ziel gelten lassen – gleich woher sie stammen und wie sie gewonnen wurden. Eine verpflichtende Zertifizierung wurde abgelehnt und nur Absichtserklärungen abgegeben, dass man "nachhaltige" Biokraftstoffe fördern wolle. Ihr Ziel, den Klimawandel auf diese Weise zu bremsen, wird die EU damit verfehlen und stattdessen die Emissionen einfach nur in den Süden verlagern. Brasilianische oder indonesische Investoren warteten wahrscheinlich auf diese Entscheidung, um noch mehr Wälder in Agrarland zu verwandeln.

Gleichzeitig setzt Europa damit ein Zeichen für Automobilindustrie und Bürger, dass die bisherige Mobilität auch in Zukunft wie bisher gehandhabt werden könnte. Die Entwicklung tatsächlich innovativer und deutlich effizienterer sauberer Antriebtstechnologien wie Hybrid- oder gar Wasserstoffmotoren fördert man so mit Sicherheit nicht. Doch hier auf diesen Zukunftsmärkten muss die EU massiv tätig werden, statt den Teufel Erderwärmung mit dem Beelzebub Biodiesel vergeblich austreiben zu wollen.

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