Angemerkt!: Vom Wohl und Wehe der Zwergenwelt
Milliarden-Euro-Markt - wunderschön! Technologisches Neuland - Prima! Aber hat sich die Wissenschaftsgemeinde ausreichend Gedanken über die möglichen Gefahren der Nanotechnologie gemacht?
Von Gerhard Samulat
Von Gerhard Samulat
Nanotechnologie? Technik von oder für Zwerge? Lange konnte ich mit diesem Schlagwort nichts anfangen. Selbstverständlich lief mir als Physiker die Vorsilbe Nano des Öfteren über den Weg: Nanometer, ja! Nanosekunden, ja! Nanogramm, ebenfalls. Sie bedeutet ja nichts anderes als ein Milliardstel Teil von irgendetwas.
Die Gemeinde der Naturforscher will jedoch diesen Begriff, den der Japaner Norio Taniguchi im Jahre 1974 wohl erstmalig in den Mund nahm, umfassender verstanden wissen. Nach Wikipedia – ja, ich bin bekennender Nutzer dieses öffentlichen Lexikons (ohne ihm allerdings blindlings zu vertrauen, so wie man keiner Quelle gedankenlos vertrauen sollte!) – ist die Nanotechnologie "... ein Sammelbegriff für eine breite Auswahl von Technologien, die sich der Erforschung, Bearbeitung und Produktion von Gegenständen und Strukturen widmen, die kleiner als 100 Nanometer ... sind".
Damit deckt sie prinzipiell alle Phänomene ab, die sich auf molekularer oder sogar atomarer Ebene abspielen. Da Moleküle und Atome aber Basis jeglicher stofflicher Vorgänge sind, deckt die Nanotechnologie eigentlich alles ab. Kein Wunder, dass sich Mediziner wie Chemiker, Physiker, Biologen oder Materialkundler heute alle als Nanoexperten bezeichnen. Ein Berufskollege von mir bezeichnete diesen Forschungszweig daher dereinst als einen Popanz, also als irgendetwas zwischen einem Schreckgespenst und einem Strohfeuer. Ganz widersprechen kann ich ihm da nicht.
Es drängt sich der Eindruck auf, die Gemeinde der Wissenschaftler – respektive deren Manager und Kommunikatoren – suchten (und fanden!) einen griffigen Namen, um nunmehr über wichtig klingende Förderprogramme relativ einfach an Forschungsgelder heranzukommen. Wenn du gefragt wirst, an was du forscht, dann sage: Nanotechnologie! Und schon fließen die Millionen.
Die Wissenschaftsgemeinde hat den Staat und die Wirtschaft mittlerweile davon überzeugt, dass dies eine Schlüsseltechnologie sei. Eine geniale Leistung! Die Fördertöpfe sind entsprechend prall gefüllt. Mit jährlich 290 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln steht Deutschland nach Angaben des Bundesforschungsministeriums in Europa derzeit an der Spitze. Die gesamte EU lässt 740 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für die Zwergentechnologie springen; die Vereinigten Staaten greifen sogar noch ein wenig tiefer in die Tasche.
Erste Bedenken kamen mir, als ich von einer Studie las, die ein Team um Joseph Hughes vom Georgia Institute of Technology in Atlanta verfasste [1]. Demnach wirken so genannte Fullerene oder Buckyballs – das sind kleinste Hohlkugeln aus bis zu 60 Kohlenstoff-Atomen – "antibakteriell". Das bedeutet doch nichts anderes, als dass diese Materialien bei einigen Lebewesen den Zelltod auslösen.
Ähnlich beängstigende Meldungen gesellten sich hinzu: So berichtete die Biologin Eva Oberdörster von der Southern Methodist University in Dallas, dass die gleiche Kohlenstoff-Verbindung die Gehirne von Fischen schädigt [2]. Und die Forscher um Xiongce Zhao vom Oak Ridge National Laboratory entdeckten, dass diese Minifußbälle, von denen einige Mediziner träumen, sie dereinst mit Wirkstoffen gefüllt gezielt in den menschlichen Körper zu bringen, das Erbgut deformieren [3].
Da standen nun zwei Besucher im "nanoTruck" vor einem Gläschen voll mit einem schwarzen, rußartigen Nanostoff und sagten: "Das ist also Feinstaub!" Nein!, hätte ich rufen müssen. Die Nanopartikel sind noch viel, viel kleiner als diese Lungengefahr aus den Dieselmotoren! Nanomaterialien zeigen in vielen Milieus eben häufig vollkommen andere Eigenschaften als größere Klumpen des gleichen Materials. Kohlenstoff in Maßen genossen schadet dem Körper nicht. Bei Buckyballs sieht die Sache schon ganz anders aus.
Im gleichen Atemzug sprechen sich die Autoren aber ebenso dafür aus, umgehend weitere Studien zur Sicherheit dieser Stoffe in Auftrag zu geben. Eventuell ließen sich – so die Hoffnung der Autoren – ja neue Zellgifte finden, die beispielsweise zur Krebstherapie eingesetzt werden können.
Na, da bin ich ja beruhigt.
Aber Nanotechnologie? Ein Milliardstel Teil einer Technologie? Diesen Begriff gab es zu meiner Studienzeit in den 1980er Jahren nicht. Später die Mikrosystemtechnik, ja! Der Versuch gewitzter Ingenieure mikroskopisch kleine technische Systeme zu konstruieren. Die logische Konsequenz wäre gewesen, von Nanosystemtechnik oder Nanostrukturtechnik zu sprechen.
Die Gemeinde der Naturforscher will jedoch diesen Begriff, den der Japaner Norio Taniguchi im Jahre 1974 wohl erstmalig in den Mund nahm, umfassender verstanden wissen. Nach Wikipedia – ja, ich bin bekennender Nutzer dieses öffentlichen Lexikons (ohne ihm allerdings blindlings zu vertrauen, so wie man keiner Quelle gedankenlos vertrauen sollte!) – ist die Nanotechnologie "... ein Sammelbegriff für eine breite Auswahl von Technologien, die sich der Erforschung, Bearbeitung und Produktion von Gegenständen und Strukturen widmen, die kleiner als 100 Nanometer ... sind".
Damit deckt sie prinzipiell alle Phänomene ab, die sich auf molekularer oder sogar atomarer Ebene abspielen. Da Moleküle und Atome aber Basis jeglicher stofflicher Vorgänge sind, deckt die Nanotechnologie eigentlich alles ab. Kein Wunder, dass sich Mediziner wie Chemiker, Physiker, Biologen oder Materialkundler heute alle als Nanoexperten bezeichnen. Ein Berufskollege von mir bezeichnete diesen Forschungszweig daher dereinst als einen Popanz, also als irgendetwas zwischen einem Schreckgespenst und einem Strohfeuer. Ganz widersprechen kann ich ihm da nicht.
Zugegeben, die Nanoforschung hat Neues hervorgebracht. Sie beschäftigt sich mit so winzig kleinen Gebilden, dass dort die Oberflächeneigenschaften der Materialien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ebenso sind oft quantenphysikalische Effekte zu berücksichtigen. Bestes Beispiel für einen neuen Stoff dieser Art sind die Kohlenstoff-Nanoröhren, die Sumio Iijima von der japanischen Meijo-Universität in Nagoya im Jahre 1991 zufällig unter dem Elektronenmikroskop entdeckte. Diesem Material werden außerordentliche elektrische und mechanische Eigenschaften zugeschrieben. Aber deswegen gleich von einem neuen Forschungszweig zu reden und ihm ein Zig-Milliarden-Euro-Umsatzpotenzial zuzuschreiben?
Es drängt sich der Eindruck auf, die Gemeinde der Wissenschaftler – respektive deren Manager und Kommunikatoren – suchten (und fanden!) einen griffigen Namen, um nunmehr über wichtig klingende Förderprogramme relativ einfach an Forschungsgelder heranzukommen. Wenn du gefragt wirst, an was du forscht, dann sage: Nanotechnologie! Und schon fließen die Millionen.
Die Wissenschaftsgemeinde hat den Staat und die Wirtschaft mittlerweile davon überzeugt, dass dies eine Schlüsseltechnologie sei. Eine geniale Leistung! Die Fördertöpfe sind entsprechend prall gefüllt. Mit jährlich 290 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln steht Deutschland nach Angaben des Bundesforschungsministeriums in Europa derzeit an der Spitze. Die gesamte EU lässt 740 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für die Zwergentechnologie springen; die Vereinigten Staaten greifen sogar noch ein wenig tiefer in die Tasche.
Noch irritierender als den Begriff Nanotechnologie fand ich die in jüngster Zeit aufgestellten Forderungen, man möge prüfen, ob von den winzigen Gebilden gesundheitliche Schäden ausgehen könnten. Also Leute, dachte ich, Nanotechnik ist das Herumfriemeln einer eingeschworenen Gemeinde von Tüftlern an Atomen und Molekülen. Wen soll das krank machen?
Erste Bedenken kamen mir, als ich von einer Studie las, die ein Team um Joseph Hughes vom Georgia Institute of Technology in Atlanta verfasste [1]. Demnach wirken so genannte Fullerene oder Buckyballs – das sind kleinste Hohlkugeln aus bis zu 60 Kohlenstoff-Atomen – "antibakteriell". Das bedeutet doch nichts anderes, als dass diese Materialien bei einigen Lebewesen den Zelltod auslösen.
Ähnlich beängstigende Meldungen gesellten sich hinzu: So berichtete die Biologin Eva Oberdörster von der Southern Methodist University in Dallas, dass die gleiche Kohlenstoff-Verbindung die Gehirne von Fischen schädigt [2]. Und die Forscher um Xiongce Zhao vom Oak Ridge National Laboratory entdeckten, dass diese Minifußbälle, von denen einige Mediziner träumen, sie dereinst mit Wirkstoffen gefüllt gezielt in den menschlichen Körper zu bringen, das Erbgut deformieren [3].
Ähnlich erhellend war vergangenes Jahr ein Besuch im "nanoTruck", der auf Wunsch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch Deutschland tourt, um "einem breiten Publikum die komplexe und faszinierende Welt der Nanotechnologie" vorzustellen. Zur gleichen Zeit lief eine große Debatte zur Belastung der Bevölkerung durch Feinstaub.
Da standen nun zwei Besucher im "nanoTruck" vor einem Gläschen voll mit einem schwarzen, rußartigen Nanostoff und sagten: "Das ist also Feinstaub!" Nein!, hätte ich rufen müssen. Die Nanopartikel sind noch viel, viel kleiner als diese Lungengefahr aus den Dieselmotoren! Nanomaterialien zeigen in vielen Milieus eben häufig vollkommen andere Eigenschaften als größere Klumpen des gleichen Materials. Kohlenstoff in Maßen genossen schadet dem Körper nicht. Bei Buckyballs sieht die Sache schon ganz anders aus.
Mit diesem Thema beschäftigten sich nun aktuell der Nanoforscher Andre Nel und seine Kollegen von der David-Geffen-Schule für Medizin der Universität von Kalifornien in Los Angeles sowie dem kalifornischen Nanosystems-Institut [4]. Obwohl sie tabellenlang verschiedene schädliche Einflüsse von unterschiedlichen Nanopartikeln auflisten, kommen sie erstaunlicherweise zu dem Schluss, dass es "keine beweiskräftigen Daten oder Szenarien gibt, die darauf hindeuten, dass diese Effekte ein gravierendes Problem darstellen oder sie sich nicht durch 'rationale' wissenschaftliche Herangehensweisen in den Griff bekommen ließen."
Im gleichen Atemzug sprechen sich die Autoren aber ebenso dafür aus, umgehend weitere Studien zur Sicherheit dieser Stoffe in Auftrag zu geben. Eventuell ließen sich – so die Hoffnung der Autoren – ja neue Zellgifte finden, die beispielsweise zur Krebstherapie eingesetzt werden können.
Na, da bin ich ja beruhigt.
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