Meinels Web-Tutorial: Von E-Mails zum Streaming: Ohne Anwendungsprotokolle geht nichts
Es war eine fantastische Leistung, einen weltweiten Rechnerverbund zusammenzuschalten und dafür zu sorgen, dass sich Rechner mit ganz verschiedenen Betriebssystemen vermöge der Internet- und Transportprotokolle verstehen können. Aber das Internet wurde nicht als Selbstzweck geschaffen, sondern um darüber zu kommunizieren, Informationen auszutauschen und Interaktionsmöglichkeiten für Dienste zu erstellen. Nichts davon würde funktionieren, wenn nicht Protokolle auf der Anwendungsschicht des Internet-Protokollstapels dafür sorgen würden, dass die Anwendungen ihre Daten über das Internet transportieren können. Die Anwendungsprotokolle im TCP/IP-Stapel bieten die Schnittstellen zwischen den Anwendungen und dem globalen Internet.
Unter den vielen Anwendungen war der E-Mail-Dienst die Killeranwendung. Sie bescherte dem Netz seinen Durchbruch und zog die Nutzer in ihren Bann. Die erste E-Mail wurde 1971 mit einer Vorgängerversion der heute genutzten IMAP- und SMPT-Protokolle versendet. Das erste Datentransferprotokoll FTP, das in den 1980er Jahren seine bis heute gültige Spezifizierung erhalten hat, wurde im gleichen Jahr programmiert. Das Domain Name System wurde 1983 von Paul Mockapetris geschaffen. Es übersetzt kinderleicht Namen von Internethosts in IP-Adressen und führt uns im Netz dahin, wo wir hinwollen. Das WWW wurde 1989 von Tim Berners-Lee geschaffen, es verwendet das noch immer genutzte HTTP-Protokoll.
Andere Protokolle sind in der Öffentlichkeit weniger gut bekannt, so etwa das RTP-Protokoll (Real-time Transport Protocol). Es wurde 1996 geschaffen und ermöglicht uns heute, Filme, Musik und Echtzeit-Videokommunikation über das Internet zu streamen. Ein Instant Messenger verwendet hingegen in der Regel das Extensible Messaging and Presence Protocol (XMPP); Voice-over-IP, die Internettelefonie, das Session Initiation Protocol (SIP).
Jede der von uns ganz selbstverständlich genutzten Internetanwendungen braucht für ihre Funktionsfähigkeit jeweils ein oder mehrere Anwendungsprotokolle, und die sind auf der obersten Schicht, der Anwendungsschicht des TCP/IP-Protokollstapels angesiedelt. Sie nutzen die Protokolle der darunterliegenden Transport- und Internetschicht, um ihre dienstspezifischen und dienstspezifisch formatierten Daten über das Internet zu transportieren. Typischerweise nutzen sie das verbindungsorientierte TCP-Protokoll oder/und das verbindungslose UDP-Protokoll.
Ganz grundsätzlich funktioniert die Auslieferung von Diensten über das Internet nach dem Client/Server-Prinzip. Dieses beschreibt den Kommunikationsablauf zwischen den beteiligten Rechnern im Internet: Die »Server« bieten Informationen (Webseiten, E-Mails, Videos et cetera) und Ressourcen (Speicher, Rechenkapazität et cetera) an und liefern diese auf Anfragen von »Clients« aus. Clients ihrerseits sind der aktive Part in der Kommunikationsbeziehung. Sie stellen Anfragen an einen Server und fordern die angebotenen Ressourcen an. Die Anfrage des Clients ist der »Request«, die Antwort des Servers die »Response«.
Wenn nun ein Client über eine Webseite auf einen Streamingdienst auf einem Server zugreifen will, dann kommuniziert die jeweilige Anwendung über die Protokolle der Transport- und Internetschicht auf den physischen Verbindungen in den jeweiligen Netzen und über deren Grenzen hinweg mit den entsprechenden Internet- und Transportprotokollen auf der Serverseite und liefert das angeforderte Video aus. Oder in der Techniksprache: Das Video wird gestreamt.
Egal welche Anwendung adressiert wird, entscheidend ist, dass sowohl auf der Server- als auch auf der Clientseite »Sockets« eingerichtet werden. Diese fungieren als eindeutige End-/Landepunkte der verteilten Anwendungen und gewährleisten den Ein- und Ausgang der transportierten Daten. Für jedes Anwendungsprotokoll gibt es deshalb eindeutige Sockets, die entsprechend angesteuert werden können.
Wie diese vielen Anwendungsprotokolle im Einzelnen wirken, werden wir uns in den nächsten Beiträgen genauer ansehen, da gibt es für die einzelnen Internetdienste große Unterschiede. Das wird uns auch weiterhelfen, die Funktionsweise des alles beherrschenden Internets noch besser zu erschließen.
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