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Freistetters Formelwelt: Warum Pluto kein Planet mehr ist

Dass Pluto kein Planet mehr ist, ärgert manche Menschen auch noch nach fast 20 Jahren. An der Problematik, zu definieren, was ein Planet sein soll, hat sich aber seitdem nicht viel geändert, trotz jeder Menge Mathematik.
Der Zwergplanet Pluto
2006 verlor Pluto seinen Status als Planeten.
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Der Kaktuszaunkönig, die Kantenkopf-Klapperschlange, die Blüte des Saguaro-Kaktus, der Colt Single Action Army Revolver und seit Frühjahr 2024 auch der ferne Himmelskörper Pluto: Im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona hat man der langen Liste an offiziellen Staatssymbolen am 29. März 2024 sogar einen »Staatsplaneten« hinzugefügt. Dass die Welt der Astronomie in Pluto seit 2006 keinen Planeten mehr sieht, war den politischen Vertreterinnen und Vertretern offensichtlich egal. Vermutlich auch deswegen, weil Pluto im Jahr 1930 von der Lowell-Sternwarte aus in Arizona entdeckt wurde.

Als die Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union vor fast 20 Jahren beschloss, Pluto nicht mehr als Planet zu bezeichnen, war eines der Kriterien das »Freiräumen der Umlaufbahn«. Vereinfacht gesagt: Ein Himmelskörper wie Pluto, der inmitten eines Asteroidengürtels liegt, hat nicht die nötige Dominanz über seine Umgebung erlangt, um ein Planet sein zu können. Motivation dafür den Beschluss liegt in der Entstehungsgeschichte. Nur ein Objekt, das schnell genug eine gewisse Größe erreicht, konnte im frühen Sonnensystem auch genug Gravitationswirkung erreichen, um weiterzuwachsen. Das, was übrig geblieben ist, finden wir heute in den Asteroidengürteln. Pluto mag zwar ein großer Asteroid sein, aber eben nur einer von vielen.

Um die gravitative Dominanz eines Himmelskörpers mathematisch zu definieren, haben die Astronomen Alan Stern und Harold Levison im Jahr 2000 diese Formel entwickelt:

Formel

Der Parameter Λ gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein kleiner Körper eine nahe Begegnung mit einem größeren Objekt hat, die zu einer maßgeblichen Änderung seiner Umlaufbahn führt. Die Gleichung ist kompliziert: Das, was zwischen den eckigen Klammern steht, hängt im Wesentlichen von der Umlaufbahn des kleinen Körpers ab und nicht von den Eigenschaften des größeren. Die findet man im Bruch vor der Klammer. Der Parameter μ ist das Verhältnis von Planetenmasse zu Sonnenmasse und ap die große Halbachse seiner Umlaufbahn.

Der Drang, Dinge zu klassifizieren

Um herauszufinden, ob man es mit einem Objekt zu tun hat, das in der Lage ist, seine Umlaufbahn aufzuräumen, kann man sich also vorerst mit diesem ersten Term beschäftigen. Denn wenn man alle potenziellen kleinen Objekte betrachtet, ändert sich am mittleren Wert des Ausdrucks in den Klammern nicht viel. Entsprechende Abschätzungen von Stern und Levison zeigen auch, dass Λ für die acht Planeten des Sonnensystems einen Wert größer als 1 hat, für Objekte wie Pluto oder Ceres (dem größten Asteroid im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter) der Wert hingegen kleiner als 1 ist. Die beiden Astronomen bezeichnen die erste Gruppe als »überplanets« und die zweite als »underplanets«.

Viel sinnvoller wäre es, zu akzeptieren, dass das Wort Planet schon lange vor irgendeiner systematischen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Sonnensystem existiert hat und es deswegen problematisch ist, es mit Zwang so anzuwenden, um Pluto weiterhin damit zu bezeichnen. In den USA mag man zu Recht stolz darauf sein, dass dieser Himmelskörper dort entdeckt wurde. Diese Entdeckung verliert allerdings nichts von ihrem Wert, wenn man anerkennt, dass Pluto schlicht und einfach kein Planet ist.

Der Drang, Dinge eindeutig zu klassifizieren, ist in vielen Fällen wichtig und sinnvoll. Aber das Universum macht es uns manchmal nicht leicht. Es gibt unzählige Himmelskörper: Jeder von ihnen ist einzigartig, alle sind faszinierend und man kann sie nicht in unsere menschlichen Schubladen stecken.

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