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Hirschhausens Hirnschmalz: An der Maske sollt ihr sie erkennen

Kollektivistische Gesellschaften, in denen das Tragen von Masken schon vorher verbreitet war, kamen besser durch die Pandemie. Zeit, mehr an die Gemeinschaft zu denken, findet unser Kolumnist Eckart von Hirschhausen.
Menschen in einer Münchner Fußgängerzone tragen wegen des Coronavirus eine Maske

Im antiken griechischen Theater spielte man mit einer Maske vorm Gesicht. Dennoch bekam man auch auf den hinteren Rängen etwas mit von der »persona«, der Gestalt hinter der Maske. »Per-sonare« heißt meines Wissens »hindurchklingen«, aber mein Latinum ist schon fast so lange her wie die Uraufführung des Ödipus. Gefühlt befinden wir uns gerade im letzten Akt der Pandemie, auch wenn noch immer unklar ist, ob das ­Virus der Büchse einer chinesischen Pandora oder einer Fledermaus entsprang. Nur die große Frage, was uns das Ganze sagen will, bleibt davon unberührt.

Einer meiner »viralen Hits« in der ersten Pandemiewelle war ein Erklärvideo dazu, warum es selbst ohne ­offizielle Empfehlung sinnvoll ist, Mund und Nase zu bedecken – samt der Aktion #maskeauf und, zugegeben, etwas kruden Analogien: »Wenn ein Besoffener im Karneval neben mir in der U-Bahn steht und Wasser lässt, macht es einen großen Unterschied, ob er eine Hose anhat oder nicht. Mal werde ich nass, mal die Hose. Masken sind die Hose fürs Gesicht. Und wenn sie nass sind, sollte man sie wechseln. Hosen übrigens auch.«

Nun ist Karneval ja Geschmackssache, und deshalb war ich neugierig auf eine brandneue Studie zu der Frage, was das Maskentragen mit gesellschaftlichen Eigenheiten zu tun hat.

Gemeinschaftsgefühl zahlt sich aus in der Pandemie

Vier groß angelegte Untersuchungen zeigten, dass es individualistisch geprägten Gesellschaften im Schnitt deutlich schlechter erging. Die kollek­tivistisch orientierten dagegen, in denen schon vor der Pandemie die Verwendung von Masken gebräuchlich war, verhinderten Ansteckungen und massenhaftes Leid effektiver und schützten so den Einzelnen besser. Dies hatte sowohl der Vergleich zwischen einzelnen US-Bundesstaaten ergeben als auch der zwischen verschiedenen Ländern. Und es war unabhängig von Faktoren wie der Altersstruktur, der Bevölkerungsdichte, dem Wohlstand, der Gesundheitsversorgung oder staatlichen Kontroll- und Zwangsmaßnahmen.

Gute Ideen klauen ist eigentlich die höchste Form von Anerkennung

Masken hatten bis 2020 in Deutschland ein Imageproblem: Wer eine trug, machte sich verdächtig. Man dachte dabei nie an etwas Gutes, eher an Pest und Cholera, Banküberfall oder eben Karneval. Andere Länder, andere Sitten – im asiatischen Raum gelten Masken als ein Zeichen von Respekt und Solidarität. Wir haben uns doch immer aufgeregt, wenn Ideen aus Deutschland anderswo ungefragt imitiert wurden. Dabei ist gute Ideen klauen eigentlich die höchste Form von Anerkennung.

Höchste Zeit, dass wir asiatischer werden, sprich: mehr an die Gemeinschaft denken als nur an uns selbst. Wir haben Gesundheit zu lange als Privatangelegenheit betrachtet. Corona erinnert uns an den Stellenwert von Public Health – und an den Wert des »public space«. Nach der Pandemie werden wir den Charme des Analogen und Authentischen neu schätzen lernen. Dann gehe ich auch wieder offline und zurück auf die Bühne! Wir werden wiederentdecken, dass Theater, Kabarett und Konzerte unverzichtbar sind, für Künstler und Publikum. In einem Raum voller lachender und lauschender Menschen entstehen Resonanzen, die nie digitalisierbar sind. Für die Griechen saß die Seele im Zwerchfell. Sich gegenseitig kitzeln klappt nur leider nicht mit zwei Meter Abstand. Dafür brauchen wir Menschen, die kein Blatt vor den Mund nehmen – und alle Masken fallen lassen!

  • Quellen

Lu, J. G. et al.: Collectivism predicts mask use during Covid-1. PNAS 118, 2021

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