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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn es keine einfachen Antworten gäbe?

Können wir noch die Welt retten? Und ist Angst dabei ein guter Ratgeber? Wissenschaftskabarettist Vince Ebert macht sich Gedanken über komplexe Probleme, Panik und was das mit Schlangen zu tun hat.
Der Kabarettist Vince Ebert

»Ich will, dass Ihr in Panik geratet!« Dieser Satz der 16-jährigen Greta Thunberg wird seit Tagen in den sozialen Medien begeistert geteilt. Auch die internationale Presse ist von Gretas Aufruf entzückt, Journalisten renommierter Medienhäuser würdigen ihr Engagement und stilisieren den schwedischen Teenager zur Ikone des Klimaschutzes.

So nachvollziehbar die Ängste der jungen Frau sind – aber ist der Aufruf, über die Situation unseres Planeten gefälligst in Panik zu geraten, wirklich so klug? Ist Panik ein guter Ratgeber? Das Wort »Panik« leitet sich von »Pan« ab, einem griechischen Wald- und Wiesengott, der mit seinem Schrei ganze Tierherden aufschrecken und in Panik versetzen konnte (außerdem hat er die Panflöte erfunden, die in deutschen Fußgängerzonen auch heute noch regelmäßig zu extremer Panik führt).

Interessant ist, was bei einer Panikattacke im Gehirn abläuft. Der Mandelkern – das ist ein Bereich, der für unsere Emotionen zuständig ist – übernimmt die Kontrolle und leitet in einem Zusammenspiel mit anderen Systemen die Ausschüttung von Stresshormonen ein. Das Kleinhirn stellt seine Aktivität ein, die Großhirnrinde wird ausgeklammert. Durch Angst und Panik wird also das klare Denken buchstäblich gelähmt.

Egal ob Mensch oder Tier – bei jedem höher entwickelten Lebewesen löst Angst und Panik nur drei grundsätzliche Reaktionen aus: Flucht, Angriff oder Totstellen. Alle drei sind nicht unbedingt zielführende Optionen, um komplexe Probleme zu lösen.

Und komplex ist die Frage, wie wir einen Planeten mit bald acht Milliarden Menschen managen sollen, ohne unsere eigene Existenz zu zerstören, zweifellos. Gretas Botschaft suggeriert: Wenn wir alle erst mal richtig Angst haben, würde uns endlich bewusst werden, was zu tun ist. Denn die Lösungen liegen doch bereits alle auf der Hand. Aber tun sie das wirklich? Wissen wir tatsächlich, was genau zu tun ist, um den Planeten zu »retten«?

Geht es uns zum Beispiel darum, in erster Linie den CO2-Ausstoß zu senken, dann müssten wir eigentlich Kernkraftwerke präferieren. Doch viele wollen keinen Atommüll, also weg damit. Ist die Reduzierung von Feinstaub unser vorrangiges Ziel? Dann müssten wir erst mal den öffentlichen Nahverkehr verbieten, da die höchsten Werte in U-Bahnhöfen gemessen werden. Uns liegt der Vogelschutz am Herzen? Dann nieder mit den Windparks, denn die schreddern Rotmilan und Fledermaus. Wir finden den schmutzigen Kobaltabbau im Kongo und umweltschädliche Produktionsstätten in China inakzeptabel? Dann scheidet das Elektroauto ebenfalls aus.

In der derzeitigen Debatte über Klima- und Umweltschutz mangelt es nicht an engagierten Ideen und Vorschlägen. Das größte Problem dabei allerdings ist, dass sich viele der geforderten Maßnahmen gegenseitig widersprechen. Wir versuchen ein bestimmtes Problem zu lösen und ignorieren, dass die Lösung des Problems dazu führen könnte, dass dadurch ein anderes entsteht, das eventuell noch viel größer ist. In der Fachliteratur ist dieses Phänomen als Kobra-Effekt bekannt. Während der britischen Kolonialherrschaft in Indien herrschte dort eine Schlangenplage. Der britische Gouverneur setzte daraufhin ein Kopfgeld auf jede erlegte Kobra aus. Mit dem Ergebnis, dass die Leute begannen, in ihren Hinterhöfen fleißig Schlangen zu züchten, um sie anschließend zu töten und die Prämie kassieren zu können.

Ganz ähnlich verhält es sich mit unseren Bemühungen, die Umwelt zu schützen. Bereits 1995 untersuchte der Amerikaner David Wheeler den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Umweltschutzvorschriften in 31 verschiedenen Ländern. Sobald das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner über 10 000 US-Dollar lag, gab es einen positiven Zusammenhang zwischen Wohlstand und der Verbesserung von Wasser- und Luftqualität. Je mehr Menschen in einem Land einen höheren Wohlstand erreichen, umso intensiver machen sie sich offenbar Gedanken über ihre Umwelt. Was zu einem neuen Dilemma führt: Denn je reicher eine Gesellschaft ist, desto mehr Ressourcen verbraucht sie. Wollen wir also arme Gesellschaften, die wenig verbrauchen, aber die Umwelt verschmutzen? Oder reiche, die viel verbrauchen, aber die Umwelt schützen?

Ist uns Energiesicherheit mit »dreckigen« Energieträgern wichtiger oder regenerative Energien, die das Risiko eines Blackouts bergen? Sollte ein Land wie Bangladesch den Großteil seines Umweltbudgets für die Reduzierung von CO2 verwenden oder doch lieber in den Bau von Deichen stecken?

Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht alle Probleme gleichzeitig lösen können. Solange wir es deshalb in der Umweltdebatte nicht für nötig halten, das festzulegen, was unsere primären ökologischen Ziele sind, werden wir immer wieder irgendwo neue Schlangen züchten.

Die Angst eines Teenagers vor der Zukunft ist verständlich. Aber Angst löst keine Probleme. Schon gar nicht, wenn man noch nicht einmal weiß, wo genau das Problem liegt. Oder wie es Seneca schon vor über 2000 Jahren ausdrückte: Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.

Vince Ebert geht mit seinem Kabarettprogramm »Zukunft is the Future« bis Ende Mai 2019 in die letzte Runde. Tickets und Termine finden Sie unter www.vince-ebert.de.

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