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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn Gentechnik-Gegner gar nicht überzeugt werden können?

Würden Sie Frühstücksflocken von Bayern-Fans kaufen? Vince Ebert macht sich Gedanken über die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.
Der Kabarettist Vince Ebert

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Gerichtsurteil, das einen Hersteller von Frühstückscerealien dazu verpflichten würde, auf seinen Verpackungen anzugeben, dass alle Mitglieder der Geschäftsleitung Anhänger von Bayern München sind: »Diese Cornflakes wurden von Menschen hergestellt, die Uli Hoeneß gut finden«, »Die Produzenten dieses Schoko-Müslis sind Bayern-Fans«, »Unsere Fitness-Flocken entstanden unter der schützenden Hand von Manuel Neuer«. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wäre mit der Begründung zu Stande gekommen, dass Konsumenten logischerweise das Recht hätten, über den Hersteller und seine Motive informiert zu werden. Immerhin ist der FCB bei vielen Fußball-Fans unbeliebt, er ist ihnen sogar suspekt. Fragen Sie dazu nur einmal die »Toten Hosen«.

Ohne eine gesetzliche FCB-Kennzeichnungspflicht nimmt man den Fans folglich ihre verfassungsrechtlich zugesicherte Wahlfreiheit. Und noch schlimmer: Man zwingt sie, etwas zu konsumieren, von dem sie gar nicht wissen, unter welchen Bedingungen es entstand. Wer zum Beispiel garantiert uns denn, dass eine von Bayern-Fans hergestellte Haferflocke nicht vielleicht niedrigere Gesundheits- und Sicherheitsstandards hat als eine Haferflocke von einem normalen Fußball-Fan von Freiburg, Frankfurt oder Schalke?

Natürlich sind solcherlei Argumentationen ziemlich hanebüchen. Nicht aber, wenn es um gentechnisch herstellte Lebensmittel geht. Quasi dem FC Bayern unter den Nahrungsmitteln.

Bekanntlich hat am 25. Juli das EUGH beschlossen, dass in Zukunft Kulturpflanzen, die durch eine gezielte Mutation mit Hilfe von »Genome Editing« erzeugt wurden, kennzeichnungspflichtig sind und dementsprechend streng reguliert werden müssen. Und das, obwohl man diese Art von gentechnisch manipulierten Pflanzen nicht von normalen Züchtungen unterscheiden kann.

Gerne wird an dieser Stelle mit dem »Vorsorgeprinzip« argumentiert. Dieses verlangt bei technischen oder wissenschaftlichen Neuerungen einen Beweis der Unschädlichkeit. Kann dieser Beweis nicht erbracht werden, ist es laut Vorsorgeprinzip besser, diese Neuerungen nicht weiter zu verfolgen. Gerade das ist allerdings eine heikle Argumentation. Denn genau genommen müsste das Vorsorgeprinzip dann auch auf Windparks, Solarpaneele oder Bio-Produkte angewendet werden. Komischerweise hat man bei diesen Technologien keinerlei Einwände. Übrigens: Laut Vorsorgeprinzip wäre die Erfindung des Feuers vom EUGH wahrscheinlich niemals genehmigt worden …

Doch zurück zur Gentechnik. Tatsächlich haben Jahrzehnte an Sicherheitsforschung gezeigt, dass von gentechnisch hergestellten Lebensmitteln im Vergleich zu konventionellen Züchtungen keine besonderen Gefahren ausgehen. Alle großen Wissenschaftsorganisationen wie die WHO, die AAAS, die American Medical Association oder das Bundesinstitut für Risikobewertung kamen zu diesem Schluss. In den letzten Jahren haben mehr als 100 Nobelpreisträger in einer öffentlichen Erklärung appelliert, die Bedenken gegen gentechnisch produzierte Lebensmittel aufzugeben.

All das jedoch überzeugt die Gentechnik-Gegner nicht. Es ist verstörend. Dieselben Leute, die beim Klimawandel (zu Recht) darauf pochen, sich doch bitte an wissenschaftlichen Fakten zu orientieren, ignorieren diese Herangehensweise komplett, wenn es um das Thema Gentechnik geht.

Einige mögen jetzt vielleicht einwenden: »Was hat der Ebert denn bloß gegen eine Kennzeichnungspflicht?« Im Prinzip gar nichts. Aber warum müssen Pflanzen, deren Erbgut mit der neuen Technik kontrolliert verändert wird, besonders kennzeichnungspflichtig sein, konventionelle Züchtungen dagegen, die mit Hilfe radioaktiver Strahlung erzeugt wurden, nicht? Es ist genau dieses Bewerten und Messen mit zweierlei Maß, das einem sauer aufstößt. Die Forderung nach der alleinigen Kennzeichnungspflicht von gentechnisch hergestellten Pflanzen dient meiner Meinung nach eben gerade nicht zur Aufklärung, sondern sie erscheint mir als eine perfide Methode, unter dem Deckmäntelchen der Transparenz diese Technologie zu dämonisieren. Ich glaube, neudeutsch nennt man das auch »Populismus«.

Wissenschaft bedeutet, Erkenntnisse zu akzeptieren, selbst wenn sie dem eigenen Weltbild widersprechen. Der schwedische Mediziner Hans Rosling hat es einmal treffend so ausgedrückt: »Wenn Sie eine Meinung zu einem bestimmten Thema haben, fragen Sie sich stets: ›Welche Art von Beweis könnte mich davon überzeugen, meine Meinung zu ändern?‹ Falls Ihre Antwort lautet: ›Es ist kein Beweis denkbar, der mich vom Gegenteil überzeugen kann‹ – dann bedeutet das, dass Sie faktengestützte Erkenntnisse ablehnen. Das ist völlig okay. Aber dann sollten Sie auch fairerweise bei einer bevorstehenden Operation dem Chirurgen sagen, dass er sich das Händewaschen ruhig sparen kann«.

Mehr über den Wissenschaftskabarettisten und Buchautor erfahren Sie unter www.vince-ebert.de.

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