Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn Ihr Nachbar eine Atombombe zündete?
Eine wirklich interessante Frage, die mir mein 16-jähriger Neffe letzte Weihnachten stellte. Was nebenbei auch eine Menge über die besinnliche Stimmung in meiner Familie während der Feiertage aussagt. Doch als guter Onkel kam ich natürlich meiner Pflicht nach und setzte an …
Nur wenige Kilogramm an spaltbarem Material reichen aus, um einem den ganzen Tag zu versauen. Jede Atombombe entfaltet ihr zerstörerisches Potenzial nach einem ganz bestimmten Schema. In der Regel besteht eine handelsübliche Atombombe aus einer Kugel aus angereichertem Uran-235 oder Plutonium-239. Beide Materialien kommen in der Natur in recht geringen Mengen vor und müssen daher unter enormem technischem und finanziellem Aufwand künstlich hergestellt werden. Die Gefahr, dass Ihr Nachbar aus Wut über Ihren neuen Carport in seinem Hobbykeller eine Kernwaffe bastelt und in Ihrem Vorgarten eine nukleare Katastrophe auslöst, ist somit also eher gering. Aber man kann nie wissen.
Gezündet wird das atomare Monster mit herkömmlichem Sprengstoff, dessen Bestandteile man immerhin relativ leicht im Internet bestellen kann. Der Druck dieser Explosion komprimiert die radioaktive Kugel und löst dadurch eine Kettenreaktion der Uran- und Plutoniumkerne aus. Die Anzahl der Kernspaltungen steigt in Bruchteilen von Sekunden lawinenartig an, wodurch ungeheure Energiemengen freigesetzt werden. Bereits eine 50 Kilogramm schwere Bombe, die man bequem im Kofferraum eines Kleinwagens transportieren kann, besitzt eine hohe Sprengkraft, welche die von einer gleichen Menge TNT weit übersteigt. Ich erwähne das nur, falls Ihr Nachbar demnächst seinen alten Nissan rückwärts in Ihre Hofeinfahrt stellt. Ungefähr die Hälfte der Energie einer Atomexplosion wird als Druckwelle freigesetzt, die sich kilometerweit ausbreitet und alles niederwalzt, was sich ihr in den Weg stellt. Dabei entstehen orkanartige Sturmböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometer pro Stunde, die auch noch anhalten, wenn die Druckwelle das Gelände längst passiert hat.
Neben der radioaktiven Strahlung, die »nur« 15 Prozent der Wirkung ausmacht, werden rund 35 Prozent der Wirkung einer Kernwaffe in Wärmeenergie freigesetzt. Wobei das Wort »Wärme« meiner Meinung nach ein etwas zu blumiger Ausdruck für das beobachtete Szenario ist: Genauer gesagt handelt es sich um einen Feuerball mit einem Durchmesser von mehreren hundert Metern, der in seinem Inneren bis zu 20 Millionen Grad Celsius heiß werden kann.
Diese unglaublichen Temperaturen im Epizentrum führen dazu, dass dort die heiße Luft schnell nach oben steigt. Die nach oben strömende Luft saugt vom Boden Staubpartikel und kleine Steine auf, die den Stiel des charakteristischen Atompilzes bilden. Je weiter die Bereiche nach oben wandern, desto mehr kühlen sie sich ab, was den Aufstieg wieder verlangsamt. Die Rauchwolke dehnt sich in diesen Regionen seitlich aus, da von unten permanent heißes Luft-Staub-Gemisch nachgeliefert wird. Der dazugehörige Pilzkopf formt sich aus.
Diese Pilzform entsteht übrigens bei jeder Art von thermischer Explosion – egal ob bei Schwarzpulver, Benzin, Gas oder Vulkanausbrüchen. Auch wenn er in diesen Fällen wesentlich kleiner und nicht immer so deutlich sichtbar ist. Denn Form und Größe eines solchen Pilzes hängen maßgeblich von der Explosionstemperatur und der frei gewordenen Energie ab. Und da macht der Atombombe so schnell niemand etwas vor.
1961 zündeten die Russen die bisher stärkste Bombe mit der Testnummer 130. Die so genannte Zar-Bombe wog 27 Tonnen, war 8 Meter lang und 2 Meter breit, hatte eine Sprengkraft von 50 Megatonnen TNT und verursachte neben zerbrochenen Fensterscheiben, verschwundenen Flussläufen und anderen landschaftsplanerischen Veränderungen einen Atompilz von 64 Kilometer Höhe. Das soll unser Nachbar erst mal nachmachen …
Vince Ebert geht mit seinem Kabarettprogramm »Zukunft is the Future« bis Ende Mai 2019 in die letzte Runde. Tickets und Termine finden Sie unter www.vince-ebert.de.
In der ursprünglichen Fassung befanden sich leider mehrere Fehler: Die Zar-Bombe hatte ursprünglich eine Sprengkraft von 50 Megatonnen statt 57. Gezündet werden Implosionsbomben nicht mit TNT, sondern mit anderen Sprengstoffen wie zum Beispiel Composition B oder Baratol, einer Mischung aus TNT und Bariumnitrat. 50-Kilogramm-Bomben wurden zudem bislang nicht entwickelt. Wir bitten, dies zu entschuldigen, d. Red.
Schreiben Sie uns!
3 Beiträge anzeigen