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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn wir besoffen Auto fahren würden?

Risiken richtig einzuschätzen, fällt uns schwer. Wie sicher ist etwa unser Heimweg, wenn wir zuvor schon ordentlich gefeiert haben? Der Kabarettist Vince Ebert hat nachgehakt.
Der Kabarettist Vince Ebert

Wir leben in einem risikoreichen Zeitalter. Ständig müssen wir lebensgefährliche Entscheidungen treffen: Soll ich mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen (20 Tote im Jahr 2016)? Oder doch lieber mit dem Auto fahren (mehr als 3200 Tote im Jahr 2016)? Oder nicht doch besser daheim bleiben und den Haushalt in Schuss halten (zum Beispiel 9815 Tote 2015)? Wie man's macht, macht man's verkehrt.

Konkrete Risikoeinschätzungen fallen uns oft schwer. Wir fürchten uns vor Haiangriffen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, beim Schwimmen von einem Hai attackiert zu werden, bei mickrigen 1 : 30 Millionen liegt. Und wenn Sie Ihren Urlaub am Bodensee verbringen, ist sie sogar noch geringer. Andererseits sehen wir keine übermäßig große Gefahr darin, uns jeden Tag eine Schachtel Reval ohne Filter in die Lunge zu pumpen. Einige glauben sogar, dass man das Lungenkrebsrisiko vermindern kann, wenn man im Krankenhaus raucht.

Doch individuelle Risikoabschätzung beruht eben nicht auf nüchterner Statistik, sondern basiert auf Angst. Und die kann sehr irrational sein. Angst ist im ältesten Teil unseres Gehirns verankert. Ein Relikt aus der Zeit, in der die Reptilien am Drücker waren. Und wie jeder weiß: Reptilien sind nicht unbedingt die Hellsten. Wenn Sie einen Alligator fragen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, aus einer Schale mit 100 roten und 10 weißen Kugeln dreimal hintereinander Rot zu ziehen – vergessen Sie's!

Besonders bei Gefahr ist das primitive Reptiliengehirn darauf programmiert, intuitiv zu handeln und nicht den Taschenrechner herauszuholen, um mal schnell die Überlebenschancen sauber durchzurechnen. Und dieses Reptiliengehirn ist noch immer Bestandteil unseres Oberstübchens, weswegen wir, trotz einer üppig ausgestatteten Großhirnrinde, Risiken entweder massiv unter- oder überschätzen. Oder anders gesagt: Die echten Gefahren sind oft nicht die, die wir fürchten.

Entgegen der Auffassung vieler Menschen ist Alkohol hochgefährlich. Es gibt eigentlich keinen Teil des Körpers, den man mit Hilfe von Alkohol nicht zerstören könnte: Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Magen et cetera, et cetera. Und von den indirekten Gefahren habe ich noch gar nicht gesprochen. Autofahren etwa. Wenn Sie bei Tempo 170 mit einem Glas Sherry in der Hand einschlafen, ist ruckzuck die Hose versaut. Deswegen werben zahllose Kampagnen dafür, nach der Cocktailparty das Auto lieber stehen zu lassen und nach Hause zu laufen. Im ersten Moment erscheint das sinnvoll. Glaubt man den Aufzeichnungen der US-amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), so verursacht ein betrunkener Fahrer mit einer 13-fach höheren Wahrscheinlichkeit einen Unfall als ein nüchterner. Die deutschen Zahlen würden vermutlich eine ganz ähnliche Tendenz zeigen.

Fahren unter Alkoholeinfluss ist also ohne Zweifel immens riskant. Doch wie hoch ist eigentlich das Unfallrisiko, wenn Sie brav den Autoschlüssel beim Wirt abgeben und stattdessen betrunken zu Fuß nach Hause wanken? Auch hier geben die Zahlen der NHTSA Auskunft: Pro Jahr sterben in den USA etwas mehr als 1000 betrunkene Fußgänger bei Verkehrsunfällen. Sie torkeln über dicht befahrene Kreuzungen, legen sich an den Straßenrand, um ein kurzes Nickerchen zu machen, oder versuchen, zwischen den zwei herannahenden Lichtern auf der Landstraße hindurchzugehen.

Verglichen mit der Gesamtzahl der rund 13 000 US-Verkehrsopfer bei alkoholbedingten Unfällen ist die Anzahl der besoffenen Fußgänger zwar relativ gering, aber bei der Frage, ob es risikoreicher ist, betrunken nach Hause zu fahren oder zu laufen, kommt es nicht auf die Gesamtzahl an. Entscheidend hierbei ist das Unfallrisiko pro zurückgelegter Strecke. Deshalb haben die Ökonomen Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner vor einiger Zeit ausgerechnet, wie hoch das Risiko eines Betrunkenen ist, pro gefahrener beziehungsweise pro gelaufener Meile zu verunglücken. Was sie herausfanden, ist ziemlich irritierend: Wenn ein Betrunkener nach einer Kneipentour nach Hause läuft, besitzt er ein achtmal höheres Risiko, bei einem Unfall ums Leben zu kommen, als wenn er gefahren wäre.

Deswegen ein heißer Tipp: Nehmen Sie lieber ein Taxi für den Heimweg. Aber achten Sie in jeden Fall drauf, dass der Taxifahrer nüchtern ist.

Mehr über den Wissenschaftskabarettisten und Bestsellerautor finden Sie unter www.vince-ebert.de

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