Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn wir mit (fast) Lichtgeschwindigkeit reisen würden?
Im September 2011 sorgte eine Forschergruppe im Genfer Kernforschungszentrum CERN für eine wissenschaftliche Sensation: Angeblich fand sie Hinweise darauf, dass sich bestimmte Elementarteilchen, so genannte Neutrinos, mit Überlichtgeschwindigkeit ausbreiten. Ein klarer Verstoß gegen die spezielle Relativitätstheorie, die besagt, dass nichts schneller sein kann als Licht. Sofort meldeten sich zahlreiche Juristen zu Wort: Könnte man rein rechtlich Neutrinos aus dem Teilchenzoo ausschließen? Wie viele Punkte kostet die Geschwindigkeitsübertretung? Und wäre es möglich, das Tempo der Neutrinos zu verringern, indem man sie durch eine Behörde lenkt?
Ein paar Monate später kam die physikalische Welt wieder in Ordnung. Die schnellen Neutrinos entpuppten sich als simpler Messfehler, verursacht durch einen Wackelkontakt in einer Steckerverbindung. Einstein hatte also gerade noch mal Glück gehabt.
Seit er 1905 seine Relativitätstheorie aufstellte, sind die Menschen fasziniert davon, sie zu widerlegen. Im Internet kursieren zahlreiche abstruse Abhandlungen, die angeblich beweisen, dass Einstein komplett falschlag. Meist mit dem frustrierten Hinweis, dass die etablierten Wissenschaften offensichtlich keinerlei Interesse an solch revolutionären Erkenntnissen hätten. Immerhin müssten ja sonst sämtliche Physikbücher umgeschrieben werden. Und ein First-Class-Flug nach Stockholm sei sowieso viel zu teuer.
Auch wenn ich jetzt alle Einstein-Widerleger enttäusche: Bisher hat sich in Tausenden von Experimenten die spezielle Relativitätstheorie immer wieder als hundertprozentig richtig erwiesen. Nichts kann sich schneller bewegen als 299 792 458 Meter pro Sekunde, im Folgenden c genannt.
Dazu ein kleines Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Bahnsteig und beobachten einen Zug, der mit 100 Kilometern pro Stunde an Ihnen vorbeifährt. In diesem Zug befindet sich ein entnervter Geschäftsmann, der genau zum Zeitpunkt des Vorbeifahrens seine Kaffeetasse mit 50 Kilometer pro Stunde in Fahrtrichtung durchs Zugabteil wirft. Was schätzen Sie, mit welcher Geschwindigkeit Sie die Tasse an sich vorbeifliegen sehen? Die richtige Antwort ist natürlich 150 Kilometer pro Stunde. Herzlichen Glückwunsch! Das war die 50-Euro-Einstiegsfrage.
Nun stellen Sie sich vor, der Zug fährt abermals mit 100 Kilometern pro Stunde an Ihnen vorbei. Dieses Mal hat der Geschäftsmann im Zug jedoch keine Kaffeetasse, sondern einen Laserpointer in der Hand. Auf Höhe des Bahnsteigs startet er seine Power-Point-Präsentation, knipst den Laserpointer an und schickt einen Lichtstrahl mit der Geschwindigkeit c in Fahrtrichtung durchs Zugabteil. Was meinen Sie, wie schnell Sie nun den Lichtstahl an sich vorbeifliegen sehen? Wer glaubt, mit c + 100 Kilometern pro Stunde? Wer glaubt, mit c? Und wem ist es egal?
Das Verblüffende ist, dass Sie am Bahnsteig die Geschwindigkeit des Lichtstrahls auf exakt den gleichen Wert bestimmen würden wie die Personen im Zugabteil – nämlich Lichtgeschwindigkeit. Anders als bei der Kaffeetasse summieren sich beim Licht die Geschwindigkeiten nicht. Selbst wenn der Zug mit 100 000 Kilometern pro Sekunde an Ihnen vorbeirauschen würde, betrüge die gemessene Geschwindigkeit des Laserpointerstrahls immer noch exakt c = 299 792 458 Meter pro Sekunde.
c ist das ultimative Tempolimit im Universum. Tut mir leid, liebe Star-Trek-Fans, aber die Jungs von Raumschiff Enterprise haben euch ziemlich an der Nase herumgeführt. Ein Raumschiff, das in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit kommt, würde nämlich unendlich schwer werden. Relativistische Massenzunahme nennt das der Physiker. Jedes Mal, wenn Scotty auf Warpgeschwindigkeit beschleunigt hätte, wäre die Besatzung auf der Brücke auseinandergegangen wie ein Hefekloß. Wobei Captain Kirk in den späteren Folgen ja durchaus ein wenig fülliger war.
Ein weiteres paradoxes Phänomen, das bei hohen Geschwindigkeiten auftritt, ist die so genannte Längenkontraktion. Ein Zug, der mit halber Lichtgeschwindigkeit an uns vorbeifahren würde, erschiene uns um 15 Prozent verkürzt. Je schneller, desto kürzer. In der Psychologie auch als das »Porschefahrersyndrom« bekannt.
Doch die vielleicht verblüffendste Konsequenz der speziellen Relativitätstheorie ist, dass die Zeit umso langsamer vergeht, je schneller man sich bewegt. Und auch das kann man wirklich messen: Uhren in Überschallflugzeugen gehen um einen winzigen Bruchteil langsamer als die auf der Erde. Immer, wenn Sie flott durch die Gegend laufen, altern Sie langsamer. Deswegen hält Joggen ja auch jung. Bedauerlicherweise ist das aber auch der Grund für die vielen Verspätungen bei der Deutschen Bahn. Ist doch klar: In den schnellen ICEs vergeht die Zeit eben viel langsamer als auf den Bahnhöfen. Beschweren Sie sich also das nächste Mal nicht bei Ihrem Zugbegleiter, sondern bei Einstein.
Solche und andere Gedankenexperimente können Sie in Vince Eberts aktueller Bühnenshow »Zukunft is the Future« live erleben. Weitere Infos und den aktuellen Tourplan finden Sie unter www.vince-ebert.de
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