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Klima: Welche Rolle spielt die Sonne?

Die Sonne hat den größten Einfluss auf das Erdklima. Doch welche Bedeutung haben die Schwankungen ihrer Aktivität tatsächlich für das Klimageschehen der letzten Jahre?
Stefan Rahmstorf
Die Sonne und das Klima

Es gibt eine Konstante in der Klimadebatte: Alle paar Jahre wieder entdecken die Medien die Sonne als angeblich unterschätzte Kraft im Klimageschehen. Um nur drei Beispiele zu nennen: Vor elf Jahren brachte der "Spiegel" eine große Geschichte "Die Launen der Sonne", in der unser Zentralgestirn für die globale Erwärmung verantwortlich gemacht wurde. Vor fünf Jahren strahlte RTL den Fernsehfilm "Der Klimaschwindel" mit derselben These aus. Und im Januar 2010 veröffentlichte "Focus" ein Heft mit dem Titel: "Forscherstreit: Fällt die Klimakatastrophe aus? Fehlende Sonnenaktivität könnte eine neue Kaltzeit auslösen". In allen Fällen sollte die These mit fehlerhaften Datenkurven oder fragwürdigen Quellen gestützt werden (siehe Belege hier, hier und hier).

Hier soll in aller Kürze der aktuelle Stand der Forschung zur Rolle der Sonne im Klimageschehen betrachtet werden.

Was zeigen moderne Messungen?

Der grundlegende Befund ist die von Satelliten gemessene Leuchtkraft der Sonne (Abbildung 1). Die Daten zeigen vor allem den schon seit dem 19. Jahrhundert bekannten, etwa elfjährigen Schwabe-Zyklus. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich ein leichter Abwärtstrend der Leuchtkraft; das Minimum der letzten Jahre war das tiefste und längste seit Beginn der Messungen. Dieser Zyklus verursacht Schwankungen im Strahlungsantrieb [1] mit einer Amplitude von zirka 0,1 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche; der langfristige Abwärtstrend ist noch deutlich schwächer. Zum Vergleich: der Strahlungsantrieb durch das vom Menschen zusätzlich in die Atmosphäre eingebrachte Kohlendioxid beträgt derzeit 1,8 Watt pro Quadratmeter.

Abbildung 1: Sonnenleuchtkraft und globale Durchschnittstemperatur | Von Satelliten gemessene Leuchtkraft der Sonne (total solar irradiance, TSI, schwarze Kurve) im Vergleich zur globalen Durchschnittstemperatur (rote Kurve, NASA-Daten). Der Anstieg der globalen Temperatur seit den 1970er Jahren lässt sich nicht mit der Sonne erklären.

Allein aus der Betrachtung der Energiebilanz der Erde erwartet man also eine sehr untergeordnete Klimawirkung der Sonne. Nimmt man die beste Abschätzung für die transiente Klimasensitivität [2] von 0,4 Grad Celsius pro Watt pro Quadratmeter, sollte der Schwabe-Zyklus Schwankungen in der globalen Temperatur mit einer Amplitude von zirka 0,04 Grad Celsius verursachen.

Neben der Energiebilanz kann man den Effekt der Sonne auch direkt aus einer Korrelationsanalyse mit den globalen Temperaturdaten gewinnen: Zeigen diese einen elfjährigen Zyklus, und wie stark? Die US-Forscher Judith Lean und David Rind haben dies 2008 getan und eine in den letzten Jahrzehnten etwas variable Amplitude von 0,04 bis 0,05 Grad Celsius gefunden. Die Messdaten zeigen also ein Resultat konsistent mit der Modellerwartung. Auch unsere eigene Analyse der fünf verfügbaren globalen Temperaturreihen kommt zum gleichen Ergebnis. Bereinigt man die globalen Temperaturdaten um diesen schwachen Sonnenzyklus und den Effekt von El Niño und Vulkanen (ebenso wie zum Beispiel saison- und witterungsbereinigte Arbeitslosenzahlen berechnet werden), ist der verbleibende Temperaturtrend über die letzten 30 Jahre linear, wie man es durch die steigende Treibhausgaskonzentration erwartet (Abbildung 2).

Abbildung 2: Globale Durchschnitts- temperaturen seit 1980 | Die fünf globalen Temperaturdatenreihen nach Bereinigung um drei bekannte Effekte: El Niño, Vulkane und Sonnenschwankungen (mit Amplitude 0,04 Grad Celsius). Die blaue Kurve zeigt die oben schon gezeigten NASA-Daten der Oberflächentemperatur von Wetterstationen, rot und orange sind Satellitendatensätze. Ein noch unerklärter zusätzlicher Sonneneffekt auf die Temperatur, der hier zu Abweichungen vom linearen Anstieg führen müsste, ist nicht ersichtlich.

Zur genaueren Analyse der Temperaturentwicklung im 20. Jahrhundert wurden für den letzten IPCC-Bericht 58 Simulationsrechnungen mit 14 Klimamodellen unterschiedlicher Forschergruppen weltweit durchgeführt (IPCC Kapitel 9), die allesamt die vergangenen Sonnenschwankungen berücksichtigen. Diese zeigen, dass natürliche Faktoren in den letzten 50 Jahren eine leicht abkühlende Wirkung auf das Klima hatten, die der anthropogenen Erwärmung entgegenwirkte.

Die letzten 1000 Jahre

Auch auf längeren Zeitskalen hat man die Sonnenwirkung auf das Klima gründlich untersucht. Der längste gemessene Temperaturdatensatz ist die berühmte Mittelengland-Reihe ab dem Jahr 1695. Der britische Sonnenforscher Mike Lockwood hat gemeinsam mit Kollegen diese Daten mit Sonnenfleckenzyklen korreliert. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Sonnenschwankungen nur fünf Prozent der Temperaturschwankungen erklären können (und auch das nur regional, im Winter). Lockwood sagt dazu: "Die Wirkung der vom Menschen verursachten Treibhausgase auf den Klimawandel der letzten Jahrzehnte ist um ein Vielfaches größer als der Effekt von solaren Schwankungen".

Will man noch weiter in der Klimageschichte zurückgehen, kann man dazu auf so genannte Proxydaten aus Sedimentbohrkernen, Baumringen oder Korallen zurückgreifen. Dabei zeigt sich, dass vergangene Kältephasen wie die "kleine Eiszeit" sowohl mit Vulkanausbrüchen als auch mit Sonnenminima korrelieren. Nimmt man die besten verfügbaren Abschätzungen der Sonnenschwankungen in Klimamodellen, erhält man einen realistischen Verlauf der Temperaturen über die letzten 1000 Jahre (der IPCC-Bericht fasst zahlreiche solche Modellsimulationen zusammen, Kapitel 6). Geht man dagegen von einer deutlich stärkeren Sonnenwirkung aus, ergeben sich in der Modellrechnung erhebliche Diskrepanzen zu den Temperaturdaten, wie eine Studie letztes Jahr gezeigt hat.

Insgesamt zeigt die Summe aller Proxydaten der Temperatur, dass auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen Warmperiode die Temperaturen der Nordhalbkugel und global etwa gleich hoch waren wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts (bis auf Schwankungen von etwa 0,3 Grad Celsius genau). Dies ist konsistent mit der Tatsache, dass die Sonnenaktivität laut Proxydaten vor 800 bis 900 Jahren etwa so hoch war wie heute. Doch seit den 1970er Jahren ist die globale Temperatur um 0,6 Grad Celsius gestiegen; drei Viertel der globalen Erwärmung fanden bei leicht fallender Sonnenaktivität statt (Abbildung 1).

Kosmische Strahlen?

Weil die Schwankungen der Leuchtkraft der Sonne zu schwach sind, um eine nennenswerte Klimawirkung zu entfalten, greifen die Verfechter der Sonnenhypothese zu einem exotischen und unbelegten Mechanismus, der die Sonnenschwankungen kräftig verstärken soll: Kosmische Strahlung, deren Eintreffen auf der Erde im Takt mit der Sonnenaktivität schwankt, soll die Wolkenbildung beeinflussen. Diese These wird seit vielen Jahren vom Dänen Henrik Svensmark verfochten. Am Teilchenbeschleuniger CERN wird sogar in einem millionenteuren Experiment unter Laborbedingungen untersucht, ob solche Strahlen kleine Partikel erzeugen, die eventuell die Wolkenbildung fördern könnten. Die Ergebnisse bislang sind eher ernüchternd: Zwar konnten Partikel nachgewiesen werden, aber viel zu wenige und zu kleine, um die Wolkenbildung zu beeinflussen. Auch ein überzeugender Nachweis, dass die beobachtete Wolkenbedeckung der Erde den Sonnenzyklen folgt, ist bislang in vielen Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen nicht gelungen.

Abbildung 3: Kosmische Strahlung | Zeitreihen der ankommenden kosmischen Strahlung. Höhere Werte sollen laut Svensmark-Hypothese zu mehr Wolkenbildung und kühleren Temperaturen führen. Es ist kein Abwärtstrend erkennbar, der die starke globale Erwärmung seit Ende der 1970er Jahre erklären könnte. Im Gegenteil: Das höchste Maximum ist zeitgleich mit der wärmsten Zwölf-Monats-Periode in den NASA-Temperaturdaten seit 1880, in den Jahren 2009/2010.

Gegen die Svensmark-Hypothese spricht weiterhin, dass sich ja nach Abzug der schon bekannten schwachen Sonnenschwankungen keinerlei Residuum in den Temperaturdaten zeigt (siehe Abbildung 2), das auf einen zusätzlichen, bislang nicht bekannten Sonneneffekt in der globalen Temperatur hinweisen würde. Die in Korrelationsanalysen gefundene Reaktion der globalen Temperatur entspricht schon der Erwartung ohne den Svensmark-Effekt. Und nicht zuletzt: Selbst wenn die kosmische Strahlung die Wolkenbildung und Temperatur beeinflussen würde, könnte damit bestenfalls eine stärkere elfjährige Schwankung, aber kein starker Klimatrend verursacht werden. Denn die kosmische Strahlung wird seit 60 Jahren gemessen und weist keinen nennenswerten Trend auf (Abbildung 3).

Es wäre also mehr als fahrlässig, das Schicksal der Menschheit darauf zu verwetten, dass ein spekulativer Sonneneffekt, der in keiner Weise wissenschaftlich bestätigt ist, in den nächsten Jahrzehnten zu einer Abkühlung führt. Dagegen ist die Klimawirkung des CO2 physikalisch bestens verstanden und in Tausenden von Studien erhärtet. Und die darauf basierenden Prognosen, die bereits vor Beginn der aktuellen Erwärmung in den 1970er Jahren in Nature und Science publiziert wurden, sind durch die Realität bestätigt worden.

 

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[1] Den Strahlungsantrieb erhält man, indem man die von den Satelliten gemessenen Schwankungen der Solarkonstanten durch vier teilt (da die Kugeloberfläche viermal so groß ist wie eine Kreisscheibe) und 30 Prozent (den reflektierten Anteil der Sonnenstrahlung) abzieht.

[2] Die Klimasensitivität gibt an, wie stark die globale Temperatur auf eine vorgegebene Störung des Strahlungshaushaltes der Erde reagiert. Der akzeptierte Wert im Gleichgewicht liegt bei 0,8 Grad Celsius Erwärmung pro Watt pro Quadratmeter Antrieb, das entspricht drei Grad Celsius globale Erwärmung bei Verdoppelung der CO2-Konzentration. Für kurzfristige Störungen gilt die "transiente Klimasensitivität"; auf Grund der thermischen Trägheit der Ozeane ist die schnelle Klimareaktion nur etwa halb so groß, die beste Schätzung liegt bei 0,4 Grad Celsius pro Watt pro Quadratmeter.

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