Freistetters Formelwelt: Wie der Zufall der Mathematik zu schaffen macht
In der gesamten Geschichte der Wissenschaft hat sich die Mathematik als einmaliges Werkzeug zur Beschreibung der Natur erwiesen. Wenn wir die Welt um uns herum verstehen wollen, dann müssen wir sie mathematisch betrachten. Ihr abstrakter Blick zeigt uns Zusammenhänge, die wir sonst nicht sehen könnten. Aber bei einem ganz konkreten Phänomen wird die Mathematik vor eine unlösbare Aufgabe gestellt, wie wir beim Betrachten dieser Formel erkennen können:
Es handelt sich um den so genannten Blum-Blum-Shub-Generator zur Erzeugung zufälliger Zahlen. Man beginnt mit einem Startwert s und berechnet daraus mit der Formel der ersten Zeile den Wert s0. Das "mod" steht für den Rest, der bei einer Division der Zahlen s und n entsteht, die keinen gemeinsamen Teiler haben dürfen. Die Zahl n muss das Produkt zweier unterschiedlicher Primzahlen (der Form 4k +3 ) sein.
Den erhaltenen Wert für s0 benutzt man, um weitere Zahlen zu berechnen, wie in der zweiten Zeile beschrieben wird. Aber genau hier zeigt sich auch das fundamentale Problem. Ein vorgegebener mathematischer Algorithmus folgt zwangsläufig ganz konkreten Regeln und kann daher ebenso zwangsläufig keine echten zufälligen Zahlenreihen erzeugen. Deswegen heißen solche mathematischen Methoden korrekterweise Pseudozufallszahlengeneratoren.
Ihren Nutzen haben solche Algorithmen aber trotzdem. Wählt man das Modul n (und die dafür nötigen Primzahlen) groß genug, dann ist es enorm schwer (und in der technischen Praxis unmöglich), aus der Reihe an Pseudozufallszahlen auf die Parameter zu schließen, die zu ihrer Erzeugung geführt haben. Ohne das Wissen über die Ausgangszahlen kann man die Zahlenreihe nicht reproduzieren, woraus sich vielfältige Anwendungen in der Kryptologie ergeben.
Für verschiedene Anwendungen haben Mathematiker und Informatiker eine ganze Reihe an solchen Generatoren entwickelt, die Namen wie Mersenne-Twister, Inverser Kongruenzgenerator oder Xorshift tragen. Sie alle generieren aber eben immer nur Pseudozufallszahlen. Der echte Zufall bleibt der Mathematik dagegen verschlossen. Sie kann stets nur "deterministische" Zufallszahlengeneratoren entwickeln: also Algorithmen, die bei gleichen Parametern und Ausgangsbedingungen immer wieder das exakt gleiche Ergebnis liefern. Ein echter, nichtdeterministischer Zufallszahlengenerator erzeugt auch bei gleichen Anfangszuständen unterschiedliche Ergebnisse.
So etwas kann nur in der Natur stattfinden. Wer daher echte Zufallszahlen benötigt – etwa für besondere statistische Auswertungen oder Computer- beziehungsweise Glücksspiele –, muss auf physikalische Generatoren zurückgreifen. Dazu kann man zum Beispiel das atmosphärische Rauschen benutzen, also die vielen natürlichen Störungen die beim Empfang von Radiowellen auftreten und diese Schwankungen in Zahlen umrechnen. Man kann auch ein Stück radioaktives Material benutzen: Die Quantenmechanik sagt uns, dass der konkrete Zeitpunkt des Zerfalls radioaktiver Atome prinzipiell nicht vorhersagbar ist. Die Strahlung so einer radioaktiven Quelle kann daher ebenfalls Ausgangspunkt echter Zufallszahlen sein.
Bei der Ziehung der Lottozahlen benutzt man ein mechanisches System, um sicherzustellen, dass die Gewinnzahlen sich nicht vorhersagen oder reproduzieren lassen. All diese Methoden sind aber aufwändig und langsam verglichen mit den eleganten und schnellen Algorithmen der Mathematik. Aber wenn man echten Zufall haben will, dann kann man sich in diesem speziellen Fall ausnahmsweise nicht auf die Mathematik verlassen. Sie kann viel leisten – aber das per Definition absolut unregelmäßige in deterministische Formel zu fassen, kann sie nicht schaffen.
In der ursprünglichen Fassung hatte sich ein Fehler in der Formel eingeschlichen. Wir haben diese ausgetauscht und bitten um Entschuldigung.
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