Freistetters Formelwelt: Wie sieht die Zukunft des Universums aus?
Das, was das dunkle Universum zumindest stellenweise heller macht, ist das Licht der Sterne. Die waren aber nicht von Anfang an da. Es muss eine Zeit gegeben haben, als kein einziger Stern im Universum geleuchtet hat. Irgendwann gab es dann jede Menge Sterne in jeder Menge Galaxien. Und danach? Alte Sterne verlöschen oder explodieren; neue Sterne entstehen. Aber wie sieht es langfristig und im kosmischen Durchschnitt aus: Werden die Sterne im Lauf der Zeit immer weniger oder nicht?
Das Gesamtbild der Sternentstehungsrate im Lauf der Zeit kann diese Formel zeigen:
Mit ψ wird in dieser Gleichung die Sternentstehungsrate in Abhängigkeit der Rotverschiebung z bezeichnet. Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist bekannt, dass sich der Kosmos ausdehnt. Das bedeutet einerseits, dass sich die fernen Galaxien immer weiter von uns entfernen. Dadurch verschiebt sich auch die Frequenz des Lichts und wird immer rötlicher. Je stärker diese Rotverschiebung ist, desto länger war das Licht unterwegs. Daraus folgt andererseits, dass wir immer weiter in die Vergangenheit schauen, je größer die Rotverschiebung ist. Das ist äußerst praktisch, denn sonst hätten wir überhaupt keine Chance herauszufinden, wie die Sternentstehungsrate in der Vergangenheit war.
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Wir können selbstverständlich nicht direkt beobachten, wie die Sterne in Jahrmilliarden alten Galaxien entstehen oder verschwinden. Aber wir können zum Beispiel die Menge an UV-Licht messen, das uns von dort erreicht. Da junge Sterne heiß sind, strahlen sie in diesem Wellenlängenbereich auch besonders hell. In der Praxis sind die Messungen natürlich sehr viel komplexer, aber mit Indikatoren wie dem UV-Licht kann man eine gute Vorstellung davon bekommen, wie sich die Rate der Sternentstehung im Lauf der Zeit verändert hat.
Die ersten, die das konkret gemacht haben, waren die Astronomen Piero Madau und Simon Lilly in den 1990er Jahren. Trägt man die entsprechenden Daten – Rotverschiebung z und zugehörige Sternentstehungsrate ψ – in ein Diagramm ein, ergibt sich eine Kurve, die durch die obige Gleichung beschrieben wird.
Willkommen im kosmischen Nachmittag!
In diesem Madau-Lilly-Diagramm sieht man, dass die Sternentstehung in der Frühzeit des Universums sehr schnell anstieg und zwei bis drei Milliarden Jahre nach dem Urknall einen Höhepunkt erreichte. Diese Phase wird »cosmic noon« genannt (und der Zeitraum davor entsprechend »cosmic dawn«). Seither sinkt die durchschnittliche Sternentstehungsrate langsam immer weiter: Unsere Gegenwart ist der »kosmische Nachmittag« und wir steuern auf einen »kosmischen Abend« zu – bis irgendwann in allerfernster Zukunft überhaupt keine Sterne mehr im Universum leuchten.
Neue Beobachtungen zeigen allerdings, dass das Bild vielleicht ein wenig komplexer ist. Betrachtet man die Madau-Lilly-Kurve nur für die Galaxien in unserem lokalen Universum (einem Bereich von zirka 35 Millionen Lichtjahren Durchmesser rund um unsere Milchstraße), dann unterscheidet sie sich signifikant von der Kurve, die aus den Daten für den gesamten Kosmos gewonnen wurde. Die Sternentstehungsrate sinkt in unserer Ecke des Universums sehr viel langsamer ab. Dafür können Messfehler verantwortlich sein. Oder, und das wäre die spannendere Möglichkeit, das Universum ist auf großen Skalen betrachtet nicht ganz so homogen, wie wir es bisher angenommen haben. Wenn es Regionen gibt, in denen die Materie dichter (oder weniger dicht) verteilt ist, hat das auch Auswirkungen auf die Sternentstehungsrate.
Diese Hypothese steht allerdings in Widerspruch zum kosmologischen Prinzip, das die Homogenität des Universums voraussetzt. Zum Glück dauert der kosmische Nachmittag noch lange genug. Das lässt uns ausreichend Zeit, eine Lösung zu finden.
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