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Freistetters Formelwelt: Wie verhindert man einen Asteroideneinschlag?

Eine solche Katastrophe lässt sich zumindest theoretisch verhindern. Es ist aber gar nicht so einfach herauszufinden, ob die Maßnahmen zur Rettung der Welt erfolgreich waren.
Eine künstlerische Darstellung einer Kollision im Asteroidengürtel im Weltraum. Zwei große Asteroiden prallen mit einem hellen Lichtblitz aufeinander, wobei Trümmerstücke in alle Richtungen fliegen. Im Hintergrund ist ein leuchtender Stern zu sehen, der die Szene beleuchtet. Die Umgebung ist voller kleinerer Asteroiden, die durch den Raum schweben.
Wenn sich ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde befindet, lassen sich Maßnahmen ergreifen. Ob diese aber erfolgreich sind, ist schwer zu sagen.
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wenn in Sciencefiction-Filmen der Weltuntergang durch einen Asteroideneinschlag verhindert werden soll, geschieht das aus dramaturgischen Gründen natürlich immer in letzter Minute. Um solch eine Katastrophe in der Realität abzuwehren, müssen wir aber damit früher anfangen. Die Geschwindigkeit eines Asteroiden auf Kollisionskurs muss so verändert werden, dass es nicht zu einem Zusammenstoß mit der Erde kommen kann. Die derzeit am meisten Erfolg versprechende Methode dafür ist ein »kinetischer Impakt«. Dabei lässt man ein Objekt so auf den Asteroid aufprallen, dass er gebremst (oder beschleunigt) wird. Das muss man früh genug machen, denn je länger man wartet, desto größer ist die benötigte Änderung. Aber, selbst wenn der kinetische Impakt durchgeführt worden ist, weiß man nicht sofort, ob die Maßnahme auch erfolgreich war.

Was bei einem kinetischen Impakt passiert, kann man mit dieser Formel beschreiben:

ΔpA=βpR

Hier ist ΔpA die vektorielle Änderung des Impulses des Asteroiden durch den kinetischen Impakt. Mit pR wird der Impulsvektor des einschlagenden Objekts beschrieben, in Bezug auf den Asteroiden. Das Verhältnis beider Größen ist der »heliocentric momentum enhancement parameter« β⊙. Ist dieser Parameter gleich null, dann hat der kinetische Impakt keine relevante Auswirkung. Das kann der Fall sein, wenn der Impulsübertrag durch die Bewegung von Material kompensiert wird, das sich beim Einschlag vom Asteroiden gelöst hat. Außerdem könnte ausgeworfenes Material im Schwerefeld des Asteroiden bleiben und wieder auf seine Oberfläche zurückfallen, was die Impulsübertragung ebenfalls kompensieren kann. Und natürlich kann der Impakt zu schwach sein, um etwas zu bewirken. In jedem Fall wären das schlechte Nachrichten für die Erde, denn dann würde der Asteroid sich weiterhin auf einer Kollisionsbahn bewegen.

Damit die Asteroidenabwehr erfolgreich ist, muss β⊙ ausreichend groß sein. Man kann zwar vorab berechnen, welche Masse der Einschlagkörper haben und mit welcher Geschwindigkeit er auf den Asteroiden treffen sollte – aber dazu muss man die Zusammensetzung des Asteroiden möglichst exakt kennen. Und selbst dann bleiben Unsicherheiten, was die Flugbahnen von Auswurfmaterial angeht. Es ist also auf jeden Fall nötig, sich schnell davon zu überzeugen, dass β⊙ groß genug ist, denn im Zweifelsfall bleibt keine Zeit mehr für einen zweiten Versuch.

Effiziente Asteroidenabwehr bedeutet genaue Beobachtungen

Eine Messung von β⊙ ist nicht trivial. Dafür muss die Bahn des Asteroiden so exakt wie möglich bestimmt werden. Solche Beobachtungen sind zwangsläufig mit Fehlern behaftet. Außerdem lässt sich nur dann die nötige Präzision erreichen, wenn die Bahn des Asteroiden schon vor dem kinetischen Impakt über lange Zeiträume sehr genau vermessen wurde. Dafür können Beobachtungen von Sternbedeckungen durch den Asteroiden genutzt werden oder Radarmessungen, sofern der Asteroid der Erde nahe genug kommt.

Wenn wir einen Asteroideneinschlag abwehren müssen, dann wollen wir, so schnell es geht, Bescheid wissen, ob unsere Maßnahmen erfolgreich waren oder nicht. Die Bestimmung von β⊙ ist ein guter Weg dafür. Aber nur, wenn wir die entsprechende Vorarbeit geleistet haben. Effiziente Asteroidenabwehr bedeutet also, dass wir die Bahnen vieler potenziell gefährlicher Himmelsobjekte so genau wie möglich vermessen. Das mag nicht so spannend sein wie ein Hollywood-Film – dafür sparen wir uns die dramatische Hektik, die Welt in letzter Sekunde retten zu müssen.

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