Hatts dufte Welt: Wie Riechtraining zum Gehirnjogging wird
Mit der kalten Jahreszeit kommt der Schnupfen, und jeder kennt das: Alles schmeckt nach nichts. Die Nase ist verstopft, weder der Duft des Lieblingsessens noch das eigene Parfum dringt durch den zähen Schleim. Das ist normal. Erst wenn der Zustand anhält, sollte man überlegen, sein Riechvermögen testen zu lassen. Ein Arzt kann erkennen, wo die Ursachen liegen. Beim Riechsystem in der Nase, weil die Schnupfenviren die Riechzellen nachhaltig geschädigt haben? Oder bei der Verarbeitung der Gerüche im Gehirn, weil sich eine neurodegenerative Erkrankung ankündigt?
Für den Riechtest gibt es spezielle Riechstifte, die wie Filzschreiber aussehen. Nimmt man die Kappe ab, verströmen sie Gerüche nach Ananas, Teer oder Fisch. Gesunde Menschen können die verschiedenen Düfte erkennen und unterscheiden. In einem weiteren Test prüft der Arzt, welche Konzentration des Duftstoffs noch wahrgenommen wird. In einigen Fällen sind vielleicht noch mehr Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren oder neurologischen Tests notwendig.
Wenn der Zugang der Duftmoleküle zur Riechschleimhaut in der Nase erschwert oder unterbrochen ist, zum Beispiel durch eine Entzündung, Scheidewandverkrümmung oder durch Polypen, kann ein operativer Eingriff hilfreich sein. Bei chronischen Entzündungen, vor allem auch der Nebenhöhlen, und bei allergischen Schleimhautschwellungen kommen Medikamente wie Antibiotika, Antiallergika oder Kortison zum Einsatz – häufig sehr erfolgreich.
Therapien mit unterschiedlichem Erfolg
Ob Vitamine oder Wachstumshormone die Regeneration von abgestorbenen Riechzellen durch Stammzellen beschleunigen können, ist umstritten; ebenso der Erfolg von größeren operativen Eingriffen. Dabei werden zwar Veränderungen der Schleimhaut beseitigt, doch die anschließende Vernarbung des Gewebes blockiert häufig erneut den Zugang zur Riechschleimhaut.
Völlig erfolglos sind leider bis heute auch alle therapeutischen Ansätze, Riechzellschädigungen, die durch Viren verursacht wurden, zu heilen, wenn dabei die Stammzellen betroffen sind. Ähnliches gilt für Unfälle, bei denen das Siebbein des Schädelknochens betroffen ist und die kleinen Röhren des Siebbeins zerstört werden, die den Nervenfäden der Riechzellen den Zugang zum Gehirn ermöglichen.
Die häufigste Ursache von Geruchsblindheit ist jedoch das Alter, in dem nicht nur Sehen und Hören, sondern auch das Riechen nachlässt. Aber hier kommt endlich einmal eine gute Nachricht: Dieser Form des Riechverlusts kann man mit regelmäßigem Training nicht nur vorbeugen, sondern sie oft sogar wieder reduzieren. Und nicht nur das: Wer das Riechen übt, trainiert sein Gehirn gleich mit.
Ab etwa dem 60. Lebensjahr nimmt das Riechvermögen allmählich ab. Daher gilt es frühzeitig mit Riechübungen zu beginnen. Am besten, man nimmt sich täglich zwei- oder dreimal für wenige Minuten Zeit, gezielt an einigen duftenden Gegenständen zu riechen. Hierzu kann man verschiedene Obst- oder Gemüsesorten nehmen, Deos, Cremes oder Parfums ebenso wie unterschiedliche Säfte oder Weine.
Mit Riechübungen zu mehr Lebensqualität
Dabei ist es wichtig, die Gegenstände mit geschlossenen Augen zu identifizieren, sie zu benennen und Erinnerungen an den Duft und damit verbundene Emotionen zuzulassen und einzuordnen. Wissenschaftliche Untersuchungen an der Universitätsklinik in Dresden haben gezeigt, dass nach einem halben Jahr Training mehr als 30 Prozent der Menschen eine Verbesserung ihres Geruchssinns erreichten. Zusätzlich wurde die Abnahme des Riechvermögens im Alter um einige Jahre hinausgezögert.
Der wiedererlangte oder verbesserte Geruchssinn wirkte sich zudem positiv auf die Lebensqualität und die Stimmung der Menschen aus. Diese Studien zeigen aber auch, dass bei allen Menschen durch ein regelmäßiges, bewusstes Beschnuppern von duftenden Gegenständen die Fähigkeit verbessert wird, Gerüche wahrzunehmen und zu identifizieren.
Jeder Mensch hat biologisch gesehen eine Ausstattung von 350 verschiedenen Riechrezeptortypen und etwa 30 Millionen Riechzellen in der Nase. Ob jemand Düfte sehr gut riechen, identifizieren und unterscheiden kann, hängt vor allem davon ab, wie intensiv er das Riechen trainiert. Ein Parfümeur hat die gleiche Ausstattung wie wir alle, doch er übt täglich ein bis zwei Stunden »Riechen«. Dabei richtet er seine ganze Aufmerksamkeit auf den jeweiligen Duft. Das können wir Normalnasen auch. Und je früher wir damit beginnen, desto besser.
Schon unseren Kindern können wir gute Riechfähigkeiten mit auf den Weg geben. Wir sollten sie anleiten, an Blumen zu riechen, an den Lebensmitteln, bevor sie sie essen oder trinken, vielleicht auch mal bewusst am Mitmenschen zu schnuppern, wenn sie ihn umarmen. Oder sich beim Betreten eines Raums zuerst einmal »umzuriechen«, bevor sie sich umschauen.
Riechtraining als Gehirnjogging
Mit bewusstem Riechen kann man Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, Naturprodukte von synthetischen Imitaten zu unterscheiden, also zum Beispiel den Original-Mangoduft vom synthetischen, ebenso den frischen Orangensaft vom künstlichen oder den Duft der Vanilleschote vom bloßen Vanillinzucker. Dies erlaubt es Jugendlichen und Erwachsenen, regionale Produkte zu identifizieren und zu bevorzugen und Nachhaltigkeit zu stärken. Eigentlich sollte es in der Schule deshalb Riechstunden geben.
Ein zusätzlicher Effekt, den Wissenschaftler in ihren Untersuchungen beim Riechtraining gefunden haben, war der Einfluss auf das Gehirn. Wer während der Duftübungen die von den einzelnen Gerüchen hervorgerufenen Emotionen und Erinnerungen zulässt, aktiviert damit erhebliche Teile seines Gehirns. Man spricht heute in diesem Zusammenhang sogar von Gehirntraining oder Gehirnjogging.
Ähnlich positive Ergebnisse findet man bei Menschen mit reduziertem Geruchsvermögen (Hyposmie). Ihnen konnte ein sechsmonatiges Training helfen, das Riechvermögen zum großen Teil wiederherzustellen. Es wird vermutet, dass Riechzellen verstärkt nachwachsen und das Gehirn wieder in der Lage ist, die eingehenden Signale richtig zu verarbeiten. Auch hier kehrt ein großes Stück Lebensqualität zurück.
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