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Novelle des Tierschutzgesetzes: "Wir alle sollten uns für das Tierwohl einsetzen"

Wie viel Tierwohl darf ins Tierschutzgesetz? Einigen Politikern offenbar zu viel - die Abstimmung über die Novelle des Gesetzes ist verschoben worden. Der Wissenschaftsblogger Sören Schewe kommentiert.
Ferkel

Die Neuerungen im Tierschutzgesetz sind vom Tisch – und das im negativen Sinn. Eigentlich wollten Union und FDP die Novelle des Tierschutzgesetzes noch diese Woche verabschieden, dann hätte der Bundesrat das Gesetz am 14. Dezember absegnen können. Daraus wird in absehbarer Zeit nichts.

Ein Grund sei die Ferkelkastration gewesen meldeten verschiedene Medien. Schweinezüchter schneiden männlichen Ferkeln die Hoden ab, um den späteren, bei Verbrauchern unpopulären Ebergeruch des Fleisches zu vermeiden – dass dies bisher ohne Betäubung geschieht, hat immer wieder für Kritik gesorgt. Ursprünglich war das Verbot für 2017 angedacht, dann sollte die Frist sogar noch um zwei Jahre auf 2019 verlängert werden.

Dabei gibt es durchaus Alternativen, aus der betäubungslosen Kastration auszusteigen. So dürfen männliche Ferkel in der Schweiz seit 2010 nur nach Schmerzmittelgabe und Gasnarkose kastriert werden. Laut einer Untersuchung des Veterinärdienstes im Kanton Luzern funktioniert das zwar noch nicht optimal, doch liegt das eher an Management-Problemen bei Hygiene und Dosierung – sollte sich also als lösbar erweisen. Die rechtlichen Fragen sind schwieriger zu klären: Das Narkosemittel Isofluran dürfen in Deutschland nur Tierärzte anwenden. Die Schweiz löst dieses Problem durch eine Anwendungserlaubnis für Landwirte. Die zweite mögliche Variante ist die so genannte Eber-Impfung. Grob gesagt bleibt dabei alles am Schwein dran, allerdings unterdrücken zwei Impfungen die Hodenfunktion.

Dass solche Verbesserungen im Umgang mit den Tieren jetzt auf die lange Bank geschoben wurden, macht deutlich: Echte Innovationen, die weit über Tierschutz hinausgehen und wirklich das Tierwohl im Blick haben, entstehen nicht im Spannungsfeld eines Gesetzestextes. Sie entstehen dort, wo Landwirte, Agrarwissenschaftler und Tierärzte zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: In Großbritannien gibt es mit Freedom Foods ein eigenes Tierwohl-Label, etwas Ähnliches entsteht mit Beter Leven in den Niederlanden, ebenso das niederländische Rondeel für Legehennen und in Deutschland an der Universität Kassel wird an Beschäftigungsmaßnahmen für Schweine geforscht. Jüngst präsentierte auch der Deutsche Tierschutzbund ein eigenes Tierwohl-Siegel für Schweine und Geflügel. Und siehe da: Wer dieses Siegel auf seinen Produkten sehen möchte, darf seine Schweine nur mit Isofluran und Schmerzmitteln kastrieren. Oder eben gar nicht.

Allerdings geht trotz guter Ideen vieles nur schleppend voran. Das liegt auch an der Angst, dass solche Projekte schließlich auf dem Lebensmittelmarkt keine Abnehmer finden oder nur ein kaum relevantes Nischendasein fristen.

Das optimale Szenario wäre natürlich ein vollständiger Verzicht auf eine Kastration oder Impfung. Das sollte auch das langfristige Ziel wissenschaftlicher Forschung sein, die durchaus schon begonnen hat. Die Wege zum Ziel sind dabei vielfältig, sei es nun die Art der Fütterung, um die Menge geruchsstarker Stoffe in den Körpern zu minimieren oder die Tiere dahingehend zu züchten und zu selektieren.

Doch wäre es zu kurz gedacht, die Verantwortung nur an Wissenschaftler und Politiker abzugeben. Wir alle sollten klar Stellung für das Tierwohl beziehen – und zwar beim Einkauf. Wenn die Nachfrage stimmt, lassen sich dann auch weiter gehende Forderungen in der Tierhaltung stellen und umsetzen. Dann hätte sich der Streit um das Tierschutzgesetz zumindest teilweise erledigt.

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