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Freistetters Formelwelt: Wo fliegen sie denn?

Mathematiker und Astronomen versuchen seit Jahrhunderten die Bewegung der Himmelskörper in Formeln darzustellen. Das ist schwieriger, als es scheint - selbst wenn es nur um Position und Umlaufbahn geht.
Merkur, Venus, Mars und Erde im Sonnensystem

Im fünften Semester meines Astronomiestudiums musste ich ein Spezialgebiet wählen, auf das sich meine weitere Ausbildung konzentrieren würde. Ich habe mich für die Himmelsmechanik entschieden, also die Disziplin, die sich mit der Bewegung der Himmelskörper beschäftigt. Die mathematischen Grundlagen hat vor allem Isaac Newton im 17. Jahrhundert durch sein Gravitationsgesetz gelegt. Aber auch Johannes Kepler war maßgeblich beteiligt.

Mit den nach ihm benannten drei keplerschen Gesetzen war es das erste Mal möglich, die Bewegung der Himmelskörper nicht nur quantitativ zu verstehen, sondern auch exakter zu beschreiben als bisher. Kepler stand selbst kurz vor der Entdeckung des Gravitationsgesetzes, schaffte diesen letzten Schritt der Erkenntnis allerdings nicht. Dafür trägt heute eine andere Gleichung seinen Namen, die zwar nicht so berühmt wie die newtonsche Formel, für die Himmelsmechanik aber trotzdem unerlässlich ist:

M = E – e sin E

So lautet die "Kepler-Gleichung". Sie beschreibt, wie man die "mittlere Anomalie" M aus der "exzentrischen Anomalie" E und der Exzentrizität e der elliptischen Umlaufbahn eines Himmelskörpers berechnen kann. Zu den großen Leistungen von Kepler gehört ja die Lösung eines alten astronomischen Dogmas. Zuvor ging man davon aus, dass sich Himmelskörper auf kreisförmigen Bahnen bewegen. Die Gründe für diese Annahme waren hauptsächlich ästhetischer beziehungsweise religiöser Natur: Der Kreis wurde als "perfekte" Form angesehen und als einzig mögliche Grundlage der Bewegung in den perfekten, göttlichen Sphären des Himmels.

Kepler dagegen stellte fest, dass elliptische Umlaufbahnen die Beschreibung der Planetenbewegung viel besser und genauer machten. Um eine Ellipse im Raum eindeutig zu beschreiben, sind fünf Parameter notwendig: drei Winkel, welche die räumliche Orientierung der Ellipse angeben, die "große Halbachse", mit der die Ausdehnung der Ellipse definiert wird, und die Exzentrizität e, welche die Stärke der Abweichung der Ellipse von der Kreisform beschreibt (und auch in der Kepler-Gleichung vorkommt).

Die Himmelsmechanik beschäftigt sich vor allem mit der zeitlichen Veränderung dieser Bahnelemente, also der Frage, wie sich die Bahnellipsen der Himmelskörper im Lauf der Zeit unter ihren gegenseitigen gravitativen Störungen verändern. Dazu fehlt aber noch eine letzte Information: die Position des Planeten entlang der Umlaufbahn. Sie kann auf unterschiedliche Weise angegeben werden. Die "wahre Anomalie" entspricht dem Winkel, den die zwischen Sonne und Himmelskörper gezogene Linie mit der großen Halbachse einschließt. Während eines Umlaufs um den Zentralkörper durchläuft die wahre Anomalie alle Werte zwischen 0 und 360 Grad – allerdings nicht gleichförmig, da sich ein Planet umso schneller bewegt, je näher er der Sonne kommt. Um die mathematische Berechnung zu vereinfachen, verwendet man stattdessen in der Praxis oft die mittlere Anomalie M aus Keplers Gleichung. Sie beschreibt die Bewegung eines virtuellen Hilfskörpers, der sich gleichförmig auf einer die Bahnellipse umschließenden Kreisbahn bewegt. Berechnet wird sie mit Hilfe der exzentrischen Anomalie E: Hier projiziert man die Position des Planeten parallel zur kleinen Halbachse auf den Hilfskreis und bestimmt analog zur wahren Anomalie den entsprechenden Positionswinkel.

Die Verwendung der mittleren Anomalie hat viele Vorteile, die Kepler-Gleichung selbst ist allerdings nicht ohne Tücken. Will man zum Beispiel aus der mittleren Anomalie M die exzentrische Anomalie E berechnen, lässt sich die Gleichung trotz ihrer simplen Form nicht entsprechend umformen, und man muss sehr komplexe mathematische Methoden einsetzen, um eine Lösung zu finden. Die Bewegung der Himmelskörper lässt sich eben nicht so einfach in Formeln fassen!

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