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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte des Whisk(e)ys, der anfangs nicht aus Schottland kam

Ein Getränk, zwei Namen, viele Liebhaber. Die Rede ist von Whisky. Oder eben Whiskey. Doch woher kommt das »e«? Und was hat ein irischer Finanzbeamter damit zu tun?
Gesellige Whisk(e)yrunde. Bild um 1800.

Wer an Whisk(e)y denkt, denkt meist an Schottland. Tatsächlich wurde das Getränk aber erstmals auf irischem Boden produziert! Die früheste Erwähnung – als »aqua vitae«, Latein für Lebenswasser – geht ins Jahr 1405 zurück. Danach wird das Getränk in einer irischen Chronik 1494 erstmals mit seinem heutigen Namen erwähnt – mehr oder weniger jedenfalls. Auf Gälisch heißt es da »uisghe beatha«, sprich: »ishka baha«, was schon so ein bisschen nach Whisk(e)y klingt.

Irische Geistliche, die der Parfumeurskunst kundig waren, destillierten den Urwhisky. Schon im 12. Jahrhundert hatten sie die Technik im Mittelmeerraum kennen gelernt und mitgebracht. Auch sonst fanden alkoholische Essenzen und Tinkturen als Heil- und Genussmittel Verwendung. Wer heute einen solchen »Whisky« kosten würde, könnte meinen, tatsächlich zum Parfumflakon gegriffen zu haben, denn die Mönche ließen ihr Destillat noch nicht in Fässern altern, versetzten es aber mit Kräutern und Gewürzen. Es war also eher Hustensaft denn Torfbombe.

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Die beiden Hauptinhaltsstoffe von Whisk(e)y sind Wasser und diverse Getreidesorten, die gemälzt und mehrmals erhitzt werden, um so die Stärke in Zucker umzuwandeln. Die daraus entstandene Maische wird mit Hefe vergoren, dabei wird der Zucker dann zu Alkohol. Wird die Flüssigkeit anschließend mehrfach destilliert, erhöht sich der Alkoholgehalt auf etwa 50 bis 65 Volumenprozent. Der typische Whisk(e)ygeschmack entsteht erst durch die langjährige Lagerung in Holzfässern.

Die Lizenz zum Brennen

Das gemeine Volk schaute sich den Trick bald von seinen geistlichen Herren ab. Die Whiskyproduktion wuchs und gedieh. Die erste offizielle Lizenz zum Brennen vergab König Jakob I. 1608 an die Bushmills Distillery in Irland. Danach ließ der Fiskus nicht lange auf sich warten und besteuerte die Herstellung. Erstmals 1661 erhob das Königshaus eine Steuer auf die Whiskyproduktion in Irland, Schottland und England.

Was folgte, sind 150 Jahre gut gefüllt mit Verordnungen, die das Wachstum der Destillierien stark bremsten. Erst Steuererleichterungen 1823 leiteten eine Trendwende ein. Hatten im Jahr 1821 nur 32 lizenzierte Brennereien in Irland existiert, waren es knapp 20 Jahre später bereits 93.

Das goldene Zeitalter der irischen Produktion war der Dublin Whiskey Peak. Im 19. Jahrhundert standen die produktionsstärksten Destillierien nämlich in Dublin. Sie arbeiteten mit einer Technik, die als »pure pot still« bekannt war: Dafür verwendete man Kupferkessel, in denen der »Spirit« immer wieder von Ölen, Geruchs- und Geschmacksstoffen gereinigt wurde.

Doch dann änderte sich alles. Ein neues Destillierverfahren verschob den Whiskymarkt gen Schottland. Den Anstoß gab ausgerechnet ein Finanzbeamter, der eigentlich die Steuerabgaben der Destillerien beaufsichtigen sollte: Aeneas Coffey (1780–1852). Bei seiner Arbeit hatte der Ire offenbar einiges an Knowhow gesammelt. Seit 1824 widmete er sich jedenfalls vorwiegend seinen Erfindungen und perfektionierte den Prozess des kontinuierlichen Destillierens. 1831 reichte er das Patent für seinen »Coffey Still« ein.

Das Verfahren funktioniert so: Durch ständiges Zugeben der Maische konnte nun Whisk(e)y gebrannt werden, ohne dass die Kessel zwischendrin gereinigt werden mussten. Der Brennvorgang verlief damit schneller, billiger und ergab am Ende ein hochprozentigeres Destillat! Holten die Brenner somit noch mehr aus dem irischen Whiskey raus? Soll heißen: Klingelten die Kassen der Destillierien? Seltsamerweise war das Interesse am »Coffey Still« in Irland nicht besonders groß.

Wie die Whiskymacher Widersacher wurden

Hinzu kam, dass Alkoholismus in Irland zu einem massiven sozialen und volkswirtschaftlichen Problem geworden war. Dem stellte sich Pater Theobald Mathew (1790–1856) entgegen, er gründete die Bewegung »Cork Total Abstinence Society«. Und die zeigte Wirkung: 20 Destillerien mussten schließen. Zwischen 1845 und 1849 wurde Irland zudem von einer der schwersten Tragödien seiner Geschichte heimgesucht. The Great Famine, eine Hungersnot unvorstellbaren Ausmaßes brach aus. Eine Million Menschen starben, eine Million sah sich zur Auswanderung gezwungen.

Whisky-Werbung | Ein historisches Plakat, das für die Whisky-Marke Johnnie Walker wirbt.

Der Erfolg für Aeneas Coffey in Irland blieb aber auch aus anderen Gründen aus, obwohl er viel Überzeugungsarbeit leistete. Die so genannten »Big Four«, die größten Destillerien Dublins, waren davon überzeugt, dass durch das neue Verfahren ein schlechterer Whisky entstünde. Coffey ging also nach Schottland, wo seine Erfindung auf viel Gegenliebe stieß. Heute ist Schottland vor allem für seine Single Malts bekannt, doch das war nicht immer so: Bis ins 20. Jahrhundert war das schottische Hauptexportprodukt Blended Whisky, also ein aus den Produkten verschiedener Destillerien gemischtes Produkt.

Von dieser Entwicklung sahen sich die irischen Brennereien allmählich in ihrer Existenz bedroht. Sie veröffentlichten diffamierende Pamphlete und priesen zugleich die unbestechliche Reinheit ihres einheimischen Whiskys. Im 20. Jahrhundert fügten die Brennereien sogar ein »e« in Whisk(e)y ein, um sich vom schottischen Produkt abzusetzen. Doch es nutzte den irischen Produzenten nicht viel. Die wirtschaftlichen Vorteile verhalfen Coffeys Erfindung im Exil zum Durchbruch. Der Rest ist sozusagen Geschichte – und die ist niemals monokausal. Denn der Irische Unabhängigkeitskrieg (1919–1921) und die amerikanische Prohibition (1920–1933) befeuerten den Einbruch der wichtigsten irischen Absatzmärkte.

Die Macht des Marketings

Wer heute eine Flasche schottischen Whisky kauft, kauft ein Image. Und dieses Image wurde im 20. Jahrhundert bewusst aufgebaut. Es sollte eine Sehnsucht nach unberührter Natur, ursprünglichen Menschen und Verbundenheit mit der einzigartigen Landschaft Schottlands vermitteln. John Walker (1805–1857), Begründer der Johnnie-Walker-Whisky-Dynastie, erkannte die Macht der Werbung früh und trug zum schottischen Siegeszug bei.

Doch der irische Whiskey kam zurück. Seit den 1980er Jahren hinterlässt er wieder Spuren in der Populärkultur. Dank erhöhter Werbeetats. Bestes Beispiel ist die Marke Jameson, die durch kreative Werbespots und Anzeigen zur mittlerweile bekanntesten irischen Whiskeymarke weltweit wurde.

Das bernsteinfarbene Lebenswasser erlebt zudem seit einiger Zeit einen Imagewandel und neue Höhenflüge. Alte Häuser wie Kilbeggan in Irland öffnen wieder ihre Tore, junge Menschen interessieren sich neben Craft Beer zunehmend für das Getränk, das auch als Anlageform gehandelt wird. Mittlerweile gibt es 25 irische Brennereien. Schottland mit seinen mehr als 120 Destillerien haben die Iren zwar noch nicht eingeholt, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Sláinte!

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