Zuckerbergs Milliarden-Spende: Meinung: Reichtum heilt Armut nicht
Drei Milliarden Dollar werden Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Frau, die Kinderärztin Priscilla Chan, in den nächsten zehn Jahren in die medizinische Grundlagenforschung investieren. Das Ziel sei, erklärten die beiden Philanthropen gestern auf einer Pressekonferenz, bis zum Ende des Jahrhunderts alle Krankheiten "zu heilen, zu verhindern oder zu managen" – so ihre Worte. Sie werden scheitern, denn ihr Ansatz verkennt eine einfache Wahrheit: Die meisten Krankheiten sind kein rein medizinisches Problem.
Zweifellos wird die Finanzspritze der Chan-Zuckerberg-Initiative die Grundlagenforschung weit voranbringen und Millionen, vermutlich hunderten Millionen Menschen helfen. Ein anderer Digital-Milliardär, Microsoft-Mitgründer Bill Gates, hat es vorgemacht: Allein die von seiner Stiftung zu drei Vierteln finanzierte Organisation GAVI hat inzwischen nahezu eine halbe Milliarde Kinder gegen lebensbedrohliche Krankheiten geimpft. Das Geld der reichsten Menschen bewegt viel, besonders in den ärmsten Regionen der Welt.
Zusätzlich sind Gates & Co Vorbilder für andere, besonders in der Tech-Szene: Microsoft und Google sind nur zwei Unternehmen, die in den letzten Jahren eigene medizinische Initiativen angestoßen haben. Andere, besonders aus der Pharmabranche, engagieren sich in Programmen der Weltgesundheitsorganisation. Wenn Unternehmen Gutes tun, ist natürlich zum Teil Eigennutz im Spiel – aber eben nicht nur.
Exportierte Krankheiten
Doch während mit dem Geld der Tech-Unternehmen in den Laboren der Industrieländer Krebs geheilt wird, sterben in Agbogbloshie, einem Stadtteil von Accra, Ghana, weiterhin Menschen langsam an Blei, Kadmium und Dioxinen, die sie aufnehmen, weil auf der dortigen Mülldeponie mit einfachsten Mitteln Kupfer und andere Metalle aus Elektronikschrott gewonnen werden. Ein beträchtlicher Teil der alten Computer, die in Westeuropa anfallen, gelangt nach Ghana.
Man könnte auch Hazaribagh in Bangladesch nennen, wo Chrom aus der Ledergerbung die Umwelt vergiftet, oder die weit verbreitete Goldgewinnung mit Quecksilber, die den indonesischen Teil Borneos zu einer der verschmutztesten Gegenden der Welt gemacht hat. Für 200 Millionen Menschen in den am wenigsten entwickelten Ländern ist extreme Umweltverschmutzung die höchste Gesundheitsgefahr. Die Diagnose ist immer die gleiche: Medizin allein wird die Betroffenen nicht gesund machen.
Auch die Infektionskrankheiten der Tropen, im Prinzip der klassische Anwendungsfall für die Spendengelder der Superreichen, sind nicht allein ein medizinisches Problem. Deswegen fließen beträchtliche Mittel eben nicht nur in die Heilung von HIV, Malaria oder Schistosomiasis, sondern auch in immer neue Initiativen, die Medikamente und andere Hilfsmittel zu jenen zu bringen, die keinen Zugang zu guter Gesundheitsvorsorge haben. Nicht umsonst fasst man einige der schlimmsten Seuchen der Welt unter dem Begriff "Armutskrankheiten" zusammen.
Teil der Lösung – Teil des Problems?
Menschen wie Zuckerberg, Chan und Gates wissen das natürlich – ihre milliardenschweren Stiftungen finanzieren nicht nur Forschung. Zu ihren Zielen gehören auch Bildung, Entwicklung, Gleichheit und Gerechtigkeit. All diese Dinge, die Menschen jenseits von medizinischen Interventionen auf breiter Front gesünder machen.
Doch dieser Teilaspekt ist auch der Grund, weshalb Chan und Zuckerberg ihr ambitioniertes Ziel nicht erreichen werden. Diese Form der globalen Philanthropie, so viel Positives sie auch in einzelnen Bereichen bewirken mag, wird Krankheit und Leid nicht besiegen – denn sie selbst geht aus jener extremen Ungleichheit hervor, die Menschen weltweit krank macht. Man kann, um es auf den Punkt zu bringen, die tödliche Wirkung millionenfacher Armut nicht dadurch bekämpfen, dass einzelne Menschen unfassbar reich werden.
Kein Forschungszentrum der Welt wird Krebs besiegen, solange Menschen Dioxine aus brennendem Elektroschrott einatmen oder Chromat im Trinkwasser haben. Vor diesem Hintergrund ist das erklärte Ziel von Chans und Zuckerbergs Initiative, bis zum Jahr 2100 alle Krankheiten unter Kontrolle zu bringen, mit den gewählten Mitteln gar nicht erreichbar: Wie krank oder gesund die Menschheit am Ende des Jahrhunderts sein wird, entscheidet sich letztendlich nicht in biomedizinischen Labors.
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