Futur III: Die gute und die schlechte Nachricht
Frank Broadwell schaute hinaus auf den bewölkten Himmel, als »Marine One« zur Landung auf der Insel Mazzorbo ansetzte, direkt neben der Kirche Santa Caterina. Ben Tyler, der zu seinem Stab gehörte, beugte sich vor. »Mr. President, was tun wir hier draußen? Ich hätte erwartet, dass uns der Papst in Rom empfängt, im Vatikan, im Petersdom oder so.«
Broadwell seufzte. Ihn beschäftigten wichtigere Probleme. »Schon gut, Ben. Seine Heiligkeit meidet öffentliches Aufsehen. Er steht ungern im Rampenlicht.«
Bens Handy meldete sich. Er lauschte ein paar Sekunden, nickte und lächelte. »Gute Nachrichten, Sir. MacIntyre gibt eine Pressekonferenz. Ihm ist wohl ein entscheidender Durchbruch gelungen.« »Wer ist MacIntyre, Ben?« »Der geniale Genetiker, er betreibt wichtige medizinische Forschungen. Das ist sicher eine gute Nachricht.« »Schön. So etwas können wir wirklich brauchen.« Die globale Krise dauerte nun schon geschlagene sechs Monate: der Nahostkonflikt, in dem es um Landraub ging, die Handelskriege mit China und Indien und nicht zu vergessen die akuten Klimaprobleme. Da war Broadwell bereit, jede positive Meldung aufzugreifen, die er kriegen konnte.
Papst Leo XIV. saß hinter einem Schreibtisch. Er war der zweite Papst englischer Herkunft in der gesamten Kirchengeschichte, nach Hadrian IV. im Mittelalter. Auf den ersten Blick sah er unscheinbar aus, mittelgroß und fast kahl, doch kräftige Gesichtszüge und Augen mit durchdringendem Laserblick ließen keinen Zweifel daran, wer hier das Sagen hatte. »Guten Abend, Eure Heiligkeit«, sagte der Präsident.
Der Geistliche erhob sich und lächelte. »Mr. President, willkommen in Santa Caterina.«
Beide Männer signalisierten ihren Leibwächtern, sich zu entfernen. Der Präsident schloss die Tür hinter ihnen und wandte sich dem Papst zu. »Barry«, sagte er, »es tut gut, dich wiederzusehen.« »Ganz meinerseits, Frank. Ich wünschte, wir träfen uns unter glücklicheren Umständen. Bitte setz dich. Möchtest du etwas trinken?« »Nein, danke.« Broadwell zog sein Jackett aus. »Barry, uns läuft die Zeit davon. Das Klima explodiert, die Polkappen schmelzen immer schneller, und jedes Jahr verlieren wir zwei Prozent unseres Artenreichtums. Wenn wir so weitermachen, werden wir am Ende des Jahrhunderts allein auf diesem Planeten sein.« »Das weiß ich, Frank. Die Kirche hat sich immer laut und deutlich für erneuerbare Energien ausgesprochen.« »Barry, wir verwandeln die letzten Naturschutzgebiete in Agrarflächen, und wir fischen die Ozeane leer. Eine wachsende Bevölkerung braucht mehr Nahrung, aber das bebaubare Land geht zu Ende. Es wird immer schwerer, sauberes Wasser zu bekommen. Große Waldgebiete werden gerodet und verbrannt. Das bläst noch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre. Die Weltbevölkerung beträgt inzwischen schon elf Milliarden und wächst weiter. Wenn wir sie nicht stabilisieren, brauchen wir uns um gar nichts mehr Sorgen zu machen, dann ist es nämlich zu Ende mit der Menschheit. Die Kirche muss jetzt endlich ihre Haltung zur Empfängnisverhütung ändern.«
Barry sah bedrückt aus dem Fenster und starrte den abnehmenden Mond an. »Glaubst du denn wirklich, ich weiß das nicht?«, fragte er.
»Wir brauchen deine Hilfe.« »Die menschliche Fortpflanzung ist ein Geschenk Gottes, Frank. Diese Lehrmeinung der Kirche geht bis auf Augustinus zurück. Jede künstliche Methode, die verhindert, dass ein Kind zur Welt kommt, ist ein schweres Vergehen gegen die Intentionen des Schöpfers.« »Du meinst, es wäre Gott lieber, dass wir den Planeten einfach vor die Hunde gehen lassen?« »Du lässt mich nicht ausreden, Frank. Ich habe nicht gesagt, dass das meine Meinung ist. Aber es ist die Position der Kirche. Und zwar seit 1700 Jahren.« »Ich habe mich informiert. Papst Johannes XXIII. hat ein Konzil eingesetzt, um das Verbot der Verhütung zu überprüfen. Wenn er weitergelebt hätte …« »Ich weiß.« Barry nahm einen tiefen Atemzug. »Nach seinem Tod gab Paul VI. die Enzyklika 'Humanae Vitae' heraus, und damit war die Debatte zu Ende.« »Wir brauchen dich. Du musst das Wort ergreifen.« »Das ist nicht so einfach, Frank. Ich habe hinter den Kulissen agiert und getan, was ich konnte. Ich stoße auf großen Widerstand. Es wird schwer, in dieser Sache einen Umschwung herbeizuführen. Aber ich stelle ein Konzil zusammen, das sich mit dem Thema befassen soll. Zum Glück haben wir günstige Mehrheitsverhältnisse. Wir werden trotzdem auf dasselbe Problem stoßen wie Johannes: Der rechte Flügel wird tun, was er kann, um jede Veränderung zu blockieren. Aber diesmal wird es funktionieren. Ich werde dafür sorgen.« »Wenn ich irgendetwas tun kann, um zu helfen, lass es mich wissen.« »Wie gern möchte ich dein Angebot annehmen, Frank. Aber jede Initiative deinerseits würde als Einmischung aufgefasst werden und alles nur noch schwieriger machen. Vertrau mir in dieser Sache. Ich kümmere mich darum.«Leichter Regen fiel, als Broadwell zum Hubschrauber zurückkehrte. Ein Leibwächter hielt ihm die Tür auf. Broadwell kletterte hinein und sah, wie ein fröhliches Lächeln Bens Gesicht aufhellte. »Alles okay, Mr. President?« »Ja. Es könnte nicht besser gelaufen sein.« »Freut mich, das zu hören, Sir.«
Die Leibwächter stiegen zu, schlossen die Tür und gaben den Start frei. Die Pilotin warf die Maschine an.
»Ben, haben wir mehr über MacIntyre erfahren? Den Genforscher?« »Ja, Sir. Wie wir vermuteten: eine gute Nachricht.« »Das höre ich gern.« Sie hoben ab. Der Regen wurde heftiger. »Ein Heilmittel gegen Krebs?« »Noch besser, Mr. President. Sie behaupten, sie haben das Altern besiegt.«
»Was?« »Sie verkünden, sie haben herausbekommen, wie man etwas verlängert. Telomere sagten sie, glaube ich. Jedenfalls sagen sie, sie haben den Alterungsprozess vollständig gestoppt.« Er runzelte die Stirn. »Mr. President, geht es Ihnen gut?«
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