Faktencheck: Energiewende
15. Energiewende – was kostet sie wirklich? Einführung
Bedeutung der Kosten
Dieser dritte Teil des Buches ist den volkswirtschaftlichen Kosten der Energiewende gewidmet. Wir haben einige wichtige konzeptionelle Aspekte in diesem Zusammenhang bereits im zweiten Teil beim Status der Rahmenbedingung Wirtschaftlichkeit/ Kosteneffizienz (Kap. 12, Abschn. »Rahmenbedingung 2: Wirtschaftlichkeit/Kosteneffizienz«) besprochen. Es wird hilfreich sein, diese Überlegungen hier noch einmal kurz zusammenzufassen:
- Die Frage der Kosten ist für die Energiewende zweifellos von zentraler Bedeutung, und das aus zweierlei Gründen:
- Zum einen sind die Kosten ein Thema, an dem der gesellschaftliche Konsens zur Energiewende zerbrechen, d. h. an dem die Energiewende im Ganzen scheitern könnte.
- Zum anderen hängt vor allem von der Kostenfrage die internationale Reputation der Energiewende ab – und damit die Chancen, dass sie – zumindest in Teilen – Nachahmer findet und so erst wirklich relevante Wirkungen für die Klimaproblematik entfaltet.
- Beim Thema »Kosten der Energiewende« muss man unterscheiden zwischen den Kosten, die auf volkswirtschaftlicher Ebene durch die Energiewende entstehen, und der Verteilung dieser Kosten innerhalb der Volkswirtschaft, also den Mechanismen, mit deren Hilfe diese Kosten von einzelnen Akteuren der Volkswirtschaft bezahlt werden.
Letzteres ist naheliegenderweise für die Akzeptanz der Energiewende, also für den gesellschaftlichen Konsens von großer Bedeutung, ist aber eigentlich keine energiepolitische Frage. Ersteres ist wesentlich für eine neutrale Sicht und insbesondere auch für den oben genannten internationalen Blick auf die Energiewende.
Drei Phasen
Für diesen dritten Teil werden wir das Gesamtprojekt Energiewende in drei Phasen unterteilen:
- Die erste Phase vom Beginn des systematischen Ausbaus der EE durch das EEG (und dem ersten Ausstiegsbeschluss bezüglich der Kernkraftwerke) bis zur grundlegenden Reform des EEG im Jahr 2014, d. h. die Phase 2000–2014;
- die zweite Phase 2015–2030;
- die dritte Phase 2030–2050.
Diese Phasen machen planmäßig jeweils einen Ausbau der EE von ca. 130–140 TWh aus. Damit markieren sie jeweils ca. ein Drittel des insgesamt in dieser Zeitspanne geplanten Ausbaus der EE von ca. 400 TWh – von ca. 30 TWh EE-Stromproduktion im Jahr 1999 auf ca. 430 TWh geplante EE-Stromproduktion im Jahr 2050 (Szenario 2011 A).
Die Kosten der ersten Phase stehen weitgehend fest, lassen sich also recht verlässlich beurteilen. Die Kosten der zweiten Phase können immerhin abgeschätzt werden (auf der Basis heutiger Verhältnisse) und lassen damit wichtige qualitative Aussagen zu. Über die Kosten der dritten Phase kann man demgegenüber heute nur spekulieren – so wie man über den Zustand und die Verhältnisse innerhalb der deutschen Volkswirtschaft im Jahr 2030 oder danach nur spekulieren kann.
Zur Methodik
Zur besseren Einordnung dieses Teils des Buches noch einige Vorbemerkungen zur Methodik:
- Es geht uns hier nicht um eine komplette Analyse bzw. Darstellung aller volkswirtschaftlichen Effekte der Energiewende – wir beschränken uns auf die unmittelbaren Kosten bzw. die unmittelbaren Finanzströme, die durch den Ausbau der EE in Deutschland entstehen. Effekte auf das Steueraufkommen, auf die Beschäftigung in Deutschland (und damit gegebenenfalls auf die Sozialsysteme) etc. bleiben unberücksichtigt.
- Ebenso unberücksichtigt bleiben die Kosten aus der Abwicklung der Kernenergie (Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke, Endlagerung der radioaktiven Abfälle) – und zwar aus der Überlegung heraus, dass diese Kosten ja ohnehin (d. h. auch bei anderen energiepolitischen Grundentscheidungen) entstehen würden und insofern der Energiewende nicht zugerechnet werden können.
- Die Zahlen bzgl. der ersten Phase sind ohne die Effekte aus den Ende 2014 bereits existierenden Wind(off)-Anlagen (ca. 1 GW) zu verstehen, da dies aus einer Reihe von Gründen konzeptionell sinnvoll – Wind(off) spielt in dieser ersten Phase nur eine sehr untergeordnete Rolle – und methodisch deutlich einfacher ist.
- Wir verwenden ausschließlich öffentlich zugängliche und damit für jeden nachvollziehbare Daten.
- Wie im gesamten Buch werden wir Zahlen großzügig runden, um den Leser nicht mit zu vielen Details zu belasten und die wesentlichen Strukturen möglichst deutlich hervortreten zu lassen; daher sind alle Daten mit einer Genauigkeit von ca. ±5 % zu verstehen.
Warnung an den Leser
Dieser Teil des Buches ist recht »zahlenlastig« und relativ komprimiert geschrieben. Für den Leser, der primär an qualitativen, konzeptionellen Aspekten interessiert ist, dürfte es ausreichen, sich auf die Lektüre von Kapitel 19 zu beschränken: Dort fassen wir die wesentlichen Ergebnisse und Aussagen dieses dritten Teils noch einmal zusammen.
Hintergrund: Mechanismus des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
Die wichtigste Grundlage für die folgenden Analysen sind die Finanzströme, die durch das EEG gesetzlich definiert und reguliert werden. Daher wollen wir kurz die wesentlichen Mechanismen des EEG vereinfacht darstellen.
EE-Anlagen – insbesondere PV-Anlagen, Windkraftanlagen (onshore und offshore) und Biomasseanlagen – waren und sind auf absehbare Zeit nicht wirtschaftlich in dem Sinne, dass der Marktwert des Stroms aus diesen Anlagen bei Weitem nicht ausreicht, um die Kapitalkosten (= Abschreibung auf die Investitionskosten, Fremdkapitalzinsen und Eigenkapitalverzinsung) zu decken.
Diese EE-Anlagen wurden und werden daher in aller Regel nur gebaut, wenn die Investoren Fördermittel erhalten. Das EEG garantiert diese Fördermittel in der Weise, dass jede EE-Anlage 20 Jahre lang für jede in der Anlage produzierte Kilowattstunde Strom einen festen, in diesem Zeitraum nicht veränderlichen (also z. B. nicht mit der Inflation dynamisierten) Betrag in Cent pro Kilowattstunde erhält.
Beispiel:
Wenn jemand heute eine Windkraftanlage von 3 MW baut und Ende 2016 in Betrieb nimmt, dann erhält er (vereinfacht dargestellt) 20 Jahre lang eine feste Vergütung von ca. 7,5 Cent für jede von der Anlage produzierte Kilowattstunde. Wenn diese Anlage also im Jahr durchschnittlich 5 GWh Strom produziert, erhält der Investor 20 Jahre lang jedes Jahr ca. 375 000 €, von 2017 bis 2036 also insgesamt ca. 7,5 Mio.€.
Obwohl es sich um gesetzlich festgelegte (Förder-)Zahlungen, – d. h. um »Subventionen« – handelt, kommt dieses Geld nicht von einer staatlichen Stelle, sondern laut EEG von den Netzbetreibern – letztlich von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), die den sogenannten »EEG-Topf« verwalten. Sie nehmen den Strom von den Anlagen ab und zahlen dafür die oben genannten Fördermittel aus. Auf diese Weise werden aus dem »EEG-Topf« des Jahres 2016 (mit einem Volumen von ca. 28 Mrd.€) sowohl EE-Anlagen bezahlt/gefördert, die zum Beispiel im Jahr 2005 gebaut wurden (im elften Förderjahr von 20 Jahren insgesamt), aber auch EE Anlagen, die 2015 gebaut wurden (im ersten von 20 Förderjahren).
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