Faszination Mathematik: Mathematik ist schön
Vorwort
Nicht jeder denkt, wenn von Mathematik die Rede ist, unbedingt an etwas, an dem man sich erfreuen kann. Dabei hat die Mathematik viele spannende und durchaus auch ästhetisch ansprechende Aspekte zu bieten. In diesem Buch versuche ich einige dieser schönen Seiten der Mathematik aufzuzeigen.
Während meiner Tätigkeit als Mathematiklehrer habe ich mich immer wieder bemüht, für eine gewisse Auflockerung des Unterrichts zu sorgen. Denn auch beim spannendsten Mathematikunterricht lassen sich mühsame und trockene Phasen leider nicht vermeiden.
Für eine solche Auflockerung und Bereicherung eignen sich Fragestellungen, die man als »mathematische Spiele« bezeichnen könnte, oder auch »Knobelaufgaben«, deren Lösungswege zu verblüffenden Einsichten führen.
So können beispielsweise nach der Behandlung der Winkelsätze in der Elementargeometrie regelmäßige Sternfiguren untersucht (Kap. 1) oder regelmäßige Vielecke mithilfe von Rauten ausgelegt werden (Kap. 10). Das Auffinden des größten gemeinsamen Teilers zweier Zahlen ist unterhaltsamer, wenn man dies als Auslegen eines Rechtecks interpretiert (Kap. 3). Kopfrechnen ist nicht jedermanns Sache, aber erstaunlicherweise kann man mit nur wenigen Rechentricks interessante Strukturen in der Welt der Zahlen entdecken (Kap. 7). Quadratische Gleichungen und lineare Gleichungssysteme zu lösen, ist in der Regel nicht sehr spannend – es sei denn, man nutzt diese Verfahren, um wunderbare Figuren mit sich gegenseitig berührenden Kreisen (»Kissing Circles«) zu erforschen (Kap. 15) und sich mit der Frage der Parkettierung von Rechtecken durch lauter verschieden große Quadrate zu beschäftigen (Kap. 14). Zusätzlich zu den »Kissing Circles« werden in der 2. Auflage Probleme aus der japanischen Tempelgeometrie (Sangaku) untersucht.
Etliche der im Buch angesprochenen Themen richten sich an jüngere Schülerinnen und Schüler. Erfahrungsgemäß üben Fadenbilder (Kap. 6) eine große Faszination aus – auch wenn die theoretischen Hintergründe erst am Ende der Schulzeit oder sogar erst danach vermittelt werden können. Das Spielen mit Pentomino-Steinen (Kap. 5) regt zu strategisch-logischer Vorgehensweise an. Und dass sich hinter dem Wiegen mit einem festen, sehr eingeschränkten Satz von Gewichten (Kap. 9) das Rechnen im Dreiersystem verbirgt, können auch schon pfiffige 10-Jährige verstehen.
Bereits in den ersten Schuljahren lernen Kinder Flächeninhalte einfacher geometrischer Figuren zu bestimmen; umso größer ist dann das Erstaunen, dass es auch ganz anders geht: Auf einem Koordinatensteckbrett braucht man nur die Gitterpunkte auf dem Rand und im Innern zu zählen (Kap. 11)
Als Einstieg in das Thema sind jetzt in der 2. Auflage Untersuchungen von Rechtecken und anderen einfachen Figuren auf kariertem Papier ergänzt worden. Sich mit schöner Mathematik zu beschäftigen, kann aber auch bedeuten, dass man sich farbige Muster anschaut oder eigene Muster entwirft. Muster aus bunten Steinen (Kap. 2) untersuchte man schon vor 2500 Jahren. Beim Färben von Kreisringen (Kap. 4) und gleich großen Teilflächen regelmäßiger Vielecke (Flächenaufteilungen, Kap. 8) kann man die eigene Fantasie entfalten und vielleicht sogar neue Muster entdecken.
Am Ende des Buches stehen zwei umfangreichere Kapitel über die Herleitung von Potenzsummenformeln (Kap. 16) und zum Satz des Pythagoras (Kap. 17). Sie machen deutlich, wie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neue Ideen zu einem Thema entwickelt wurden.
Für weitere Themen war leider kein Platz mehr in diesem Buch. Mir ist bewusst, dass eine Auswahl auch anders hätte aussehen können. (Wer beispielsweise den „Goldenen Schnitt“ vermisst: Zumindest ein bisschen davon findet sich in Kap. 3 und in Kap. 13).
In der Zwischenzeit sind weitere Bücher mit »schönen« Inhalten erschienen: »Mathematik ist wunderschön« (ISBN 978-3-662-55831-7) und »Mathematik ist wunderwunderschön« (ISBN 978-3-662-58100-1).
Die Kapitel sind durchweg unabhängig voneinander lesbar. Für den Einstieg in die einzelnen Themen wurde ein möglichst einfacher Zugang gewählt; dafür werden keine oder nur geringe Voraussetzungen aus dem Schulunterricht benötigt.
Es ist ein wichtiges Anliegen des Buches, dass viele junge Menschen den Weg zur Mathematik finden und zugleich jene Leser, deren Schulzeit schon einige Zeit zurückliegt, sich wieder erinnern und Neues entdecken. Hierbei sollen die zahlreichen Hinweise auf weitere Informationsmöglichkeiten im Internet sowie auf weiterführende Literatur helfen. Die »Lösungen« zu den in den einzelnen Abschnitten eingestreuten »Anregungen zum Nachdenken und für eigene Untersuchungen« werden auf der Internetseite des Verlags veröffentlicht:
http://www.springer.com/de/book/9783662590591
Das Buch wurde für alle geschrieben, die Freude an der Mathematik haben oder verstehen möchten, warum das Buch diesen (für manchen vielleicht provokanten) Titel trägt. Es richtet sich auch an Lehrkräfte, die ihren Schülerinnen und Schülern zusätzliche oder neue Lernmotivation geben wollen.
Auch wenn in jedem Kapitel Sätze, Regeln und Formeln grafisch besonders hervorgehoben sind, sich also die typischen Elemente eines Mathematikbuches wiederfinden, ist dies kein Lehrbuch der Mathematik. Beweise von Sätzen erfolgen in den meisten Fällen nur beispielgebunden – die zugrunde liegenden Ideen zu vermitteln war mir stets wichtiger, als die formalen Schlüsse aufzuzeigen.
Die Fülle an Grafiken in diesem Buch soll dazu anregen, eigene Ideen zu den dargestellten Objekten zu entwickeln:
Unter diesem Motto standen und stehen auch die von mir erstellten immerwährenden Kalender im DIN A3-Format, die ich seit einigen Jahren zugunsten von »Friedensdorf International« in Oberhausen verkaufe (www.mathematik-ist-schoen.de).
Dass die meisten Grafiken mithilfe der Programmiersprache LOGO erstellt wurden, mag auf Kritik stoßen, da die mit dieser Software erreichbare grafische Auflösung sicherlich nicht optimal ist. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren neben der Lizenzfrage meine eigenen positiven Unterrichtserfahrungen mit dem Konzept einer Programmiersprache, die ihr Erfinder Seymour Papert (»Mindstorms«) sogar für die Grundschule geeignet hielt.
In den letzten Jahren hatte ich das Vergnügen, mich in jedem Monat neu mit einer Mathematikerin oder einem Mathematiker beschäftigen zu dürfen, um dann durch ein Kalenderblatt an diese(n) zu erinnern (www.spektrum.de/mathematik/monatskalender/: »Der Mathematische Monatskalender«). Wenn man sich mit den Erkenntnissen und Ideen längst verstorbener Gelehrter auseinandersetzt, kommt man oft aus dem Staunen nicht heraus. Ich hoffe, dass es mir in diesem Buch auch gelungen ist, eine Reihe dieser wunderbaren, leider oft in Vergessenheit geratenen Einsichten wieder ins Bewusstsein zu rücken. Hierzu gehören insbesondere auch die Entdeckungen der Mathematiker des islamischen Kulturkreises. Während meiner Übersetzungsarbeit an Len Berggrens »Episodes in the Mathematics of Medieval Islam« (Mathematik im islamischen Mittelalter, Springer 2011) hat sich auch für mich eine bis dahin unbekannte Welt geöffnet.
Ich habe mich bemüht, durch die Literaturhinweise in jedem Kapitel und am Ende des Buches genügend Anregungen für eine weitere Beschäftigung mit den angesprochenen Themen zu geben. Erfreulicherweise hat die Qualität der deutschen Wikipedia-Beiträge (und der darin enthaltenen Literaturhinweise) in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Manchmal werden sie von der englisch- bzw. französischsprachigen Version noch übertroffen; daher sind auch diese Quellen genannt. Im Einzelnen ist es mir nicht mehr möglich anzugeben, durch welche Veröffentlichungen ich selbst welche Anregungen erhalten habe. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich eine große Zahl von Büchern durchgearbeitet, deren Titel mit den Vokabeln
beginnen. Meistens habe ich sie unter dem Gesichtspunkt durchgesehen, ob sie Anregungen für den »normalen« Unterricht, für Arbeitsgemeinschaften oder für Wettbewerbsaufgaben enthielten.
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