Faszinierende Physik: Atome und Quantenmechanik
Was ist die Wellenfunktion und was die Unschärferelation? Was ist das Quantenvakuum und wie verhalten sich Supraflüssigkeiten? Und werden wir bald Quantencomputer verwenden? Diese und andere Fragen lassen sich mithilfe der Quantenmechanik behandeln und teilweise auch beantworten.
Die Quantenmechanik verblüfft uns bis heute mit ihren vielen rätselhaften Facetten. Da verhalten sich Teilchen wie Wellen und Wellen wie Teilchen, da nehmen Elektronen scheinbar mehrere Wege auf einmal, und das Vakuum ist nicht mehr leer. Teilchen überwinden Barrieren, obwohl sie eigentlich nicht genügend Energie dafür haben, und der Zufall entpuppt sich als fundamentales Prinzip der Natur. Unsere klassische Intuition wird hier auf den Kopf gestellt.
In diesem Teil des Buches schauen wir uns an, warum Materie stabil ist, was der Spin des Elektrons ist und warum er sich nur sehr unvollständig als Eigenrotation verstehen lässt. Auch makroskopische Phänomene wie Supraleitung oder Suprafluidität wollen wir vorstellen. Nicht zuletzt werden wir den Laser genauer betrachten und auch den Quantencomputer. Alle diese Phänomene lassen sich mit der Quantenmechanik präzise beschreiben – doch was die Quantenmechanik für unser Verständnis der physikalischen Realität bedeutet, darüber herrscht auch fast einhundert Jahre nach ihrer Entstehung noch keine Einigkeit.
Das Bohr'sche Atommodell
Wie kann man sich ein Atom vorstellen?
Die Vorstellung, dass die Materie, die uns umgibt, aus kleinen, unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei, ist schon über 2400 Jahre alt: Damals waren es der Philosoph Leukipp und sein Schüler Demokrit, die annahmen, dass es unvorstellbar kleine, nicht weiter unterteilbare Bausteine gibt, die sie Atome nannten (vom griechischen ἄτομος, »das Unteilbare«). Sie stellten sich vor, dass diese Atome, von denen es verschiedene Sorten geben sollte, mit Haken und Ösen ausgestattet sind, sodass sie sich miteinander verbinden, aber sich auch wieder voneinander lösen konnten. So würde z. B. aus lauter winzigen »Steinatomen« ein fester Stein.
Natürlich war das zu dieser Zeit reine Spekulation, denn ein Atom hatte noch niemand direkt gesehen. Auch deshalb wurde Demokrit damals von Zeitgenossen (wie Sokrates) verspottet. Und so geriet das Modell für lange Zeit in Vergessenheit.
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der Chemie, fanden die modernen Naturwissenschaftler zurück zur Atomtheorie. Es war John Dalton, der annahm, dass es zu allen damals bekannten chemischen Stoffen entsprechende Atomsorten gab, die sich nur in ganz bestimmten Verhältnissen miteinander verbinden konnten. Diese Hypothese konnte bereits eine Menge von chemischen Beobachtungen erklären, aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man damit immer noch nicht erlangt.
Erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als man begann, durch immer genauere Experimente die Struktur des Atoms selbst zu entschlüsseln, fanden Physiker wie J. J. Thomson und Ernest Rutherford heraus, dass das Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt, das von negativ geladenen Elektronen umgeben ist.
Im Jahre 1913 stellte der dänische Physiker Niels Bohr dann sein bis heute berühmtes Atommodell vor: Das Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern, der fast die gesamte Masse in sich vereint und von Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird – fast wie ein winziges Planetensystem.
Dabei sind nur ganz bestimmte Abstände zwischen Kern und Elektron erlaubt, und je nach Abstand besitzen die Elektronen unterschiedliche Energien. Alle Elektronen desselben Abstandes gehören zu einer sogenannten »Schale«, und in jede Schale passen nur eine gewisse Anzahl von Elektronen.
Dieses Modell konnte nicht nur das Verhalten einer ganzen Reihe von Atomen (nämlich denen der sogenannten Hauptgruppen) erklären, sondern war auch so anschaulich, dass dieses Bild bis heute unsere Atomvorstellungen prägt. So findet es sich zum Beispiel in der Flagge der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA.
Teilweise konnte das Bohr'sche Atommodell sogar erklären, warum sich z. B. ein Wasserstoff (H) und ein Chloratom (Cl) zu Salzsäure (HCl) verbinden können: Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron – dem Chloratom fehlt genau ein Elektron, um seine äußerste Schale ganz zu füllen – und so ist es energetisch günstig, wenn beide sich verbinden. Zwischen ihnen kann dabei ein Elektron den Besitzer wechseln, und der positiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ geladene Chloratom (Cl−) bleiben einfach aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft aneinander hängen.
Das Bohr'sche Atommodell hatte allerdings immer noch Erklärungslücken: Warum durften die negativ geladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz bestimmten Abständen umkreisen? Und was hinderte sie daran, aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft einfach in der Kern hineinzufallen? Diese Fragen konnten erst später in einer umfassenden quantenmechanischen Beschreibung der Atome geklärt werden. Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung, dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome verlorengeht.
Atomkerne
Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
Während viele Physiker um 1900 das Atom noch als eine fundamentale Einheit betrachteten, gelangte man mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911 zu der Erkenntnis, dass ein Atom selbst auch eine Struktur besitzt und aus einem positiv geladenen Kern besteht, der von im Vergleich dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist (Bohr'sches Atommodell). Auch wenn man relativ einfach einzelne Elektronen aus dieser Hülle entfernen oder dazu hinzufügen konnte, so blieb der Atomkern, in dem rund 99,95% der Masse des Atoms enthalten ist, davon unbeeinflusst. Insofern passte diese Einsicht weiterhin gut mit der Vorstellung der »Unteilbarkeit« der Atome zusammen.
Erst 1917 wies Ernest Rutherford durch weitere Experimente nach, dass auch Atomkerne veränderbar waren, indem er durch Beschuss mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in Sauerstoffkerne umwandelte. Dass Atomkerne in der Tat nicht ganz unveränderlich waren, hatte man zwar schon durch die Entdeckung der Radioaktivität einige Jahre zuvor vermutet, aber Rutherfords Experimente waren der erste direkte Nachweis.
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch, dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen und mehrere Protonen enthalten – und zwar gerade so viele, wie sich Elektronen in der Hülle befinden. Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen: das Neutron. Diese beiden »Nukleonen« formen zusammen den Atomkern.
Doch was genau hält Protonen und Neutronen im Kern zusammen? Letztere sind elektrisch neutral, die Protonen aber sind allesamt positiv geladen, sollten sich also abstoßen. Die Antwort liegt in einer weiteren Substruktur, die die sogenannte »Kernkraft« erzeugt (nicht zu verwechseln mit der Energie, die in Kernkraftwerken aus z. B. Uran gewonnen wird). Diese Kernkraft ist das Überbleibsel der starken Kraft, die zwischen den Bestandteilen der Protonen und Neutronen – den Quarks – wirkt.
Die Kernkraft führt letztlich zu einer Anziehung der farbneutralen Nukleonen untereinander. Sie hat nur eine sehr kurze Reichweite, ist allerdings deutlich stärker als die abstoßende elektrische Kraft. Daher halten Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der positiven Ladungen der Protonen nicht auseinander.
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathematische Beschreibungen der Kernkraft gibt, ist sie nicht bis ins letzte Detail verstanden. Und so ist die genaue Struktur der Atomkerne, zum Beispiel die Frage wie sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander anordnen, bis heute nicht vollständig bekannt. Zwar weiß man, dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen in der Hülle diskrete Energieniveaus haben, sodass sie zu – im Vergleich zu diesen etwa 1000- bis 10 000-mal energiereicheren – Quantensprüngen angeregt werden können. Aber die exakte Berechnung dieser Energieniveaus gestaltet sich sehr schwierig, denn der Kern als Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark miteinander wechselwirkenden Einzelteilen. So gibt es zwar verschiedenen vereinfachende Modelle, die jeweils gewisse Aspekte der Kerne gut erklären, aber keines ist vollständig und beschreibt den Kern in seiner Gänze.
Literatur
W. Heisenberg: Der Teil und das Ganze – Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper Taschenbuch, 9. Auflage 2001
H. Haken, H. C. Wolf: Atom- und Quantenphysik – Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen. Springer Verlag 2004
B. Povh, K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche: Teilchen und Kerne – Eine Einführung in die physikalischen Konzepte. Springer Verlag, 8. Auflage 2009
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