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Leseprobe »Die Entscheidungs-Matrix«: Die Entscheidung

Können Entscheidungen nicht auch einfach sein und Entscheidungswege verkürzt werden? Ausgebildete Krisen- und Turnaround-Manager beschleunigen die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand einer Krise so, dass diese aufs Wesentlichste reduziert und dann sowohl intuitiv als auch analytisch gründlich abgearbeitet wird. Eine Leseprobe
Beiner einer Frau in weißen Turnschuhen auf der Straße auf einem Pfeilzeichen, das sich verzweigt.

Langwierige Entscheidungsprozesse hemmen Arbeitsabläufe erheblich und senken die Motivation. Doch alle Ansätze, dies zu beheben oder zumindest zu erleichtern, scheinen das Problem bis dato eher zu verschlimmern.

Man denke in diesem Zusammenhang nur an die massive Zunahme der Bürokratisierung: Allein das Erheben und die Auswertung von Daten, zum Beispiel Mitarbeiterumfragen und die Abwägung von Vorschlägen aus Ideen-Think-Tanks oder das Mehrvolumen durch komplexe Scorecards, Punktesysteme oder Tabellen übersteigt, zumindest gefühlt, das ursprüngliche Problem um ein Vielfaches.1

Die gute Nachricht: Es ist einfach, gute Entscheidungen zu treffen. Oder? So einfach scheint es uns gar nicht, weil wir verlernt haben, einfache Lösungswege ins Kalkül zu ziehen. Diese genießen keine besondere Wertschätzung und werden deshalb sehr selten gewählt. Der Vorwurf, wir würden es uns zu einfach machen, schwebt wie ein Damoklesschwert stets über uns.

Uns fallen stets gute Gründe ein, die eine einfache Entscheidung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Was bereits im Sprachgebrauch liegt: »Ach, wenn es nur so einfach wäre«. Was für einen Unbeteiligten, von außen betrachtet, einfach aussehen mag, fühlt sich schwer bis unmöglich an, sobald wir selbst beteiligt sind.

Es ist ähnlich wie beim Fußball: der Stürmer wirbelt mit dem Ball am Fuß durch die mauernde Abwehr und sieht nur mehr den Torhüter auf sich zulaufen. Eigentlich müsste er den Ball nur mehr am Torhüter vorbeizirkeln. Doch welche Seite soll er wählen? Links? Rechts? Soll er den Ball über den herausstehenden Torhüter heben oder doch einen Schuss durch die Beine wagen? Vielleicht könnte er noch einmal einen Haken wagen und links an ihm vorbeigehen. Oder doch etwa rechts? Es kommt, wie es kommen muss und der Stürmer setzt den Ball neben oder über das Tor. Obwohl alles so einfach gewesen wäre, hat der Stürmer es sich so schwierig wie möglich gemacht. Von der Tribüne aus (vorm Fernseher sowieso) war das Tor bereits gemacht. Und selbstverständlich hätte es der unbeteiligte Zuschauer sogar noch besser gemacht.

Ob nun im Fußball oder im Topmanagement – Nicht-Handeln wird gleichermaßen durch den Agilitätsverhinderer »Komplexität« gerechtfertigt: Kurzgesagt war die Situation zu schwierig bzw. es war zu viel im Weg. In einer Agilitätsstudie der Unternehmensberatung Kienbaum Consulting wurde der Widerstand gegen Veränderung, Anpassung an die Anforderungen der Marktumstände, gegen agiles Handeln und dies erfordernde Entscheidungen folgendermaßen formuliert:

»Einzelne Personen, Gruppen oder ganze Organisationen tendieren nicht selten dazu, sich in ihrem Handeln an der Vergangenheit zu orientieren. Sie agieren in Routinen und Gewohnheiten und sind pfadabhängig. Die Menschen, Unternehmen oder Organisationen sitzen wie auf einer Rutschbahn, von der sie nie mehr herunterkommen«2.

Wie können Sie nun von dieser »Kienbaum-Rutschbahn« abspringen? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich Sie bitten, sich eine Situation vor Augen zu führen, die Sie aktuell besonders herausfordert. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese beruflicher oder privater Natur ist.

Wenn es sich um ein ungelöstes Problem, eine schwierige Aufgabe handelt, dann erlauben Sie sich einmal, dieses Problem ganz einfach zu formulieren. Wir haben fälschlicherweise gelernt, dass Dinge nur dann etwas wert sind oder Bedeutsamkeit haben, wenn sie groß, komplex und schwierig sind. Doch schon der Philosoph Platon soll folgenden Satz gesagt haben: »In der Einfachheit liegt die Schönheit.« Seien wir mal ehrlich zu uns selbst: wir bevorzugen die Eleganz der Einfachheit.

Viele Lehrmeister von Leonardo da Vinci bis Steve Jobs betonen sogar: Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung. Deshalb soll von nun an der Satz: »Keep it simple!«, auch in Entscheidungsprozessen Gültigkeit haben.

Wenn Krisen- und Turnaround-Managen sowie erfahrene Unternehmer sich dieser Technik bedienten, dann entweder um Beratungsbedarfe zu klären oder Entscheidungsprozesse voranzutreiben. Stets ging es um Effizienz, um die Reduktion von Komplexität, die Ersparnis von Zeit, Geld und die Sicherheit im weiteren Verlauf.

Die Methodik bedarf weder einer weiteren Qualifikation, geschweige denn eines Studiums oder eines speziellen Computerprogramms, um erfolgreich angewendet zu werden. Sie brauchen keine Excel-Tabelle und können ohne Vorkenntnisse beginnen, an der eigenen Entscheidungsfähigkeit zu arbeiten.

Dabei gilt es festzuhalten, dass der Charakter einer Entscheidung stets gleich ist, völlig unabhängig vom Kontext und unabhängig von den involvierten Personen. Sinnbildlich gleicht sie der Gabelung eines Weges, darum steht das chinesische Schriftzeichen »jueding« (Abb. 3.1, in dieser Leseprobe nicht enthalten) gleichermaßen für Entscheidung und Lösung und zeigt eine Wegkreuzung. »Jueding« bedeutet in der wörtlichen Übersetzung »sicher (jue) richten (ding)« und gehört zu den 200 meist gebrauchten chinesischen Schriftzeichen. Es bezieht den Vorgang des Abwägens mehrerer Optionen ebenso wie den festen, abschließenden Entschluss für eine. So wie der Weg in die eine oder andere Richtung führen kann, kann man sich für den einen oder anderen Weg entscheiden. Dies gilt auch für das jeweilige Gedankenspiel im Entscheidungsprozess: Jeder Lösungsweg kann auf verschiede Weisen gedanklich entwickelt werden. Dies hat gleich viele Vor- wie Nachteile.

Durch die Entscheidungsmatrix lassen sich zwei oder mehr Alternativen in allen Facetten gegeneinander abwägen, ohne bereits vorab eine Entscheidung treffen zu müssen. Was jedoch bei vielen Verfahren der Entscheidungsfindung unberücksichtigt bleibt, ist die Phase der eigenen emotionalen bzw. intuitiven Tendenz. Diese ist jedoch von enormer Relevanz, wenn die eigene Entscheidungsqualität gesteigert werden soll.

Eine Alternative, ein Szenario mag in der Analyse bzw. Auseinandersetzung noch so optimistisch aussehen, wenn die Intuition dagegenspricht, sollte diesem Unbehagen unbedingt auf den Grund gegangen werden, andernfalls tendieren wir zum stetigen Bereuen unserer Entscheidung bzw. hängen der anderen Alternative gedanklich nach. Diese Reue macht es uns anschließend schwieriger, spätere Entscheidungen konsequent zu vollziehen.

Die hier vorgestellte Entscheidungsmatrix ist folglich eine Best-Case-Worst-Case-Analyse, die eine Intuitionsabfrage voranstellt und gleichgewichtet. Im Anschluss werden zwei Szenarien anhand der möglichen Verläufe verglichen, sich mit den Vor- und Nachteilen bewusst auseinandergesetzt und mit der eigenen Intuition gespiegelt.

Wissen und Erfahrung geschuldet, dass Menschen finale Entscheidungen fürchten, jedoch auch Planänderungen durch externe Einflüsse geschehen können, wird die Entscheidung stets inklusive eines Plan B getroffen. Dieser erlaubt es, sofort eine neue Orientierung zur Hand zu haben, falls die ursprüngliche Entscheidung nicht das gewünschte Ergebnis zutage fördert. Ich werde im Verlauf erläutern, warum es insbesondere in Krisensituationen und in der Führung – des eigenen Lebens wie in der Verantwortung für Menschen – sinnvoll ist, mit B-Plänen zu arbeiten.

Wie also funktioniert die Entscheidungsmatrix (Abb. 3.2, in dieser Leseprobe nicht enthalten) in der Anwendung? Nähern wir uns einmal den einzelnen Schritten:

3.1 Phase 1: Das wirkliche Problem erkennen

Oft sabotieren wir die Entscheidungsfindung bereits bei der Identifikation des Problems. Wie bereits erwähnt, machen wir es uns eben gern etwas schwieriger.

Angenommen, wir stehen vor der Wahl eines nächsten Karriereschritts, vor der Reorganisation des Unternehmens oder vor einer wichtigen Personalentscheidung. Schnell neigen wir hier zur Selbstsabotage unserer Entscheidungsfindung und schwächen damit auch unsere Entschlusskraft: Wir lenken den Blick vornehmlich auf äußere Faktoren – dazu 3 häufig anzutreffende Beispiele:

  1. Bei der Karriereplanung achten wir auf Verdienstmöglichkeiten.
  2. Bei der Reorganisation von Strukturen konzentrieren wir uns auf die Machbarkeit der Vorschläge.
  3. Bei der Personalauswahl spielen die Verdienstvorstellungen der Kandidaten die wichtigste Rolle.

Folglich lenken wir unsere Aufmerksamkeit weg vom eigentlichen Problem, hin zu den Bedingungen des Problems. So kommen wir nicht zu Lösungen sondern in eine Spirale dessen, was alles nicht funktioniert und wir limitieren uns damit selbst.3

Dieses Phänomen der limitierenden Aufmerksamkeit (»bounded awareness«) ist ebenso weit verbreitet wie einfach zu umgehen. Einzig richtig und wichtig ist es, das eigentliche Problem immer wieder bewusst zu machen und dieses möglichst klar und präzise auf Papier zu notieren. Dies hilft dabei, sich nicht in eine Spirale von Problemen hineinzudiskutieren bzw. -zudenken, die vom ursprünglichen Thema weglenken:

  • Ich will mich beruflich verändern!
  • Ich will die Firma zukunftsorientiert aufstellen!
  • Ich möchte die Position optimal besetzen!

So kann das Chaos im Kopf schnell bewältigt werden und man übernimmt Eigenverantwortung für die Aufgabe. Die Problemstellung wirkt mehr und mehr machbar. Und im Vordergrund steht die Realisierung der Aufgabe statt eines Berges mittlerweile zusätzlich erdachter Probleme.

VEREINFACHEN SIE DIE PROBLEMSTELLUNG

Die Lösung beginnt mit der schriftlichen Skizzierung der Problemstellung: Je einfacher, eindeutiger und aus der eigenen Perspektive die Problemstellung formuliert und notiert wird, desto leichter fällt die anschließende Entscheidungsfindung.

3.2 Phase 2: Die wirklichen Alternativen

Ich habe es bereits angeführt: Zu viele Optionen und Informationen helfen nicht weiter. Im Gegenteil: Das Sammeln neuer Informationen aus Angst, die beste Option zu verpassen oder nicht alle Alternativen zu kennen, manövriert uns eher in einen Teufelskreis, als dass wir zu einer Entscheidung kommen. Darum: Definieren Sie die beiden tatsächlich infrage kommenden Alternativen, die sich Ihnen tatsächlich bieten:

  • Welche beiden Berufsmöglichkeiten entsprechen Ihnen, Ihren Talenten und Leidenschaften am ehesten?
  • Dient der Firma eher die Optimierung oder die vollständige Auslagerung des Vertriebs?
  • Ist es besser, die Position intern oder extern zu besetzen?

In der Regel überfordert die Vielfalt an Optionen, weil wir die Wahlmöglichkeiten zum einen in der Fülle nicht überblicken, zum anderen sind sie sich im Einzelnen ähnlich, überlagern sich und rühren nicht an der Grundproblematik.

Um zu den beiden alternativen Wahloptionen zu gelangen, hilft in der Regel, der Recherche oder der eigenen Überlegung eine zeitliche Deadline zu setzen. Andernfalls verstrickt man sich wieder in weitere Optionen und Denkgebäude, die den Entscheidungsprozess be- oder im schlimmsten Fall sogar verhindern.

Albert Einstein soll einmal gesagt haben, dass er sich bei der Lösung von Problemen genau 55 min mit dem Problem und 5 min mit der Lösung beschäftige. IT-Experte Tom Griffith hat sogar einen Algorithmus entwickelt, um den perfekten Zeitpunkt abzupassen, zu dem Entscheidungen getroffen werden. Laut Griffith liege dieser bei 37 % der Recherchezeit – unabhängig davon, ob man nach einem Haus, dem perfekten Job oder Partner suche. Nach 37 % der Zeit, also etwa dem 3. Tag einer Woche solle man eigentlich mit dem Information-Sammeln aufhören und handeln. Bessere Optionen oder gar eigene Überlegungen würden zu einem späteren Zeitpunkt auch nicht mehr auftauchen.4

2 ALTERNATIVEN, 1 DEADLINE

Setzen Sie sich ein konkretes Datum, um die beiden wirklich infrage kommenden Wahloptionen bzw. Handlungsalternativen zu definieren und schreiben Sie sie auf. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit. Je mehr Zeit Sie verstreichen lassen, desto mehr Optionen werden Ihnen einfallen und desto schwieriger wird es, eine adäquate Entscheidung zu treffen.

3.3 Phase 3: Ihre intuitive Präferenz

Im Volksmund gelten intuitive Entscheidungen als die besten. Sätze wie: »Ich habe auf meinen Bauch gehört«, oder »Ich habe meinem Herzen vertraut!«, haben Sie sicherlich auch schon von anderen gehört oder kamen sogar aus Ihrem eigenen Mund.

Damit ist das unterbewusste Verarbeiten von Sinneseindrücken gemeint, die ständig auf uns einströmen. Gerald Traufetter ist nur ein Repräsentant des Forschungszweiges, der sich mit der Entschlüsselung der Intuition und ihrer Rolle in Entscheidungsprozessen beschäftigt. Rund elf Millionen Sinneseindrücke pro Sekunde verarbeitet der menschliche Organismus eher »nebenbei« und sorgt damit fortlaufend für die Herausbildung von neuem Wissen und Anreicherung von Erfahrung. Und auch wenn Arbeits- und Unternehmenswelt sich großteils noch sperren, so ist Intuition längst nichts Mystisches mehr, und zudem »arbeitet sie vorzüglich schnell«, so Traufetter.5

Demgegenüber kann der Verstand nur ca. 40 davon bewusst verarbeiten. Der Rest wird vom »Bauch« weiterverarbeitet. Dieser erkennt ein Muster schneller als der Kopf, dessen Kapazitäten begrenzter Natur sind. Dieses Muster gleicht er mit aus der Vergangenheit gespeicherten Mustern ab und liefert in Form von Gefühlen und Emotionen Tendenzen zu möglichen Handlungsalternativen.

Bedeutet im Falle von Entscheidungssituationen: Der Körper »rät«, anhand von in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen (Heuristiken), bereits zu einer Alternative, ohne irgendein aktives Zutun unseres Kopfes oder unserer Ratio. Diesen Prozess nennen wir Intuition.

Es lohnt sich also, diese ins Kalkül zu ziehen, ohne sie zu bewerten. Die Bedeutsamkeit unserer Intuition zu untermauern, ist simpel: Allein im Straßenverkehr, etwa beim Autofahren, treffen wir vielerlei Entscheidungen intuitiv, ohne jede Situation stets aufs Neue zu bewerten. Stellen Sie sich vor, wie zähflüssig der Verkehr werden würde, wenn alle Teilnehmer dauernd alle Optionen untersuchen würden, die ihnen beim Überqueren einer Kreuzung zur Verfügung stünden. Eine Kreuzung stellt sich als äußerst komplexes Gebilde dar, wenn man es genauer betrachtet. Verkehr von links, Verkehr von rechts, entgegenkommender Verkehr, Straßenschilder, verschiedene Verkehrsteilnehmer, verschiedene Geschwindigkeiten etc. Sie würden mit der andauernden Bewertung der Situation gar nicht fertig sein, schon stünden wieder neue Informationen zur Verfügung, die es zu bearbeiten gälte. Viele Autofahrer können sich noch zurückerinnern, als sie selbst den Führerschein gemacht haben oder das erste Mal am Steuer des Wagens saßen: Das Verarbeiten des Straßenverkehrs war eine mühsame, teils überfordernde Prozedur, welche die gesamte Aufmerksamkeit verlangte. Erst durch das Einschleifen von Automatismen konnten tendenziell weniger wichtige Informationen sukzessive ausgeblendet werden.

Die Muster im Hintergrund, die unsere Intuition verarbeiten, bleiben natürlich bestehen und werden weiter, unbewusst, von unserem Körper verarbeitet. Erst wenn das Muster darauf hindeutet, dass Gefahr in Verzug ist, kommt das Bewusstsein hinzu. Etwa dann, wenn auf der Autobahn vor uns plötzlich Bremssignale sichtbar sind und ein Auffahrunfall vermieden werden soll. Wir alle kennen solche Situationen.

Doch auch in anderen, nicht alltäglichen Situationen und unter Druck entscheiden zum Beispiel Piloten oder Rettungsärzte gemäß ihrer Intuition und nicht nach vorheriger Einberufung eines Meetings oder Einholen einer Meinungsumfrage. Hier kann die Intuition über Leben und Tod entscheiden.

Auch wir können diese Prozesse trainieren. Zumal es in dieser Phase der Entscheidungsfindung für uns noch nicht um die finale Entscheidung geht, sondern nur um das intuitive Bejahen einer Alternative.

Also beantworten Sie bitte diesbezüglich schnell und ohne Nachzudenken, die folgende Frage bzw. Ihre Handlungsoptionen: Tendieren Sie zu Alternative A oder zu Alternative B?

  • Will ich eher A) Arzt oder B) Lehrer werden?
  • Soll ich den Vertrieb eher A) optimieren oder B) auslagern?
  • Besetze ich die Position besser A) intern oder B) extern?

Sie sollten sich nicht selbst unter Druck setzen, denn noch geht es nicht um die finale Entscheidung, sondern nur um die intuitive Beantwortung der Fragen.

IHRE INTUITION ZÄHLT

Fragen Sie sich ehrlich nach Ihrer intuitiven Entscheidungstendenz. Diese hat noch keinen Einfluss auf Ihr finales Handeln. Markieren Sie die Option, die Ihnen intuitiv besser zusagt. Machen Sie Ihre Intuition sichtbar!

3.4 Phase 4: Kopf über Bauch

Kritiker können zurecht anmerken, dass das Hören auf das Bauchgefühl zu kurz greife. Dass bei der reinen Orientierung an der Intuition wesentliche Informationen übersehen werden könnten, die für eine kluge Entscheidung relevant sind. Ein anderer Einwand könnte sein, dass man Entscheidungen nie allein für sich trifft, sondern auch Folgen für das Umfeld mitbedenken müsse und so weiter. Diese Einwände sind korrekt, weshalb wir uns nun dem nächsten entscheidenden Schritt in der Entscheidungsfindung widmen dürfen. Es geht tatsächlich darum, Vernunft und Intuition in Balance zu bringen, da das eine ohne das andere nicht vollständig ist.

Nach der Abfrage unserer Intuition beschäftigen wir uns mit der Auflistung der Vor- und Nachteile beider Handlungsoptionen, wie sie aus klassischen Entscheidungsfindungsprozessen bekannt ist. Hierzu sind sowohl Kreativität als auch analytisches Denken gefragt: Sowohl Option A als auch Option B bringen gleichermaßen Vorteile wie Nachteile mit sich, die nun aber ohne weitere intuitive Tendenz hinterfragt werden können.

Dadurch dass die intuitive Tendenz bereits zuvor abgefragt wurde, kann man sich beiden Optionen sowie deren Vor- und Nachteilen jetzt durchaus wertungsfrei annehmen. Es geht an dieser Stelle darum, zu hinterfragen

  • Was sind die Vorteile und Nachteile, wenn ich A) Arzt oder B) Lehrer werde?
  • Was sind die Vorteile und Nachteile, wenn ich A) den Vertrieb optimiere oder B) auslagere?
  • Vorteile und Nachteile, wenn ich die Position A) intern oder B) extern besetze?

Durch diese analytische Annäherung der reinen Auflistung von Vor- und Nachteilen entfällt der Druck des »besser« oder »schlechter«. Noch haben wir beide Seiten auch nicht gegeneinander abgewogen. Diese Form des Analyseverfahrens entschleunigt. Damit sinkt der Druck der unmittelbaren Entscheidung enorm.

RAUS AUS DEM ENTSCHEIDUNGSDILEMMA

Das Entscheidungsdilemma entsteht durch den selbstauferlegten, künstlichen Druck, zu viele Schritte auf einmal vollziehen zu wollen. Entschärfen Sie diesen Anspruch durch eine auf zwei Handlungsoptionen beschränkte Pro-Contra-Liste, die Sie weder gewichten noch unmittelbar bewerten. Wir befinden uns noch immer in der Phase des Sammelns von Informationen.

3.5 Phase 5: Das kleinere Übel

Ob Sie nun allein oder mit Ratgebern, als Einzelperson oder Organisation entscheiden – angesichts der Vor- und Nachteile solcher Pro-und-Contra-Listen –, regieren schnell die Emotionen (zumal dann, wenn sie nicht in einem ersten Schritt durch die Intuitionsabfrage bereits geklärt worden sind) und man tendiert zur Handlungsoption, die aufgrund der meisten Vorteile überzeugt. Was jedoch immer bleibt, sind die Nachteile, mit denen wir nach getroffenen Entscheidungen leben müssen. Entschlusskraft entwickeln wir nicht (nur), wenn wir euphorisch von der Sache überzeugt sind, sondern umso eher, je bereitwilliger wir mit den Nachteilen umgehen können. Darum: Wägen Sie einmal die Nachteile gegeneinander ab: Wann

  • Sind die Nachteile größer, wenn ich A) Arzt oder B) Lehrer werde?
  • Sind die Nachteile gravierender, wenn ich den Vertrieb A) optimiere oder B) auslagere?
  • Ist es eher von Nachteil, wenn ich die Position A) intern oder B) extern besetze?

ENTSCHEIDUNG NACH DEM WORST/BEST-SZENARIO TREFFEN

Prüfen Sie anschließend Ihre ursprüngliche Entscheidung. Bereits in der Antike wurde angemahnt, dass Entscheidungen immer einen Preis haben.

Heute werden Entscheidungen aus einer Laune heraus getroffen und bereits beim ersten Anzeichen eines Tributs, wieder rückgängig gemacht. Um nicht auch in diese Falle zu tappen, lohnt es sich, die Handlungsoption mit den geringeren Einbußen zu wählen. Das erhöht die Chance, langfristig die richtige Wahl zu treffen.

3.6 Phase 6: Plan B

Nun gibt es keine 100 %ige Garantie dafür, ob die getroffene Entscheidung zu einer Verbesserung der Ausgangslage führen wird. Genau diese Hoffnung haben Menschen, die sich noch immer Recherchen verschreiben, um die möglichst beste Entscheidung treffen zu können, und darüber unter Umständen sogar große Verluste hinnehmen müssen. So zeigte sich eine Studiengruppe in den Forschungen von Barry Schwarz mit der Auswahl an Fonds so überfordert, dass sie aufgrund der Informationssuche den Anlagetermin verpasste. Das anzulegende Geld verfiel.6

Der eigene Kontrollverlust mag herausfordernd sein, doch gilt es zu akzeptieren, dass man viele Faktoren nicht selbst in der Hand hat. Es ist sinnlos mit Dingen zu hadern, die man selbst nicht beeinflussen kann. Die Beschäftigung mit diesen Elementen trägt nichts zur Steigerung der Entscheidungsqualität bei.

Genau zwei Faktoren jedoch kann man wiederum selbst bestimmen:

  • Die eigene Entschlusskraft, mit der man hinter seiner Entscheidung steht.
  • Die eigene Flexibilität, um Unwägbarkeiten zu meistern, die auf dem Weg zur Erfüllung des angestrebten Zustandes auftauchen können.

Um letzteres zu gewährleisten, rate ich dringend zu einem Plan B, der nichts anderes darstellt als ein Fall-Back-Plan, einen Turnaround etc.

Nun könnte man einwenden, dass tatsächlich und Kraft des eigenen Willens getroffene Entscheidungen keines doppelten Bodens bedürfen. Tatsächlich wird genau das im Coaching- und Trainingssektor verlautbart: Wenn man einen Plan B habe, dann habe man schlussendlich kein Vertrauen in den Plan A. Ja noch schlimmer – Plan A ist dann sogar zum Scheitern verurteilt, weil man ja mit Plan B sofort eine Ausrede parat hat.

Allerdings arbeitet kein verantwortlicher Arzt, IT-Techniker, Vermögensberater oder Elektroingenieur ohne Sicherheitssysteme. Es ist also geradezu systemerhaltend und damit völlig natürlich, einen Ersatzplan zur Verfügung zu haben, der die eigene Handlungsfähigkeit aufrechterhält. Alles andere wäre fahrlässig und, je nach Kontext, sogar gefährlich für sich selbst oder für das Gegenüber.

Wir alle kennen Szenen aus verschiedenen Ärzte- oder Krankenhausserien. Ich bin mir sicher, dass ein Fünkchen Wahrheit in diesen Geschichten steckt, die dann zweifellos für das Fernsehen aufgebauscht werden. Aber stellen Sie sich vor, der Chefarzt merkt bei der Operation eines Bypasses, dass der Blutdruck seines Patienten plötzlich und rapide sinkt. Er kann somit nicht mit der Operation – also seinem Plan A – fortfahren. Er muss einen Plan B zur Verfügung haben, damit der Patient gerettet werden und die Operation schlussendlich erfolgreich abgeschlossen werden kann. Stellen Sie sich vor, der Blutdruck des Bypass-Patienten fällt und der Arzt hält bei seinem Plan A fest und geht gar nicht auf die neuen Umstände ein. Ein Plan B kann tatsächlich Gold wert sein und sogar Leben retten.

Plan B beseitigt Zweifel

Über einen gangbaren Plan B zu verfügen, ermöglicht genau das, wovor uns viele Coaches oder Lebensberater warnen – nämlich den Zweifel von Plan A abzuschwächen. Wenn Sie eine gangbare Handlungsalternative zu Ihrem priorisierten Plan haben, dann können Sie die Angst zu scheitern, nachhaltig minimieren. Wenn Sie dieses Exit-Szenario nicht planen, dann muss Plan A unbedingt funktionieren und genau dieser Druck kann für eine absolute Paralyse sorgen und eben nicht zum Abbau der Ängste oder das Zur-Verfügung-stellen von Energiereserven führen.

Wir haben oftmals Angst, finanziellen oder persönlichen Schaden zu nehmen. Die Vorstellung ist bereits mental herausfordernd, und meist bringt sie uns an den Rand unserer Komfortzone:

  • Ich werde B) Lehrer (auch wenn Lehrer vielleicht kein gutes Image haben, ich selbst die Schule gehasst habe, der Verdienst schlecht ist).
  • Ich optimiere A) den Vertrieb (auch wenn das hohe Kosten verursacht, viel Trainingsaufwand bedeutet, wir dadurch hinter dem Wettbewerb hinterherhinken).
  • Ich besetze die Position B) extern (auch wenn sich interne Kandidaten beworben haben, die Einarbeitung eines externen Kandidaten mehr Zeit in Anspruch nimmt, die Abwerbung des Externen einen zusätzlichen Kostenaufwand bedeutet).

Natürlich sind Entscheidungen wegen ihrer nachteiligen Konsequenzen oft einschüchternd und manchmal sogar beängstigend. Risikobereitschaft allein reicht nicht (immer) aus, um auch Entschlusskraft und Durchhaltevermögen zu entwickeln und alle notwendigen Schritte bis zum Gelingen zu gehen. Während Literatur und Persönlichkeitsentwickler sich eher dem Ausmerzen des Zweifels widmen, bin ich eher der Ansicht, dass Skepsis einerseits menschlich, andererseits dem Gelingen des Plans durchaus zuträglich ist. Menschen werden zuweilen zweifeln oder Angst haben, egal ob uns das gefällt oder nicht. Wichtig ist, dass man sich dessen bewusst ist und Methoden zur Verfügung stellt, die auf diese Bedingungen in adäquater Form eingehen, wie es eben die Entscheidungsmatrix macht.

Unterstützend und durchaus beruhigend ist darüber hinaus die Erweiterung der eigenen Komfortzone, die ich gerade durch meinen gefassten Entschluss verlassen habe, durch einen Plan B:

  • Ich werde B) Lehrer – und sollte dieser Plan scheitern, weiß ich, dass ich den Numerus Clausus schaffen kann, um ein Medizinstudium zu beginnen.
  • Ich optimiere A) den Vertrieb – und wenn das misslingen sollte, lagern wir ihn zur Not aus, aber erst dann, wenn wir alles andere versucht haben.
  • Ich besetze die Position B) extern – und parallel bauen wir für zukünftige Stellenbesetzungen ein internes Talent-Management auf und setzen eine Vorgehensweise für interne vs. externe Besetzungen fest.

Das Vorhandensein eines Plan B sorgt dafür, dass keine existenziellen Ängste aufkommen und weiter am Plan A festgehalten wird.

Die Entscheidungsmatrix stellt gegenüber anderen Verfahren Intuition und subjektiv empfundene Logik auf die gleiche Stufe. Sie wägt nicht (allein) auf Basis der Vorteile der Alternativen ab, sondern auf Basis der Nachteile. Zudem beinhaltet sie stets einen Alternativplan (Plan B) und kommt damit der gelebten Praxis äußerst nahe.

AUF PLANÄNDERUNGEN VORBEREITET SEIN

Veränderungen und Entscheidungen lösen Stress aus. Je wichtiger und existenzieller diese Entscheidungen sind, desto mehr Stress wird ausgelöst. Auf längere Sicht gewöhnt sich der Mensch nur ungern und schlecht an Stress, darum entlastet eine ausgearbeitete, zweite Option (Plan B). Diese sorgt dafür, dass Menschen in Entscheidungssituationen sich nicht paralysiert ihrem Schicksal hingeben, sondern handlungs- und entscheidungsfähig bleiben.

Gehen Sie also umso entschlossener und unbelastet den ursprünglich entschiedenen Weg, weil Sie wissen, dass im Falle unvorhergesehener Widrigkeiten Plan B wie ein Rettungsfallschirm ausgebreitet werden kann und er sie sicher zum Ziel führt.

Nutzen Sie hierfür auch mein gratis Video-Tutorial zum Thema »Plan B aus der Krise« https://bit.ly/334NQy8

Endnoten

  1. https://www.soprasteria.de/newsroom/publikationen/studien/potenzialanalyse-agil-entscheiden
  2. https://assets.kienbaum.com/downloads/Change-Management-Studie-Kienbaum-Studie-2014-2015.pdf
  3. Bazerman, Bounded Awareness, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=627482
  4. Griffith, Tom: Algorithms to Live By: The Computer Science of Human Decisions. New York 2016
  5. Traufetter, Gerald: Intuition. Die Weisheit der Gefühle. Hamburg 2007.
  6. Schwartz, Barry, Ebd.

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