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Leseprobe »Hässliche Wörter«: Wirtschaft: Zur Ökonomie von Sarkasmus, Ironie und Zynismus

Ein großes Beil steckt in einem aufgeschlagenen Lexikon. Der Hintergrund ist in einem angenehmen Weinrot gehalten.

Wussten Sie, dass wir in Boomzeiten leben? Die Wirtschaft floriert! Überall herrscht Hochkonjunktur! Neue Wirtschaftszweige entwickeln sich aus bahnbrechenden Innovationen und entfesseln ein wahres Wirtschaftswunder. Viele Branchen vermelden neue Beschäftigungsrekorde und sogar das Fachkräfteproblem ist dank der Attraktivität des Standorts Deutschland gelöst. Nie ging es uns wirtschaftlich so gut wie heute! – Glauben Sie nicht? Es steht aber so auf rechten Nachrichtenseiten, wo sich Kommentatoren an den positiven Meldungen aus der deutschen Wirtschaft regelrecht berauschen. Diese Begeisterung ist natürlich nicht ernst gemeint. Denn das Wirtschaftswunder, das Neurechte in Deutschland ausmachen, gibt es gar nicht im Sinne einer materiellen Wertschöpfung. Es ist vielmehr ein »Asylindustrie-Boom,« ein »Flüchtlings-Wirtschaftswunder« und ein »Merkel-Flüchtilanten-Job-Wunder,« das von Neurechten sarkastisch gefeiert wird. Denn, so fragt man sich, wo werden reale Werte geschaffen, wenn die »Moscheebauindustrie« aufblüht, das »Messerhandwerk« eine Renaissance feiert, »muslimische Geburtsfabriken« auf Hochtouren laufen und die »Anti-Hass-und-Hetze-Branche« dank vermeintlicher »Hatespeech-Hochkonjunktur« prosperiert?

An diesem Gedankengang sind zwei Dinge bemerkenswert. Zum einen, dass Asyl, Religion, Geburten, Kriminalität und Minderheitenschutz von Neurechten aus einer wirtschaftlichen Perspektive bewertet werden, obwohl sie zunächst einmal humanitäre und gesellschaftliche Phänomene sind. Und dass sich die Legitimität dieser gesellschaftlichen Zustände und der sie moderierenden politischen Maßnahmen aus ihrem ökonomischen Wert ergibt. Bemerkenswert ist zum anderen die Paarung von Ironie und Sarkasmus, von Uneigentlichkeit und beißendem Spott also, die so häufig in neurechten Debattenräumen anzutreffen ist. Sie fungiert als eine Produktivkraft radikaler Kritik an vermeintlich linker Ideologie und dem als repressiv empfundenen Normalzustand der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Dabei gilt: Je unappetitlicher der Witz, desto höher der Wert dessen, der ihn erdacht hat. Und so haben einige neurechte Autoren wie Akif Pirinçci die kunstvoll-sarkastische Beschimpfung zu ihrem Markenkern gemacht. Anders als bei emanzipativen Bewegungen freilich beschränkt sich die Kritik nicht auf die Privilegierten und Mächtigen, sondern nimmt auch und gerade die Machtlosen ins Visier. Es ist ein Humor nach unten und nach außen, ein Humor, der auf die sozial Schwachen und ohnehin Ausgegrenzten und auf ihre Unterstützer zielt. In der neurechten Ökonomie des Sarkasmus ist keine Randgruppe bedürftig genug, keine Minderheit hinreichend missachtet, um nicht auf ihre Kosten hetzerische Witze zu machen. Und so verbindet sich die Ökonomie von Sarkasmus und Ironie, die das ökonomisch Wertlose und Belastende zum humoristischen Abschuss freigibt, mit der neurechten Ökonomisierung von Gesellschaftspolitik und Moral.

Die Ökonomisierung von Flucht und Migration

Am deutlichsten wird dies in der ökonomischen Betrachtung von Migration, Flucht und Asylwesen. Dass Geflüchtete als »Wirtschaftsflüchtlinge,«»Wirtschaftsfluchtilanten« und »Wirtschaftsnomaden« bezeichnet und ihnen damit ausschließlich ökonomische Fluchtgründe unterstellt werden, ist kaum neu. Neu ist freilich die Schärfe, mit der dieser Vorwurf von Neurechten erhoben und mit einem Schaden für die einheimische Bevölkerung verquickt wird. So ist auf rechten Onlineplattformen etwa von »Asylbetrüger-Raubnomaden,«»Wanderheuschrecken,«»Austauschnomaden,« einer »Wirtschaftsflüchtlingsinvasion« und vom »Wirtschaftsnomadenkrebs« die Rede. In den Augen neurechter Kommentatoren sind Asylbewerber auch keine Gesuchsteller, sondern »Wirtschaftsasylforderer,« die eine ganze »Rechte-Einforderungs-« und »Anspruchsindustrie« um sich herum gegründet hätten. Der Wortbestandteil »Industrie« insinuiert dabei ein planmäßiges und massenhaftes, auf Gewinn zielendes Handeln der Geflüchteten und ist insgesamt der häufigste Bestandteil wirtschaftsbezogener Schmähwörter der neuen Rechten.

Die Entstehung der vermeintlichen »Asyl-Schmarotzer-Industrie« und »Asylabzockindustrie« wäre in den Augen der neuen Rechten allerdings nicht ohne gezielte Förderung durch eine andere Branche, die »Schlepper-«, »Schleuser-« und »Seenotrettungsindustrie« möglich gewesen. Erst die »Flüchtlingsrettungs-Industriellen« und »EU-Schlepper-Taxi-Unternehmer« von der »Alan Kurdi« oder der »Ocean Viking« und ihre »Open-Border-Komplizen« in der Politik hätten eine umfangreiche »Einwanderungs-Bewirtschaftung« möglich gemacht, in deren Kontext sich neue Industrie- und Dienstleistungssektoren etablieren konnten. Unter ihnen die »Helfer-« und »Bemutterungsindustrie,« die »Anti-Abschiebe-Industrie,« die »Anti-Diskriminierungs-Industrie« und die »Islam-Industrie,« deren volkswirtschaftlicher Nutzen im Folgenden vorgestellt werden soll.

Zuerst allerdings müssen diejenigen benannt werden, die in neurechten Wirtschaftstheorien als die größten Profiteure von Flucht und Migration gelten: die Vertreter der »Großkapital-Migrations-Industrie,« der »Eine-Welt-Wirtschaftsordnung« und der »Soros-SiliconValleyIndustrie-USEU-Eliten-Fraktion,« deren Ziel die Optimierung ihrer »Migrationsprofite« mittels nationaler »A$$$$sylindustrien« ist. So zumindest raunt es aus neurechten Kommentarspalten. Die Gewinnoptimierung fällt den Verschwörern des Großkapitals auch deshalb so leicht, weil die Kosten für die »Fassadenindustrien,« die zur Bewältigung der gesellschaftlichen Folgen von Migration notwendig sind, auf die Steuerzahler umgelegt werden. Diese Umlage werde auch zur Querfinanzierung fragwürdiger zivilgesellschaftlicher Organisationen verwendet, mithin zur Förderung von »NGO-Migrations-Industrie,«»Raffzahn-NGOs« und »Irgendwas-für-Afrika-Industrie.«

Einwanderungsbewirtschaftung

Ein besonders großer Dorn in den Augen von Neurechten ist die »Multi-Kulti-Integrationsindustrie,« weil in ihrer Logik Integration nicht wünschenswert ist und ohnehin scheitern muss. Sie gilt ihnen daher als »Selbstbedienungs-Stellenschaffungsindustrie« für den »Gutmenschensektor.« In der »Afrikaner-Bespaßungsindustrie,«»Flüchtulantenbespielungsindustrie« und »Ausländerbetüddelungsindustrie« degeneriert der Anspruch auf Integration zur reinen Unterhaltung von »Fluchttouristen.« Und zur Arbeitsbeschaffung für »Invasoren-EventmanagerInnnen,«»Feelgood-Managern« und »Gut-Kräften.« Für Neurechte machen diese sich als Teil der »Täterversteher-«,»Täterbemutterungs-« und »Axtschwinger-Betüddelungsindustrie« gar zum Komplizen von »SprengFACHkräften« und »Machetenchirurgen.« In Bezeichnungen wie »Betreuungs-« und »Asyl-Pamper-Industrie« werden Geflüchtete zudem als Unselbstständige und dauerhaft Hilfsbedürftige dargestellt, die ökonomisch niemals auf eigenen Beinen stehen können.

Eine weiterer Teil der »Steuergeldabzockerindustrie« wird von jenen Juristen gebildet, die abgelehnte Asylbewerber dabei unterstützen, gegen ihre Bescheide Widerspruch einzulegen. Sie werden als »Asylanwaltsklageindustrie,«»Abschiebe-Verhinderungs-« oder beschönigend als »Rückführungsverhinderungsindustrie« verunglimpft, auch deshalb, weil sie sich der Rückendeckung der Politik gewiss sein können, die angeblich eine »Merkel-Nicht-Abschiebe-« oder gar »Merkel-Rückholindustrie« fördert.

Vermeintliche Profiteure der Migration sind nach Meinung der Neurechten auch jene zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich gegen Hassrede und für eine Zivilisierung politischer Debatten einsetzen. Bei den als »Anti-Hass-und-Hetze-Branche« oder »Anti-Diskriminierungs-Industrie« lächerlich gemachten Initiativen handelt es sich nach neurechter Ansicht natürlich in mehrfacher Hinsicht um eine »Illusions-« oder gar »Surrealwirtschaft.« Denn erstens sind diese Initiativen nutzlos und schaffen keinen Mehrwert (»NGO« = »Nutzlos gegen Onlinehass«), das soziale Phänomen gibt es gar nicht (»Hatespeech-Wahn,«»Hate-Speech-Heißluft,«»Hate-Speech-Gedöns«) und überhaupt kommt Hassrede nur vom politischen Gegner (»Linken-Hate-Speech,«»Hate-Speech-Journalisten,«»Feministen-Hate-Speech«). Fragen Sie nicht nach der Logik.

Wenn es aber Hassrede gar nicht gibt, welche Funktion haben dann Stiftungen, wie die in neurechten Kreisen verhasste »Amadeu Antonio Stiftung«? Wie die Schmähnamen »STASI-Amadeu-Kahane-Denunzianten-Stiftung,«»Maastasi-Kahanestapo-Meinungsvernichtungsschutzstaffel« oder »Denunziations-Stasi-Kahane-Giftspritzen-Brigade« verraten, unterstellen Neurechte, bei ihnen handle es sich um Tarnorganisationen der Regierung zur Kontrolle der öffentlichen Meinung. Nicht jeder Meinung, versteht sich. Vielmehr sei die Stiftung Teil der »Gegen-Rechts-« und »Nazijägerindustrie,« die dank staatlicher Förderung floriere. Für Neurechte ist dies ein klarer Fall von »Gesinnungsbewirtschaftung,« denn nur wer die richtige Gesinnung hat, komme in den Genuss der Förderung und dürfe in der »Bewusstseinsbildungs-« und »Belehrungsindustrie« tätig werden. Weil der Vorwurf der Hassrede und Hetze für Neurechte offenbar doch schwer wiegt, erklären sie zivilgesellschaftliche Vereine, die über Diskriminierung aufklären und Gegenstrategien empfehlen, zu einem Teil der »Verleumdungs-«, »Diffamierungs-« und »Ächtungsindustrie.«

Neurechte sind überzeugt, dass anstelle von Schutzsuchenden mehrheitlich islamistische Terroristen nach Deutschland gekommen sind. Für das Ankurbeln der »Terrorislam-Importwirtschaft« und die Steigerung der »ISlam-Importe« ist in ihren Augen Angela Merkel verantwortlich, die folgerichtig als »Islamterror-Importtrulla« beschimpft wird. Die hier lebenden muslimischen Neubürger gründen dann Familien, die Neurechte als »Moslemfabriken« bezeichnen, weil in ihnen bald die »Geburtenfließbandproduktion« anlaufe, um die Nachfrage im »Islamisten-Kriminalitätssektor« zu befriedigen. Daneben sorgen »Islamindoktrinationsfachkräfte« durch ihre Arbeit in den als »Islam-Hassfabriken« diffamierten Moscheen dafür, dass der »Islam-Boom« nicht abflaut.

Ökonomie, das zeigen diese Beispiele, ist eine mächtige Metapher. Sie wird von Neurechten zum einen dafür eingesetzt, gesellschaftliche Entwicklungen, die nicht in die neurechte Agenda passen, als das Ergebnis nutzenoptimierten zielgerichteten Handelns zu fassen, um sie so in Verschwörungserzählungen einbetten zu können. Dies betrifft insbesondere neurechte Deutungen von Flucht, Migration und Religion. Das häufig verwendete Sprachbild der »Industrie« dient dazu, die so in einen Deutungshorizont eingebetteten Entwicklungen als Massenphänomene zu kennzeichnen, die auf Hegemonie oder – in ökonomischer Diktion – Marktbeherrschung zielen. Neurechte benutzen ökonomische Bilder zum anderen dafür, gesellschaftliches Handeln, das auf humanitären und demokratischen Grundwerten fußt, als Ausdruck persönlichen Gewinnstrebens zu denunzieren. Arbeit in der Flüchtlingshilfe oder zivilgesellschaftliches Engagement werden dann als Selbstbedienung an den »Multikulti-Dauersubventions-Futtertrögen« verunglimpft und moralische Motive als Schutzbehauptung von »Subventionsschmarotzern« diskreditiert. Betroffen von diesen Abwertungsstrategien sind aber längst nicht nur jene Politikbereiche, die mit den Themen Asyl und Migration verschaltet sind. Betroffen sind vielmehr all jene Gesellschafts- und Politikfelder, in denen Neurechte linke Ideologie und eine Verschwörung von Eliten gegen das deutsche Volk wittern und die daher leidenschaftlich mit sarkastischen Schmähausdrücken belegt werden.

Boomende Sektoren der linksgrünen Fassadenindustrie

An erster Stelle ist hier das Feld der »Meinungsbewirtschaftung« zu nennen, zu dem Neurechte all jene Aktivitäten zählen, die einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten, der nicht mit ihrer eigenen Meinung im Einklang steht. Wichtigster Sektor der »Meinungswirtschaft« ist die »Hournalistenbranche« aus »Fake-News-Fabrikanten« und »Lügenhandwerkern.« In ihren »Desinformationsfabriken« kommen bevorzugt Verfahren der »Verschleierungs-«, »Verschweigungs-«, »Vertuschungs-« und »Zensurindustrie« zum Einsatz. Neben den industriellen Techniken des Weglassens wird in »Tatsachen-« und »Meinungsmanufakturen« aber auch die hohe Kunst der »Nachrichtenfabrikation« praktiziert. Es geht freilich auch ohne direkte Manipulation, denn auch die seichte Unterhaltung der »Verdummungs-«, »Volksverblödungs-« und »Propagandaunterhaltungsindustrie« domestiziere die Menschen zu willigen »Steuersklaven.« Unternehmenszweck der zur »Wahrheitsindustrie« gehörenden »Propaganda-Fabriken« ist aus Sicht der Neurechten die »Gesinnungsfabrikation.«»Konsensfabrikanten« und »Mainstream-Industrie« wollen in ihren »Ideologiefabriken« Bürgerinnen und Bürger mit Einheitsmeinung produzieren, die jeder politischen Maßnahme zustimmen, ganz gleich wie sehr sie gegen ihre eigenen Interessen gerichtet ist.

Als Teil des »Manipulationssektors« gelten für Neurechte auch die »Denkmanipulations-« und »Denkvermeidungsfabriken« der »Regierungs-Denkbeschränkungsfabriken-Industrie.« Sie verbinden sich mit den Universitäten und »Soros-„Think“tanks« zum »Akademisch-Industriellen-Indoktrinationskomplex.« In ihm arbeiten »Umerziehungs-« und »Gehirnwäschefabriken« mit Subunternehmen aus der »Erinnerungs-« und »Vergangenheitsbewältigungsindustrie« zusammen, um mit »Schuldkultunternehmen« und »Holocaust-Industrie« gutes Geld mit der »Vergangenheitsbewirtschaftung« zu machen. So zynisch sprechen Neurechte über deutsche Geschichte und den Umgang mit ihr und verdecken, dass der Holocaust nicht nur ein monströses Verbrechen gegen die Menschlichkeit war, sondern auch ein Projekt zur industriellen Vernichtung und gewerblichen Verwertung von Menschen.

Auch auf dem Feld der Klimapolitik erkennen Neurechte nicht an, dass ein von Menschen gemachter Klimawandel schwere ökologische und soziale Krisen zur Folge haben wird und energie- und umweltpolitische Maßnahmen zwingend erforderlich macht. Sie vermuten vielmehr wirtschaftliche Interessen am Werk, denn einen menschengemachten Klimawandel gibt es in ihren Augen nicht. Vielmehr hätten sich etablierte Parteien und linksnahe Wirtschaftszweige zusammen mit der »Klimapanikwissenschaftsbranche« dazu verabredet, einen Klimawandel als Tatsache erscheinen zu lassen, um eine Rechtfertigung dafür zu haben, für teure Maßnahmen zur Weltrettung den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern noch tiefer in die Taschen zu greifen. Entsprechend spinnen Neurechte an der Verschwörungslegende vom »Klima-Industriellen-« oder »ökologisch-alarmistisch-industriellen Komplex.« Alle »Klimawandel-Gewinnler« von den großen Energieunternehmen bis zu den Grünen, denen sie »Klimavetternwirtschaft« vorwerfen, zählen Neurechte zur »Klimaalarm-«,»Klimaangst-«,»Klimakatastrophen-« und »Klimawahnindustrie.« Staatliche Unterstützung habe auf dem Markt nicht überlebensfähige Scheinindustrien entstehen lassen, die verächtlich als »Windrad-Subventionsindustrie,«»Windmühlenindustrie« und »Solarschwindlerbranche« tituliert werden. Die Klimapolitik gibt Neurechten zudem Anlass, die Bundesrepublik in die Nähe der DDR-Diktatur zu rücken, indem sie die Maßnahmen als Ausdruck einer »Klimazwangswirtschaft« und »Strom-Planwirtschaft« darstellen.

Wenig überraschend stehen auch Gender-Theorie, Feminismus, sowie Homosexuellen- und Transsexuellen-Interessenverbände bei Neurechten unter dem Verdacht, nicht nur für das Ideal einer Gesellschaft zu kämpfen, die eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ermöglicht, sondern dem Ideal einer pekuniären Selbstversorgung der Aktivistinnen und Aktivisten zu dienen. Gender Studies etwa werden als »Jobmaschine für meschuggene Akademikerinnen« abgetan. Und vom als »Gender-Geldstreaming« bezeichneten »Gender-Mainstreaming« wird behauptet, es habe lediglich zum Ziel, Frauen gleiche Bezahlung bei weniger Leistung zu verschaffen. Abfällig munkeln Neurechte, die aus »Berufstranssexuellen« bestehende »Transenlobby« werbe in der Politik gezielt für die »Geschlechtsumwandlungsindustrie.« Analog wird insinuiert, die in der »BRD-Homo-Lobby« organisierten »Berufshomoletten« arbeiteten mit der »Homoindustrie« an der »Verschwulung« Deutschlands.

Innere Sicherheit und Kriminalität als Importindustrien

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Das am stärksten mit sarkastischen Schmähausdrücken aus dem Bereich von Ökonomie und Wirtschaft belegte Politikfeld ist jedoch das der inneren Sicherheit und Kriminalität. Und zwar vor allem auch deshalb, weil Neurechte es so obsessiv mit Zuwanderung verknüpfen, dass man den Eindruck haben könnte, Kriminalität von Deutschen gebe es gar nicht. Die »Kriminalitätsindustrie« ist für sie daher stark importorientiert. Einzelne Sektoren sind beispielsweise der »Vergewaltigungs-Massen-Import,« der »Gewaltunkulturimport,« der »Killermaschinen-Import,« der »IS-lam-Import« und der »Import-Terrorismus.« Ihren Boom verdankt die Branche den »Importkriminalitäts-Kollaborateuren« in der Politik, allen voran der »Kriminellenimport-Chefin« Angela Merkel. Vom »Kriminellen-« und »Terroristenimport« profitieren in der zynischen Sichtweise der Neurechten auch Zulieferer aus der »Passfälscher-«, »Messer-« und »Sprengstoffindustrie.« Auch die Serviceindustrie und ihre Zulieferer machen Profite: Die »Betonklotz-«, die »Grenzsicherungs-« und »Heimatsicherheitsindustrie,« die »Pfefferspray-« und »Schusswaffenindustrie« und schließlich auch die »Justiz-Industrie« können fette Gewinne einstreichen.

Schier unerschöpflich ist das Reservoire an herabwürdigenden Sarkasmen, die Neurechte mit dem Grundwort »Fachkraft« bilden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Für Neurechte handelt es sich bei Zuwanderern, besonders bei jenen aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten um »Elendsimport,«»Drecksimport,«»Abschaum-Import« und »Import-Parasiten.« Sie nennen sie nur deshalb »Fachkräfte,« weil die Politik auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise die Zustimmung zur Aufnahme von Geflüchteten aus Sicht der neuen Rechten mit der Lüge erkauft habe, es würden vor allem Fachkräfte nach Deutschland fliehen, die sich problemlos in den Arbeitsmarkt integrieren ließen. In dem »Facharbeiter-Märchen,« wie es sich Neurechte erzählen, versprach die »Gottkönigin« eines reichen Landes ihren Untertanen, man müssen zur Sicherung des Wohlstands dringend benötigte »Atomwissenschaftler« und »Raketentechniker« ins Land holen. Diese seien so wertvoll wie Gold, ja noch wertvoller. Wie der Frosch, der sich in einen Prinzen verwandelt, nur eben umgekehrt, verwandelten sich diese »Bereicherungs-Fachkraft-Goldstücke« jedoch in betreuungsbedürftige »Sozialhilfefachkräfte« und hochqualifizierte »Asyltechniker,« die in der »Sozialamtsbranche« ihre berufliche Erfüllung fanden. Seither sprechen die Bewohner des Märchenlandes sarkastisch von »Menschen mit Fachkraft-Hintergrund« und »Fachkraftolanten,« wenn der »Humankapitalimport« sich als Fehlinvestition entpuppt. Und wenn sie nicht zum Opfer von »Messerfacharbeitern« geworden sind, dann leben sie noch heute.

Merken Sie es? In diesem Märchen geht es nicht um Verfolgung und Flucht, um das Recht auf Schutz und Asyl, um humanitäre Hilfe und die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens. Es geht allein um ökonomischen Nutzen und Verwertbarkeit. Und es geht natürlich um Verallgemeinerungen: Die Geflüchteten sind faul, aufgrund ihrer kulturellen Herkunft nicht-integrierbar und kriminell. Derlei rassistische Vorurteile finden sich zuhauf in den sarkastischen Fachkraft-Schmähnamen. Beispielsweise das Vorurteil von der ungezügelten Sexualität, das in Bezeichnungen wie »Sex-«, »Trieb-« und »Unterleibsfachkraft« seinen Ausdruck findet, aber auch in Verunglimpfungen wie »Begattungs-«, »Schnacksel-« und »Fick-Ficki-Fachkraft.« Zu potentiellen Sexualstraftätern werden Geflüchtete durch Bezeichnungen wie »Fummelfacharbeiter,«»Busengrapsch-«, »Vergewaltigungs-« und »Rapefugee-Fachkraft« abgestempelt. Die Unterstellung, sie seien nur nach Deutschland gekommen, um den Islam zu verbreiten, wird in höhnische Bezeichnungen wie »Religions-« und »Friedensfachkraft« sowie »Moscheebaumeister« verpackt. Weil die Verbreitung des Islam nicht friedlich und im Einklang mit den Gesetzen der Bundesrepublik erfolgen könne, bezeichnen Neurechte muslimische Zuwanderer als »Scharia-Gliedmaßenchirurgen,«»Dschihad-« und »ISIS-Fachkräfte.«

Und weil für Neurechte Kriminalität und Herkunft aufs Engste miteinander verknüpft sind, verallgemeinern sie Zuwanderer zu »Kriminalitätsfacharbeitern,« die als »Drogenfachkräfte« und »Eigentumsübertragungsfachkräfte« (vulgo »Einbrecherfachkräfte«) arbeiten, häufig aber auch im Bereich der Gewaltkriminalität tätig sind. Für sie haben Neurechte Bezeichnungen wie »Kopftreter-Fachkraft,«»Würgermeister« und »Rasierklingen-Fachkraft,« aber auch Berufsbezeichnungen wie »Messer-Chirurg,«»Machetenfacharbeiter,«»Axt-« und »Enthauptungsfachkraft« ersonnen. Zu den »Totschlag-Fachkräften« und »Gewalt-Facharbeitern« zählen Neurechte auch die »Terrorfacharbeiter,« die als Flüchtlinge angeblich in großen Scharen nach Deutschland gekommen sind. Als »Schläfer-Fachkräfte,«»Attentats-« und »Musel-Sprengmeister,«»Bomben-«, »Schnellkochtopf-« und »AK47-Fachkräfte« tituliert, sollen Geflüchtete insgesamt als Gefahr für Leib und Leben aller Deutschen dargestellt werden.

Der voller Sarkasmus ausgerufene Wirtschaftsboom führt zu Rekordüberschüssen, aber auch zu einigen Defiziten. So sprechen Neurechte menschenverachtend von »Überschussmenschen,«»Überschusspopulationen,« ja von einer »Überschussbrut,« die nach Deutschland importiert worden sei, mit »Hygiene-«, »IQ-« und »Demokratie-Defizit.«

Von humorlosen Empörungsfachkräften der Mitleidindustrie

Sie können über diese Art von Humor nicht lachen? Ich auch nicht. Für Neurechte sind wir damit Geschädigte der in den letzten Jahren expandierenden »Empörungsbewirtschaftung.« Unsere überspannte Empfindlichkeit verdankt sich der Manipulation durch die »Tränendrüsen-«, »Mimimi-« und »Mitleidindustrie.« Mitleid aber, so wird von neurechten Kommentatoren kolportiert, ist ein schlechter Ratgeber und keine politische Kategorie. Und moralische Empörung ist kein Argument, sondern die Standardstrategie von Idioten, um sich selbst Würde zu verleihen.

Dabei übersehen Neurechte, dass sie selbst Fachkräfte einer Skandalisierungs- und Empörungsindustrie sind, die jeden illegalen Grenzübertritt zur »Invasion« und jedes Gewaltverbrechen zum »Genozid am deutschen Volk« hochjazzt. Der Sarkasmus, der uns in der menschenverachtenden ökonomischen Bildsprache der Neurechten entgegentritt, soll diese Mechanismen aber maskieren. Mit ihm stilisieren sich Neurechte zu Zynikern, die aus Einsicht in die Widersinnigkeit der gegenwärtigen kulturellen und staatlichen Ordnung die geltenden Wert- und Moralvorstellungen verachten und sich im Medium beißenden Spotts in einer gleichgültig-distanzierten Lebensweise üben. In der Politikwissenschaft gilt politischer Zynismus als Entfremdung von Staat, politischem System, seinen Institutionen und Akteuren. Diese Entfremdung hat ihre Ursache darin, dass der Politik Inkompetenz und mangelnde moralische Integrität unterstellt werden. Die Forschung zeigt, dass ein Bombardement mit populistischen Nachrichten bei politischen Zynikern eine Spirale der Unzufriedenheit in Gang setzt, die zu immer extremeren Ansichten führt. Und so bemäntelt der neurechte Sarkasmus nicht nur die Ökonomie neurechter Emotionen, sondern befeuert Hass und Radikalisierung.

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