Systematik der Pflanzen: Samenpflanzen (Spermatophyta)
Die Samenpflanzen (Spermatophyta) umfassen die Nacktsamer (Gymnospermen) und die Bedecktsamer (Angiospermen). Sie sind extrem artenreich (ca. 241 000 Arten) und für den Menschen von besonderer Bedeutung, da die meisten Nutzpflanzen zu den Samenpflanzen gehören und sie dadurch einen direkten Einfluss auf die menschliche Existenz haben. Sie dienen z. B. als Nahrungsmittel, Baustoffe, chemische Inhaltsstoffe oder Energie. Ferner haben Samenpflanzen indirekte Einflüsse auf das menschliche Leben, z. B. in ihrer ökosystemaren Funktion durch Zersetzungsprodukte und Stoffwechselkreisläufe (z. B. Kompost), zur Energiegewinnung (z. B. in Form von Holz, Biogas oder als Braun- und Steinkohle), als Futterpflanzen für landwirtschaftliche Nutztiere und zu Klimazwecken (z. B. CO2-Speicherung der tropischen Regenwälder).
Gekennzeichnet sind die Samenpflanzen durch die Entwicklung von Samen innerhalb einer geschützten Samenanlage mit einem Embryo. Dies setzt Heterosporie voraus, also die Bildung von Mikrosporen und Megasporen. Als Besonderheit der Samenpflanzen verbleiben die extrem reduzierten weiblichen bzw. männlichen Gametophyten in der Mikro- bzw. Megaspore, die vom Sporangium (Mikrosporangium und Megasporangium) umschlossen bleibt.
Im Inneren des Mikrosporangiums (Pollensack) entwickeln sich aus vielen Pollenkornmutterzellen durch Reduktionsteilung (Meiose) Pollentetraden, die auch als haploide Mikrosporentetraden bezeichnet werden. Jede Zelle der Tetrade teilt sich wiederum mitotisch, sodass jeweils eine vegetative und eine generative Zelle von einer gemeinsamen Zellwand innerhalb des Pollenkorns umschlossen bleiben. Die generative Zelle teilt sich wiederum in mindestens zwei oder mehr begeißelte Spermatozoiden (z. B. Ginkgo, Palmfarne) oder zu unbegeißelten Spermazellen (Bedecktsamer). Zur Bestäubung werden die Pollen aus dem Mikrosporangium entlassen und durch den Wind oder durch Tiere zu den weiblichen Samenanlagen transportiert. Dort keimt der Pollen mit einem Pollenschlauch. Dieser kann entweder die begeißelten Spermatozoiden entlassen, sodass diese mithilfe von Flüssigkeit zur Eizelle schwimmen können, oder der Pollenschlauch transportiert unbewegliche Spermazellen in die Nähe der Eizelle und entlässt die Spermakerne dort, wozu kein Wasser benötigt wird und was als Siphonogamie (Pollenschlauchbefruchtung, Abb. 5.1a, in dieser Leseprobe nicht enthalten) bezeichnet wird.
Im Inneren des Megasporangiums (Nucellus) entwickelt sich eine Megasporenmutterzelle, die sich ebenfalls durch Meiose in vier Megasporen (Embryosack) teilt, wobei drei von diesen in der Regel zugrunde gehen. Die eine verbleibende Embryosackzelle entwickelt sich zum Megaprothallium und teilt sich durch drei freie Kernteilungen – die zunächst von keiner Zellteilung begleitet sind, sodass mehrkernige Zellen entstehen – zu einer Zelle mit acht Zellkernen. Von diesen wandern drei Kerne in die jeweils entgegengesetzten Regionen des Embryosacks und umgeben sich mit jeweils einer eigenen Membran. In einer Region formieren sich die drei Antipoden, in der anderen Region die Eizelle mit den beiden Synergiden (Begleitzellen). Die zentral gelegenen Kerne in der Mitte der Zelle verschmelzen zur diploiden sekundären Embryosackzelle (wobei es diverse Abweichungen von dieser Embryosackentwicklung gibt, hier wird eine mögliche Variante vorgestellt: der sogenannte Polygonum-Typ). Das Megasporangium ist von ein bis zwei mehrschichtigen sterilen Hüllen umgeben, den Integumenten. Megasporangium und Integumente bilden die Samenanlage (Abb. 5.1b, 5.2b, in dieser Leseprobe nicht enthalten). Die Integumente lassen am distalen Ende des Nucellus eine Öffnung frei, die Mikropyle, durch die der Pollen oder der Pollenschlauch in die Samenanlage gelangen kann (Kasten 5.1).
Kasten 5.1: Pollen, Samenanlage und Samen
Pollen wird in den Staubbeuteln (Antheren) der Samenpflanzen gebildet. Pollen besteht aus Pollenkörnern (Mikrosporen) mit einer widerstandsfähigen Zellwand aus Sporopollenin und besitzt einen haploiden Chromosomensatz. Die Pollenkörner entwickeln sich zu männlichen Gametophyten, die die männlichen Gameten (Keimzellen) schützen.
Samenanlagen bestehen aus einem Nucellus, der von ein oder zwei Hüllen (Integumenten) umgeben ist. Im Nucellus entwickelt sich durch Reduktionsteilung der Embryosackmutterzelle die Embryosackzelle, die eine oder mehrere Eizellen bildet.
Samen sind Samenanlage(n) im Zustand der Reife und Trennung von der Mutterpflanze. Ein Samen besteht aus Embryo, Samenschale und (meist) Nährgewebe und entwickelt sich, nachdem die Eizelle durch den männlichen Gametophyten erfolgreich befruchtet wurde.
Nacktsamer haben eine sogenannte einfache Befruchtung, während Bedecktsamer eine doppelte Befruchtung aufweisen: Einer der beiden sich im Pollenschlauch befindlichen Spermakerne verschmilzt mit der Eizelle zur Zygote, während der andere Spermakern mit der sekundären Embryosackzelle zum triploiden Endosperm(Nährgewebe) verschmilzt. Die Zygote entwickelt sich im Rahmen der Embryogenese durch Zellteilungen und Proembryostadien zu einem Embryo; die Samenanlage entwickelt sich zum Samen. Dabei wird im Verlauf der Embryogenese der Bauplan der Pflanze festgelegt.
Der fertige Embryo besteht aus Keimblättern (Kotyledonen), die in unterschiedlicher Zahl vorliegen können, einem Hypokotyl – ein Sprossabschnitt, der die Keimblätter mit der Wurzelanlage (Radicula) verbindet – und einer Plumula, die zwischen den Keimblättern und dem Sprossachsenmeristem liegt und die ersten Laubblattanlagen bildet.
Der Embryo ist in der Regel vom Endosperm umgeben (Ausnahme: Perisperm, wobei Nährstoffe in den Nucellus eingelagert werden, z. B. bei den Ingwerartigen, den Seerosenartigen und den Nelkenartigen) und wird durch eine Samenschale (Testa) geschützt, was als Samen (Abb. 5.2f, in dieser Leseprobe nicht enthalten) bezeichnet wird (Saatgut bei Gärtnern oder Landwirten). Durch teilweise Austrocknung wird der Embryo in dem Samen in einer Art vorläufiger Wartestellung gehalten. Der Samen kann somit ausgebreitet werden und besitzt alle Voraussetzungen, um bei günstigen Keimungsbedingungen zu einer neuen Pflanze heranzuwachsen.
Folgende Merkmale charakterisieren die Samenpflanzen:
- Die Befruchtung ist unabhängig von Wasser.
- Der Gametophyt ist stark reduziert und stets in die Spore eingeschlossen (Mikrospore = Pollenkorn, Megaspore = Embryosack).
- Statt der Megasporen werden bei den Samenpflanzen nun die besser versorgten Samen ausgebreitet.
- Gegenüber den Farnen gibt es eine starke Gewebedifferenzierung (z. B. Sekretionsgewebe, Epidermis ohne Chloroplasten, Siebröhren im Phloem).
- Das Wachstum erfolgt durch Meristeme (spezielle Regionen der Zellteilung).
- Die Bewurzelung ist primär allorhiz (eine Pfahlwurzel als Hauptwurzel mit seitlichen kleineren Nebenwurzeln).
- Die ursprünglichen Vertreter der Samenpflanzen sind Holzpflanzen.
- Die Sprossachse ist aus den Blattachseln (axillär) verzweigt.
- Die Sprossachse besitzt ursprünglich eine Eustele (Kasten 4.1).
- Sekundäres Dickenwachstum ist möglich.
- Bei fossilen Formen gibt es noch dreidimensionales Blattwachstum, bei Palmfarnen noch lang anhaltendes Spitzenwachstum der zunächst eingerollten Blattfiedern, bei abgeleiteten Sippen interkalares, schließlich basales Blattwachstum.
- Abgesehen von den primär zwei (sekundär viele oder 1) gegenständigen Keimblättern ist die ursprüngliche Blattstellung schraubig.
Die Samenpflanzen sind im späten Devon entstanden. Seit dem Beginn des Mesophytikums (vor 225 Mio. Jahren) an der Grenze zwischen Unter- und Oberkreide dominieren sie die terrestrische Vegetation der Erde (Abschn. 8.1). Heute kann man die Vielfalt der Samenpflanzen in zwei Hauptevolutionslinien gliedern: in die sehr vielfältigen und artenreichen Bedecktsamer (Angiospermae) und die Nacktsamer (Gymnospermae) (Tab. 5.1).
Tab. 5.1 Wesentliche Merkmale zur Unterscheidung zwischen Nacktsamern (Gymnospermen) und Bedecktsamern (Angiospermen)
Nacktsamer (Gymnospermen) | Bedecktsamer (Angiospermen) | |
---|---|---|
Lebensdauer | Mehrjährig | Ein- und mehrjährig |
Lebensform | Holzgewächse (Bäume und Sträucher) | Holzige oder krautige Pflanzen |
Leitgefäßstrukturen – Holz (Xylem) | Xylem nur mit Tracheiden, Seitenwände mit großen Hoftüpfeln | Xylem mit Tracheengliedern, leiterförmigen Tüpfeln oder Hoftüpfeln |
Leitgefäßstrukturen – Bast (Phloem) | Phloem nur mit Siebzellen, statt Geleitzellen Eiweißzellen | Phloem mit Siebröhrengliedern und Geleitzellen |
Blattaufbau | Blattquerschnitt gering differenziert, mit meist nur geringen Unterschieden zwischen Blattober- und Unterseite | Blattquerschnitt in der Regel deutlich differenziert oder abgeleitet daraus |
Blattnervatur | Blattnervatur meist dichotom | Blattnervatur fieder-, netz- oder parallelnervig |
Blütenaufbau | Blüten wenig differenziert, meist monözisch oder diözisch, ohne Nektarien | Blüten stark differenziert, meist zwittrig, mit Nektarien |
Samenanlage | Samenanlage frei auf einer Samenschuppe | Samenanlage von einem Fruchtknoten umgeben, der in der Regel Griffel und Narbe besitzt |
Staubblattform | Staubblätter sehr variabel | Staubblätter in Filament und Anthere gegliedert |
Fortpflanzung | Gametophyt gering reduziert, 4- bis vielzellig; häufig mit einem Archegonium | Gametophyt stark reduziert, Mikrogametophyt 3-zellig, Megagametophyt 7-zellig (aber 8-kernig mit Ausnahmen der Vertreter des ANA-Grade), keine Archegonien. Zur Schreibweise s. Kap. 7.2.1 |
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