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Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen: Anthracenderivate

Anthracenderivate
(Anthranoide) Naturstoffe, die sich vom Anthracen ableiten. Es gehören hierzu die meist glykosidisch gebundenen Anthrone, Anthranole, Anthrachinone und die Dianthrone sowie die nichtglykosidisch vorkommenden Naphthodianthrone. Ihre Biogenese erfolgt über Chorismat (Gattung Rubia) oder über den Polyketidweg (Gattungen Aloe, Cassia, Rhamnus und Rheum) ausgehend von 8 Molekülen Malonyl-CoA, die als Acetatreste eingebaut werden. Der unterschiedliche Biogeneseweg führt auch zu abweichenden Substitutionsmustern, nämlich dem Chrysophanol- und dem Rubiadin-Typ. vgl. Formel Emodin, Physcion, Chrysophanol, Aloeemodin, Rhein, Citreorosein, Alizarin, Lucidin, Purpurin, Pseudopurpurin, Rubiadin
Von pharmazeutischer Bedeutung sind insbes. die in 1,8-Stellung hydroxylierten Chrysophanolderivate, die zudem glykosidiert vorliegen. Die betreffenden Glykoside wirken laxierend, wobei mehrere Monosaccharide am Molekül eine besonders starke Wirkung bedingen. Sie stellen jedoch zunächst Prodrugs dar. Nach unveränderter Absorption im Dünndarm erfolgt durch die Mikroflora des Dickdarms die Glykosidspaltung und anschließend die Reduktion der freien Anthrachinone zu den Anthronen, den eigentlichen Wirkformen. Im Dickdarm wird insbes. die Colonmotilität verstärkt, d.h. die stationären Kontraktionen werden gehemmt und die forttreibenden (propulsiven) werden stimuliert. Zusätzlich erfolgt eine Beeinträchtigung der Absorption und Rückabsorption von Elektrolyten, bes. von Chlorid, und nachfolgend von Wasser, so daß verstärkt Flüssigkeit ins Darmlumen gelangt. Es resultiert daraus eine beschleunigte Darmpassage, wobei die Wirkung ca. 6-8 Stunden nach der Einnahme erfolgt. Für die sekretagoge Wirkung wird u.a. eine Stimulierung der PGE2-Bildung, ein Angriff auf die Enterozyten durch Hemmung ihrer Na+/K+-ATPase sowie die Entkopplung ihrer Atmung diskutiert. Als verantwortlich für die Beeinflussung der Motilität wird die Anregung der Freisetzung von Histamin und Serotonin vermutet. Die Dosierungen betragen für Aloe 0,1 g und für die übrigen Drogen 0,5-2 g. Dem entsprechen 20-30 mg Hydroxyanthrachinonderivate pro Tag. Weitere Einzelheiten finden sich in den Artikeln zu den Einzeldrogen der o.g. Gattungen.
Derivate vom Chrysophanoltyp kommen auch in anderen Gattungen, oft jedoch ohne Glykosilierung, vor. Bedeutsam unter diesen ist das Naphthodianthron Hypericin, das in Hypericum perforatum vorkommt, sowie die Anthronabkömmlinge in der Droge Chrysarobin aus Andira araroba (Andira-Arten). Das Vorkommen von Verbindungen des Rubiadin-Typs beschränkt sich im wesentlichen auf die Familie Rubiaceae, bes. Rubia tinctorum.



Anthracenderivate: Chrysophanol- und Rubiadin-Typ.

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