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Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen: Bitterstoffdrogen

Bitterstoffdrogen
bitterstoffhaltige Drogen, die ausschließlich aufgrund ihres bitteren Geschmacks therapeutisch genutzt werden. Bitterschmeckende Drogen, bei denen andere pharmakologische Wirkungen im Vordergrund stehen, z.B. Chinarinde oder Aloe, sind keine B. im engeren Sinne, obwohl in geeigneter Verdünnung auch solche Drogen als B. in entsprechenden Zubereitungen genutzt werden. Da bei B. der bittere Geschmack durch Begleitstoffe der jeweiligen Drogen modifiziert werden kann, unterteilt man die B. in: Amara pura (z.B. Centaurii herba), Amara mucilaginosa (z.B. Lichen islandicus) und Amara aromatica (z.B. Aurantii pericarpii). In chemischer Hinsicht sind Bitterstoffe meist stickstofffreie terpenoide Verbindungen, die bes. häufig Lactonstruktur aufweisen, z.B. Absinthin und Marrubiin. Sie kommen z.T. glykosidiert vor, z.B. Gentiopicrosid und Swerosid. Als nichtterpenoide Bitterstoffe haben v.a. die in Citrusarten vorkommenden Flavanonglykoside Naringin und Neohesperidin sowie die Phloroglucinderivate des Hopfens, Humulon und Lupulon, pharmazeutische Bedeutung.
Die durch Bitterstoffe ausgelöste Geschmacksempfindung "bitter" wird durch die Erregung der sog. Bitterrezeptoren in den Geschmacksknospen des Zungengrundes ausgelöst. Die Geschmacksknospen beim Menschen erneuern sich etwa alle 6-8 Tage. Ihre Zahl ist altersabhängig und nimmt mit steigendem Alter ab. Menschen zwischen 30 und 40 Jahren verfügen über etwa 2 000 Geschmacksknospen. Abgesehen von Alter können Abweichungen in der Geschmacksempfindlichkeit auch genetisch oder durch äußere Einflüsse, z.B. Streß, Nicotin- oder Medikamentenabusus bedingt sein. Für die Geschmackserregung ist offenbar die Bindung des Bitterstoffes an die Bitterrezeptoren entscheidend, wobei der eigentliche Rezeptor ein Glykoproteid darstellt. Weitergeleitet wird die Geschmacksempfindung v.a. über den Nervus glossopharyngeus, verbunden mit einer zusätzlichen Beeinflussung des Nervus vagus. Schließlich wird die unmittelbare Empfindung "bitter" im Wahrnehmungszentrum der Großhirnrinde ausgelöst. In pharmakologischer Hinsicht regen die Bitterstoffe reflektorisch über den Nervus vagus die Speichel- und Magensaftsekretion an, die mit Salzsäure- und Pepsinsekretion im Magen verbunden ist und als encephalische Phase bezeichnet wird. Es folgt die sog. humorale Phase, die mit der Ausschüttung von Gastrin verbunden ist und sowohl die Motorik von Magen und Dünndarm als auch die Sekretion im Pankreas steigert. Bitterstoffe ermöglichen somit eine Sekretionssteigerung und letztlich eine verbesserte Nahrungsausnutzung.
Wichtig für die Wirkung der Bitterstoffe ist die Einnahme etwa eine halbe Stunde vor Nahrungsaufnahme. Im allg. ist dabei eine Sekretionszunahme von 25-30 % erreichbar. Die Heterogenität der Strukturen der bekannten Bitterstoffe emöglichen lediglich eine Wertbestimmung auf physiologischem Wege, d.h. durch Geschmacksprüfung (sensorische Analyse). Ermittelt wird der sog. Bitterwert. Zur Anwendung gelangen bitterstoffhaltige Drogen bei Appetitlosigkeit, u.a. in der Rekonvaleszenz, bei Völlegefühl und Blähungen sowie als Cholagoga. Bitterstoffe kommen inbes. in den Pflanzenfamilien Asclepiadaceae, Asteraceae, Gentianaceae, Lamiaceae, Menyanthaceae und Rutaceae vor. Die Tabelle enthält eine Zusammenstellung ausgewählter Bitterstoffdrogen. Ihre Besprechung erfolgt bei den jeweiligen Einzeldrogen.

Ausgewählte Bitterstoffdrogen.

Droge Pflanze Bitterwert (ÖAB) Strukturtyp
Monoterpene
Gentianae radix Gentiana lutea 10 000 Gentiopikrin u.a.
Centaurii herba Centaurium minus 2 000 Gentapikrin u.a.
Menyanthidis folium Menyanthes trifoliata 4 000 Foliamenthin u.a.
Sesquiterpene
Cnici benedicti herba Cnicus benedictus 800 Cnicin u.a.
Absinthii herba Artemisia absinthium 10 000 Absinthin u.a.
Diterpene
Marrubii herba Marrubium vulgare 3 000 Marrubiin
Salviae folium Salvia officinalis Carnosol u.a.
Colombo radix Jateorhiza palmata Columbin u.a.
Triterpene
Aurantii pericarpium Citrus aurantium ssp. aurant. 600 Limonin u.a.
Quassiae lignum Quassia amara 40 000 Quassin
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