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Lexikon der Astronomie: Gruppe

Definition und Eigenschaften einer Gruppe Gruppe meint ein mathematisches Gebilde, das bestimmten Kriterien genügt. Generell gibt es in einer Gruppenstruktur Elemente einer bestimmten Menge, die miteinander durch eine mathematische (binären) Operation, beispielsweise einer Transformation, verknüpft werden. Bei den Gruppen resultiert aus dieser Operation wieder ein Element, das zur Ausgangsmenge gehört.

Kriterienkatalog mathematischer Gruppen

  • Abgeschlossenheit (engl. closure, Eigenschaft (i)): die Verknüpfung zweier Elemente führt wieder auf ein Element der Gruppe.
  • Existenz eines neutralen Elements i (Eigenschaft (ii)): die Operation ist eine Identität.
  • Existenz eines inversen Elements (Eigenschaft (iii)): die Operation von Element und zugehörigem inversen Element führt auf das neutrale Element.
  • Assoziativität (Eigenschaft (iv)).

Sind alle diese Eigenschaften erfüllt, heißt die Menge mit betreffender binären Operation Gruppe. Ist außerdem Kommutativität gegeben, also Vertauschen der Reihenfolge von Operationen führt zum gleichen Ergebnis, so nennt man die Gruppe abelsch (engl. Abelian group).

Bezug zur Physik: Eichtheorie

In Physik ist die Gruppentheorie ein sehr wichtiger mathematischer Zweig, der zu einem tiefen Verständnis der Natur führt. Man untersucht dabei die Invarianzeigenschaften physikalischer Gesetzmäßigkeiten, die auf Symmetrien und Erhaltungsgrößen führen (Noether-Theorem). Viele physikalische Transformationen (Rotationen, Translationen, Galilei-Transformation, Lorentz-Transformation etc.) erfüllen gerade die Gruppeneigenschaften und bilden damit mathematische Gruppen. Die Struktur dieser Gruppen hat einen tiefsinnigen, physikalischen Gehalt, weshalb das Studium der Gruppentheorie lohnt.
So offenbaren auch die Gravitationstheorien Gruppenstrukturen: die klassische Newtonsche Theorie kann auf die Galilei-Gruppe zurückgeführt werden.
Die Spezielle Relativitätstheorie und Allgemeine Relativitätstheorie stehen mit der Speziellen und Allgemeinen Lorentzgruppe in Zusammenhang. Man erkennt hier Verwandtschaften zu den klassischen Drehgruppen des zwei- und dreidimensionalen Raumes, was nahe legt, dass zumindest ein Anteil bei den Lorentz-Transformationen als Drehung im vierdimensionalen Minkowski-Raum interpretiert werden kann.
Die Quantenfeldtheorien des Standardmodells der Teilchenphysik, Quantenelektrodynamik, Quantenchromodynamik und schwache Wechselwirkung sind ebenfalls mit Symmetriegruppen bestimmter Gruppenstruktur verknüpft.
In den Eichtheorien führt man Eichfelder ein, die dafür sorgen, dass gewisse Symmetrien erhalten bleiben. Diese Eichfelder werden als Eichbosonen interpretiert, die gerade die Wechselwirkung der jeweiligen Eichtheorie vermitteln. Es handelt sich um die intermediärenVektorbosonen, also Spin 1 tragende Austauschteilchen. Einzige Ausnahme bildet das hypothetische Graviton, das Austauschboson einer Quantengravitation, das ein Tensorboson (Spin 2) ist.
Das Konzept macht klare Aussagen zu diesen Wechselwirkungen, wie beispielsweise zur Zahl ihrer Eichbosonen und die Erscheinung der Wechselwirkungskräfte. In der QED beispielsweise erreicht man eine Invarianz der Dirac-Gleichung (die man aus einer speziell relativistischen Quantenmechanik extrahiert) durch die Einführung eines Eichfeldes, das man schließlich mit dem Photon identifiziert!
Die Methodik ist in den anderen Quantenfeldtheorien identisch: Physiker sind immer daran interessiert, die Bewegungsgleichungen der jeweiligen Theorie, die Feldgleichungen, invariant unter bestimmten Eichtransformationen zu lassen. Die resultierenden Eichfelder können immer als Eichbosonen der Theorie interpretiert werden, die die Wechselwirkung vermitteln!
Die ungebrochenen Eichtheorien beinhalten masselose Eichbosonen, wie es im Falle der QED und dem masselosen Photon erfüllt ist. Massebehaftete Eichbosonen kann man erst durch den Higgs-Mechanismus generieren, so zum Beispiel in der Schwachen Wechselwirkung. Das Higgs-Boson bewirkt eine spontane Symmetriebrechung und stattet durch Wechselwirkungen mit Fermionen und Bosonen diese mit Masse aus.

Terminologie von Gruppen

Die Gruppennamen fußen auf den Eigenschaften der Transformation. Gegeben sei eine Eichgruppe G(N). Es gelten folgende Vereinbarungen und Definitionen:

  • G(N) heißt speziell, wenn die Determinante der Transformationsmatrix exakt eins ist: det(U)= 1. Die speziellen Gruppen nennt man die S(N).
  • G(N) heißt unitär, wenn die Transformationsmatrix unitär ist: U+ = U-1. Dabei bezeichnet + oder * T die Bildung der komplexen Konjugation aller Komponenten der Matrix sowie anschließende Transposition, also das Vertauschen von Spalten und Zeilen der Matrix. Die unitären Gruppen nennt man die U(N).
  • G(N) kann beide Eigenschaften, speziell und unitär, erfüllen. Dann heißen diese Gruppen die SU(N).
  • G(N) heißt orthogonal, wenn die Transformationsmatrix orthogonal ist, OT = O-1. Dabei bezeichnet T wiederum die Transposition, also das Vertauschen von Spalten und Zeilen einer Matrix (Anmerkung: Bei reellen Matrizen fallen die Begriffe unitär und orthogonal zusammen.). Diese Gruppen erhalten das Präfix O.
  • Die speziellen, orthogonalen Gruppen heißen auch SO(N).
  • Das N in G(N) gibt gerade die Dimension der Transformationsmatrix an.

Beispiele:

  • 1) Die SO(2) ist Drehgruppe im 2D-Raum. Sie wird von Pauli-Spin-Matrizen (oder alternativ den Quaternionen) generiert. Dies sind also 2 × 2 – Matrizen. Die 22 – 1 = 3 Pauli-Matrizen heißen Generatoren der Drehgruppe.
  • 2) Dementsprechend ist die SO(3) die Drehgruppe im 3D-Raum. Die Drehungen leisten 3 × 3 – Matrizen.
  • 3)Heisenberg führte eine Symmetrie zwischen Proton und Neutron, den Nukleonen ein. Sie haben denselben Isospin, I = 1/2, aber unterschiedliche Projektionen dieses Isospinvektors. Die zugrunde liegende Gruppe des Isospins ist die SU(2). In Abwesenheit von elektromagnetischer Wechselwirkung wären Proton und Neutron identisch, aber infolge der vorhandenen elektromagnetischen Wechselwirkung findet eine Symmetriebrechung statt und bewirkt den geringfügigen Unterschied in den Massen dieser beiden Teilchen und den klaren Unterschied in der elektrischen Ladung.
  • 4) Die Quantenelektrodynamik hat eine besonders einfache Gruppenstruktur, die U(1). Die Transformationsmatrix ist demnach eine unitäre 1 × 1 – Matrix. Das Eichboson ist das masselose, elektrisch neutrale Photon, der Generator der U(1). Die assoziierte Symmetrie bzw. Erhaltungsgröße ist die erhaltene elektrische Ladung.
  • 5) Die schwache Hyperladung, eine Quantenzahl, fußt ebenfalls auf der U(1)-Gruppe.
  • 6) Der schwache Isospin, wie er ausführlich bei den Leptonen beschrieben wird und zu deren Klassifikation dient, basiert auf der SU(2)-Gruppe.
  • 7) Die Gruppenstruktur der Quantenchromodynamik basiert auf der SU(3) und wird also durch spezielle, unitäre 3 × 3 – Transformationsmatrizen beschrieben. Das Farb-Oktett, die acht masselosen Gluonen mit Farbladung, sind kein Zufall: sie sind gerade die 32 – 1 = 8 linear unabhängige Generatoren dieser Symmetriegruppe. Die Erhaltungsgröße ist die erhaltene Farbladung.
  • 8) Eine besondere Stellung und höhere Komplexität nimmt die schwache Wechselwirkung ein. Die schwachen Austauschteilchen sind nicht masselos, sondern sogar sehr massereich, nämlich 86fache bzw. 97fache Protonmasse! Auch ist der 'schwache Ladung' nicht erhalten. Das gibt bereits einen Hinweis auf eine kompliziertere Gruppenstruktur. Die Teilchenphysiker fanden das direkte Produkt zweier Gruppen SU(2) × U(1) und begründeten eine elektroschwache Theorie. Deren Anfangszustand ist eigentlich symmetrisch und führt auf vier masselose Bosonen. Die Umgebung, das Quantenvakuum ist hingegen nicht symmetrisch. Dieses Vakuum, was durch ein masseloses Skalarfeld, dem Higgs-Teilchen beschrieben wird, bewirkt eine spontane Symmetriebrechung in dessen Folge die beiden W-Teilchen und das Z-Teilchen eine Masse erhalten, das Photon hingegen nicht.
  • 9) Das Unifikationsbestreben geht jedoch noch viel weiter, als nur bei diesen zwei Wechselwirkungen. In den Großen Vereinheitlichten Theorien (GUT) kann man drei der vier fundamentalen Kräfte (ohne Gravitation) in einem einheitlichen Bild beschreiben. Das direkte Produkt der einzelnen Symmetriegruppen führt auf die SU(5)-Gruppe 24 Eichbosonen. Somit handelt man sich 12 weitere bosonische Austauschteilchen neben den bekannten ein, sie heißen X-Bosonen oder Leptoquarks. Die Theorie hat sicherlich einen ästhetischen Reiz, doch muss das Experiment ihre Gültigkeit untermauern. Entweder schafft man es, diesen Nachweis in Teilchenbeschleunigern zu erbringen oder die Beobachtung des Frühen Universums, nur Sekundenbruchteile nach dem Urknall bringt Indizien zur Richtigkeit der GUT.
  • 10) Die Spezielle Lorentz-Transformation lässt die Minkowski-Metrik invariant und ist daher eine Isometrie. Man kann die Gruppeneigenschaften anhand der Lorentz-Transformationsmatrix nachvollziehen und die Spezielle Lorentz-Gruppe ableiten. Dem übergeordnet ist die Poincarégruppe, die um Translationen erweitert ist. Die Lorentzgruppe ist demgemäß eine Untergruppe der Poincarégruppe.
    Untergruppen sind auf Untermengen definiert, die jedoch ebenfalls die Kriterien einer mathematischen Gruppe erfüllen.
  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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