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Lexikon der Astronomie: ITER

Seit Jahrzehnten plant ein internationales Konsortium ein ehrgeiziges und teueres Projekt: den Bau und die Inbetriebnahme von Fusionskraftwerken. In solchen Kraftwerken soll das Prinzip der Energieumwandlung genutzt werden, wie es auf der Sonne seit Jahrmilliarden abläuft: die thermonukleare Fusion.

ITER auf dem Weg

Die Planungsphase ist nun endlich in den Beginn der Bauphase übergetreten: Im Juli 2005 wurde beschlossen die internationale Fusionstestanlage ITER (lat. für 'Weg' oder 'Reise') in Cadarache (Südfrankreich) zu bauen. Man darf den Projektnamen wohl so verstehen, dass die internationale Kollaboration die wirtschaftliche Nutzung von Fusionsenergie auf den Weg bringen will. Das internationale Projekt steht zurzeit unter der Beteiligung der EU, der USA, Russland, Japan, China und Südkorea. Sie teilen sich die Baukosten von 4.6 Mrd. Euro für die Umsetzung des Projekts. Die Betriebskosten des Fusionskraftwerks werden sich jährlich wahrscheinlich auf 265 Mio. Euro belaufen.

Ziel: Machbarkeitsstudie der Fusionsenergie

Erklärtes Projektziel ist es, die Machbarkeit (den proof of concept) eines Fusionskraftwerks zu beweisen. Vor allem soll demonstriert werden, dass die kontrollierte Fusion Energie liefert, die wirtschaftlich genutzt werden kann. Ziel ist insbesondere ein Energiegewinnungsfaktor von mindestens 10, d.h. das Zehnfache der zur Plasmaheizung benötigten Energie soll wieder als Fusionsenergie frei werden. Nur dann sind Fusionskraftwerke wirtschaftlich lukrativ.

Prinzip des Fusionskraftwerkes

Das Prinzip des Fusionskraftwerkes ist es, das leichteste und häufigste Atom – Wasserstoff – zu Helium zu verschmelzen. Es handelt sich demnach um das oben beschriebene Wasserstoffbrennen, das nach dem Motto 'Pack die Sonne in den Tank' dauerhaft auf die Erde geholt werden soll. Das Brennstoffgemisch besteht aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium, die aus einem Proton und einem Neutron bzw. einem Proton und zwei Neutronen bestehen. Auf der Erde müssen allerdings deutlich höhere Zündtemperaturen als im Sonneninnern ermöglicht werden, weil das irdische Plasma eine viel kleinere Dichte (1014 Teilchen/cm3) aufweist: 100 Millionen Grad sind nötig!

Herausforderung: Plasma soll extrem heiß bleiben

Um ein Abkühlen des Plasmas zu vermeiden, darf es auf keinen Fall die Wände des Reaktors berühren. Genau das ist ein gravierendes, technisches Problem. Das extrem erhitzte Plasma wird in einem schlauchförmigen Gebilde (Torus) mithilfe von starken Magnetfeldern eingeschlossen. Die Kunst besteht darin, die richtige Konfiguration der Magnetfelder zu ermitteln.
Im ITER-Projekt wurden folgende Eckdaten niedergelegt: In einem Plasmavolumen von 840 m3 soll für die Dauer von etwa fünf Minuten eine Fusionsleistung von 500 Megawatt produziert werden. Die aktuellen Energieprobleme wären mit Fusionskraftwerken gelöst: Nur ein Gramm des Brennstoffs könnte 90 Megawattstunden Energie freisetzen; das entspricht der Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle! Einziger Wermutstropfen ist, dass die Reaktorwände radioaktiv werden und sie ebenso wie der radioaktive Abfall der herkömmlichen Kernkraftwerke (Fissionskraftwerke) zwischengelagert werden müssen. Zum Glück ist die Halbwertszeit recht kurz.

Projektstatus & Ausblick

Nach dem nun beschlossenen Standort von ITER, wird es weitere zehn Jahre dauern bis der Bau abgeschlossen ist. Dann werden etwa 600 Mitarbeiter zwanzig Jahre lang am Projekt arbeiten. Wirtschaftlich nutzbar wird die Energie aus Fusion auf der Erde vermutlich erst in etwa 50 Jahren! Es ist sowohl zeitlich, als auch finanziell ein Mammutvorhaben, das jedoch hoffentlich eine 'astronomische Rendite' haben wird.
Energiewirtschaftlich gibt es langfristig kaum Alternativen, da fossile Brennstoffe wie Erdöl und Kohle, aber auch spaltbares Uran (U-235) begrenzt sind. Regenerative Energieressourcen wie die Solartechnik, Wind- und Gezeitenkraftwerke sind langfristig nach der aktuellen Einschätzung nur ein Additiv in der Energiewirtschaft, die den steigenden Energiebedarf einer modernen Zivilisation kaum decken wird.
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching begann schon seit den 1960er Jahren mit der Fusionsforschung und ist maßgeblich an ITER beteiligt. Die Pressemitteilung vom 01. Juli 2005 diente auch hier als Informationsquelle.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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