Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Koinzidenzproblem

Eine Koinzidenz bezeichnet generell das gleichzeitige Auftreten zweier oder mehrere Ereignisse. Das Koinzidenzproblem tritt nun speziell in der Kosmologie auf und bezieht sich auf die erstaunliche Beobachtung, dass die Anteile von Dunkler Energie und Dunkler Materie zufällig gerade die gleiche Größenordnung im lokalen Universum haben. Das drückt sich konkret dadurch aus, dass die dimensionslosen Dichteparameter der Kosmologie, ΩΛ für die Dunkle Energie und Ωm für die Dunkle Materie, nur um etwa einen Faktor drei verschieden sind.

Beobachtungsdaten

In der modernen Kosmologie gibt mittlerweile viele Modelle für Dunkle Energien. Die aktuellen Beobachtungsdaten der Astronomie, vor allem sehr weit entfernte, explodierende Weiße Zwerge (Supernovae Typ Ia), legen eine zeitlich konstante Form Dunkler Energie in Gestalt der kosmologischen Konstante Λ nahe: Die Supernovadaten, die mit dem Weltraumteleskop Hubble gemessen wurden, besagen, dass kosmologische Konstante schon vor 9 Mrd. Jahren den aktuellen, lokalen Wert hatte (Riess et al. 2006, STScI/NASA).

Verschärfung des Problems

Die favorisierte Interpretation der Dunklen Energie ist, dass sie ein Resultat des überall fein verteilten Quantenvakuums ist. Diese Interpretation klingt reizvoll, entpuppt sich bei der konkreten Berechnung mittels der Quantenfeldtheorie als problematisch, weil Beobachtung und Theorie um 120 Größenordnungen auseinander liegen! Die Hypothese vom Quantenvakuum ist auch deshalb problematisch, weil es nicht einsichtig ist, warum der Anteil des Quantenvakuums sich zeitlich während der Entwicklung des Universums ändern sollte – hier mag die aktuelle Forschung in den Quantenfeldtheorien und der Kosmologie (Astroteilchenphysik) neue Einsichten bringen.

Die Lösung

Das Koinzidenzproblem kann gelöst werden, wenn man zulässt, dass die Dunkle Energie zeitlich variabel oder anders gesagt eine Funktion der kosmologischen Rotverschiebungz ist. Inzwischen gibt es in der Kosmologie viele Modelle, die dieser Forderung gerecht werden: sie heißen z.B. Quintessenzen, aber auch andere Modelle wie das Radion oder die Phantom-Energie wurden vorgeschlagen (sämtliche Formen werden im Eintrag Dunkle Energie vorgestellt).
Die aktuellen Beobachtungen besagen jedoch, dass wenn die Dunkle Energie wirklich variabel ist, dann kann sie es nur in den ersten vier Milliarden Jahren des Universums gewesen sein. Danach wurde sie konstant oder entwickelt sich nur noch extrem langsam.

w wie warum eigentlich nicht?

Die Kosmologen drücken die Form der Dunklen Energie und ihre Zeitabhängigkeit sehr elegant durch den so genannten w-Parameter aus: w ist gerade das Verhältnis von Druck und Energiedichte (c = 1) der jeweiligen Dunklen Energie. Die Zeit- oder äquivalent Rotverschiebungsabhängigkeit drücken die Kosmologen mit w' = ∂w/∂z aus. Für die kosmologische Konstante gilt z.B. w = -1 und w' = 0. Für typische Quintessenz-Modelle gilt hingegen w = -1/3 und w' ≠ 0.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.