Lexikon der Astronomie: marginal gebundene Bahn
Dies bezeichnet einen charakteristischen Orbit um ein Schwarzes Loch.
Allgemeines zur Himmelsmechanik
Zur besseren Veranschaulichung des Begriffs sei zunächst auf die Bewegungen von Himmelskörpern im Sonnensystem verwiesen: Ganz allgemein sind die Bahnen um die SonneKegelschnitte, also Schnittfiguren einer Ebene mit einem Kegel, d.h. Ellipse, Kreis, Parabel oder Hyperbel. Die empirisch gefundenen Kepler-Gesetze können mathematisch mit der Newtonschen Gravitationsphysik erklärt werden. Mit den Mitteln der klassischen Mechanik sind so Bahnbewegungen im Zentralpotential einer Masse berechenbar.
Welche dieser Bahnen ein Körper beschreibt, hängt von seiner Geschwindigkeit und seiner relativen Position zur Zentralmasse ab:
Kreisbahn, Ellipsenbahn
Die gebundenen Bahnen um die Sonne sind gerade die Kreise (Exzentrizität null) und Ellipsen, wie sie die Planeten oder Kometen beschreiben. Dabei sind die Exzentrizitäten der Kometen wesentlich höher, als die der Planeten, so dass sie scheinbar für lange Zeit das Sonnensystem verlassen, um dann wiederzukehren. Ein berühmtes Beispiel ist der Halleysche Komet, der eine Umlaufperiode von etwa 76 Jahren hat. Die Gesamtenergie dieser Körper ist kleiner als null.
Parabelbahn
Die parabolischen Orbits vollführen die marginal gebundenen Körper, die gerade auf der kritischen Grenze zwischen potentieller Energie durch die Anziehung der Sonnenmasse und kinetischer Energie durch eigene Bahngeschwindigkeit liegen: ihre Gesamtenergie ist gerade null.
Hyperbelbahn
Die Körper auf hyperbolischen Bahnen haben eine Gesamtenergie größer als null.
Fluchtgeschwindigkeit
Man könnte sich die Verhältnisse auch mit der Fluchtgeschwindigkeit klarmachen: vesc = (2GM/r)1/2, mit der Zentralmasse M, der Gravitationskonstante G und einem Radius r, z.B. dem Oberflächenradius des Körpers, von dem man die Fluchtgeschwindigkeit bestimmen möchte. Bei der Erde beispielsweise müssen Raketen eine Geschwindigkeit von 11.18 km/s (mehr als 40000 km/h!) aufbringen, um ihrem gravitativen Anziehungsbereich entkommen zu können (Erdmasse MErde = 5.974 × 1024 kg, Erdradius rErde = 6378 km). Die Fluchtgeschwindigkeit hängt natürlich vom Abstand ab und wird entsprechend kleiner, wenn das Testteilchen weiter von der Zentralmasse entfernt ist.
Für kleinere Geschwindigkeiten als die Fluchtgeschwindigkeit beschreiben Körper gebundene Bahnen (Ellipsen) um eine Zentralmasse, für den exakten Wert der Fluchtgeschwindigkeit sind sie auf parabolischen Bahnen und bei größeren Geschwindigkeiten als die Fluchtgeschwindigkeit sind die Bahnen hyperbolisch.
Was ist nun die marginal gebundene Bahn?
In der Physik Schwarzer Löcher handelt es sich bei der marginal gebundenen Bahn um einen der charakteristischen Radien, neben der marginal stabilen Bahn, dem Ereignishorizont und dem Photonenorbit. Die marginal gebundene Bahn, üblicherweise mit rmb (mb, engl. marginally bound) abgekürzt, kennzeichnet einen Abstand, bei dem ein Testteilchen, das im Unendlichen ruhend erscheint, gerade an der Schwelle ist, um vom Schwarzen Loch angezogen zu werden.
Beispiel: Kerr-Metrik
Man berechnet diesen Abstand in der Kerr-Geometrie (rotierende Schwarze Löcher) über eine Betrachtung eines effektiven Potentials, indem man die Bindungsenergie E gleichsetzt mit der Ruhemasse m des Testteilchens (in relativistischen Einheiten, c = 1 etc.). Das Verfahren ist also analog zu den Kepler-Bahnen im Newtonschen Fall, nur dass durch die Verwendung des relativistischen Ausdrucks für die Gesamtenergie, E = mc2, einen geschwindigkeitsunabhängigen Term, den Ruhemassenterm, übrig lässt. Daher nicht E = 0, sondern E = m. Demnach erhält man:
Der marginal gebundene Radius folgt für Schwarzschild (a = 0) gerade zu 4 Gravitationsradien und im extremen Kerr-Fall (a = M in geometrisierten Einheiten) zu einem Gravitationsradius.
Die folgende Abbildung fasst sämtliche Strukturen eines Kerr-Loches (mit 0 < a/M < 0.7) inklusive charakteristischen Radien zusammen:
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Der nächste Eintrag marginal stabile Bahn bietet weitere Informationen zum Thema, insbesondere eine Darstellung der effektiven Potentiale.
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