Lexikon der Astronomie: optische Tiefe
Die optische Tiefe ist eine bedeutsame Größe in der Strahlungsphysik. Bei der Wechselwirkung von Strahlung mit Materie kommt es zur Streuung, Absorption, Emission und ggf. Reabsorption sowie Reemission.
Die Details sind von genereller Wichtigkeit in der Astronomie, um die kosmischen Quellen zu verstehen und die Beobachtung beurteilen zu können.
Wechselwirkung von Strahlung mit Materie
Betrachtet man eine elektromagnetische Welle, die sich durch eine Materieschicht fortpflanzt, so verändert sich im Allgemeinen dabei ihre Strahlungsintensität und Richtung. Die Strahlung kann von der Schicht total absorbiert, gestreut, reemittiert, durchgelassen (transmittiert) oder polarisiert werden. Eine Sonnenbrille ist nichts anderes als ein Polarisationsfilter, der eine bestimmte Polarisationsrichtung des Lichts ausblendet und damit insgesamt die Intensität für unsere Augen angenehm schwächt.
Verschlucken von Licht
Die optische Tiefe eignet sich, um die Lichtdurchlässigkeit – oder eleganter formuliert das Transmissionsvermögen – einer Schicht zu charakterisieren. Eine weitere wichtige Größe der Strahlungsphysik, die damit zusammenhängt, ist der Absorptionskoeffizient (in der Regel mit α bezeichnet). Im Allgemeinen ist er wellenlängenabhängig, weil die Farbe des Lichts/die Energie der Strahlung über die Stärke der Absorption entscheidet. Darüber hinaus hängt es natürlich von jeweiligen Strahlungsprozess ab: Absorption verhält sich bei thermischer Strahlung (Wärmestrahlung) anders, als z.B. bei Bremsstrahlung oder Synchrotronstrahlung.
Aufsummieren liefert optische Tiefe
Ist der Absorptionskoeffizient aus der Theorie der Strahlungsphysik bekannt, so ergibt sich die optische Tiefe aus dem Wegintegral über diesen Absorptionskoeffizient. Anschaulich gesagt summiert man über den Weg des Strahls durch das Medium, wo die Absorption stattfindet. Salopp formuliert, geht vorne eine Strahl bestimmter Intensität, Energie und Richtung in die Schicht hinein und kommt mit in der Regel anderer Intensität, Energie und Richtung heraus. Die Astrophysiker nennen das Strahlungstransport.
Beispiel Sonne
Genau das geschieht im Innern der Sonne: Im Kern der Sonne entstehen aus der thermonuklearen Fusion solare Photonen. Diese müssen sich nun einen Weg nach außen durch das dichte Sonnenplasma bahnen, werden gestreut, absorbiert und verlassen schließlich am Sonnenrand, der Photosphäre, die Sonne.
Zusammen gehen wir durch optisch dick und optisch dünn
Die aus dem Absorptionskoeffizient errechnete optische Tiefe wird üblicherweise mit dem griechischen Buchstaben τ bezeichnet. Für das jeweilige Strahlungsproblem wird die optische Tiefe – für Strahlung einer bestimmten Wellenlänge – diskutiert. Ist sie viel kleiner als 1, sprechen Astronomen von einer optisch dünnen Schicht mit guten Transmissionseigenschaften. Ist die optische Tiefe hingegen vergleichbar mit 1 oder gar viel größer, so bezeichnen die Astronomen die Schicht als optisch dick. Die Transmissionseigenschaften sind in diesem Fall schlecht und können dazu führen, dass die Strahlung von der Schicht 'verschluckt' wird.
In der theoretischen Astrophysik werden auch Akkretionsflüsse auf ihre Transmissionsfähigkeit untersucht. Das ist relevant bei der damit assoziierten Strahlungsphysik. So sind beispielsweise Standardscheiben optisch dick, ADAFs hingegen (in der Regel) optisch dünn.
Schlimme Lichtschlucker: Dunkelwolken
Starke Absorber in der Astronomie sind z.B. die Dunkelwolken in Sternentstehungsregionen. Man gibt ihr Absorptionsvermögen, die so genannte Extinktion, in Magnituden (mag) an (siehe auch Helligkeit). Dunkelwolken erreichen typischerweise Extinktionen von 20mag! Das erklärt, weshalb Protosterne von den kalten, dunklen Molekülwolken zumindest im Bereich optischer Wellenlängen vollständig verhüllt werden. Astronomen weichen aus diesem Grund auf die energieärmere Infrarotstrahlung aus, um in die Dunkelwolken Einblicke zu bekommen.
Ein irdisches Beispiel hoher Extinktion ist Nebel. Die fein verteilten Wassertröpfchen lassen sichtbares Licht nicht mehr durch.
Olbers-Paradoxon
Das Olbers-Paradoxon wird allerdings nicht durch die Rötung der Strahlung gelöst, sondern durch die Relativitätstheorie. Unter dem Eintrag Extinktion befindet sich das Foto einer berühmten Dunkelwolke: des Pferdekopfnebels im Sternbild Orion.
Buchempfehlung
- Standardwerk der Strahlungsphysik in der Astronomie: Radiative Processes in Astrophysics von Rybicki & Lightman (1979)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.