Lexikon der Astronomie: Reverberation Mapping
Reverberation Mapping gehört zu den vielen Begriffen, die sich nicht treffend ins Deutsche übersetzen lassen: Lichtlaufzeit-Kartierung trifft vielleicht das Wesen der Methode, aber die Fachwelt spricht nur von Reverberation Mapping.
breite Emissionslinien von Galaxien
Es handelt sich dabei um ein Verfahren, um die Massen und den Drehimpuls von Schwarzen Löchern zu ermitteln. Dies funktioniert folgendermaßen: Schwarze Löcher sammeln Material aus der Umgebung mittels Akkretion auf. In Galaxien und besonders in aktiven Galaxien mit Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) beobachten Astronomen die so genannte Broad Line Region (BLR), ein Gebiet mit breiten Emissionslinien. Die BLR sind nichts anderes als leuchtende, bewegte Materiewolken, die charakteristische Emissionslinien im Bereich der optischen und ultravioletten Strahlung aussenden. Die Verbreiterung rührt daher, weil die Wolken sich bewegen: aufgrund des Doppler-Effekts wird eine (im Ruhesystem der Wolke) scharfe Spektrallinie verschmiert, weil sich die Bewegung in einer Blauverschiebung (Bewegung in Richtung Beobachter) und einer Rotverschiebung (Bewegung vom Beobachter weg) im entfernten Beobachtersystem niederschlägt. Die Linienbreite kann demnach als Maß für die Geschwindigkeit der BLR herangezogen werden.
entfernte Primärquelle beleuchtet Wolken
Der zweite Parameter ist der Abstand der Materiewolke vom zentralen Schwarzen Loch. Es wird vorausgesetzt, dass die Bewegung der Wolke durch die gravitative Bindung an die dunkle Zentralmasse bewerkstelligt wird. Im bewährten astrophysikalischen Modell nimmt man nun an, dass die BLR deshalb Emissionslinien aussendet, weil die hochenergetische, elektromagnetische Strahlung in der Umgebung sie dazu anregt. Die Primärquelle dieser Strahlung ist das Zentrum des AGN. Es beleuchtet die BLR, die sich typischerweise in einem Abstand von bis zu zehn Lichttagen von der Zentralmasse befindet. Reverberation Mapping nutzt nun im Wesentlichen die Messung von Lichtlaufzeiten aus: Der beobachtende Astronom misst einerseits direkt die Strahlung der Primärquelle und andererseits zeitversetzt aufgrund endlicher Lichtlaufzeiten zwischen Primärquelle und BLR indirekt die Strahlung der Linie. In diesem zeitlichen Versatz steckt die Information über die Geometrie der BLR. Primärstrahlung (AGN bzw. Galaxiezentrum) und Antwortstrahlung (Linie) dienen zur Kartographie der Materiewolken, insbesondere zur Abschätzung ihrer Größe und ihres Abstands zur Zentralmasse.
Masse aus Geschwindigkeit und Abstand
Astronomen nehmen deshalb Kontinuumsspektren und variable Emissionslinien auf und extrahieren daraus mittels Reverberation Mapping die Zentralmassen. Die Dopplergeschwindigkeit v (oder auch mit sigma bezeichnet) aus der Breite der Linie und die Größenabschätzung r gehen in die Berechnung der Masse Schwarzer Löcher mithilfe des Virial-Theorems ein (siehe Gleichung rechts). Man kann also dieses Verfahren zu den kinematischen Methoden zählen, um eine Evidenz für Schwarze Löcher abzuleiten.
Eine gewichtige Rolle spielt Reverberation Mapping (neben der M-σ-Relation) bei der Bestimmung von Massen der supermassereichen Schwarzen Löcher in AGN.
auch Anwendung in der Röntgenastronomie
In der Röntgenastronomie kann die Reverberation-Mapping-Technik dazu verwendet werden, um die Geometrie der Korona abzuleiten. Hier geht man gewissermaßen umgekehrt vor, als bei den BLR beschrieben wurde: Allgemeiner gesprochen kann man die BLR als Reflektor auffassen, der die Primärstrahlung aufnimmt und als 'Antwort' die Linie emittiert. Die Geometrie der BLR ist eine Unbekannte, die ermittelt werden soll. Umgekehrt wird nun in der Röntgenastronomie die Geometrie des Reflektors als bekannt vorausgesetzt. Hier ist es nämlich die Geometrie des Akkretionsflusses in der Nähe des Loches. Typischerweise wird hier die flache Standardscheibe angenommen. Sie übernimmt die Rolle der BLR und reflektiert die Primärstrahlung (hier von der Korona) und gibt sie reprozessiert in Form der relativistischen Eisenlinie wieder ab. Die Röntgenastronomen sind an der Geometrie der Korona interessiert. Sie versuchen Gestalt und Größe mittels Reverberation Mapping der variablen Eisenlinie und des gemessenen koronalen Kontinuums zu ermitteln. In die Variabilität der Fluoreszenzlinie geht nicht nur eine unterschiedliche Beleuchtung durch die Korona ein. Es ist sinnvoll anzunehmen, dass auch die Standardscheibe die Linie nicht immer auf die gleiche Weise reflektiert. Denn die Standardscheibe hat unterschiedliche Temperaturen – je nachdem, ob man mehr den heißen Innenrand oder den kühleren Außenrand betrachtet. Entsprechend ist die Scheibe auch unterschiedlich ionisiert. Astrophysiker sagen dann, dass die Standardscheibe ein variables Ionisierungsprofil habe. Diese zusätzliche Physik erschwert die Reverberation-Mapping-Analyse – sowohl in der Röntgenastronomie, als auch in der optischen Astronomie.
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